JudikaturJustiz8ObA224/98v

8ObA224/98v – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Ignaz Gattringer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner S*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die beklagte Partei B***** GesmbH Co KG, ***** vertreten durch Dr. Franz Kriftner und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Mai 1998, GZ 8 Ra 68/98y-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Oktober 1997, GZ 8 Cga 137/96d-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.068,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, die Entlassung des Klägers, der begünstigter Behinderter im Sinne des § 2 Abs 1 BEinstG ist, wegen auf Weisung des Beschäftigers vereinbarungswidrig vorgenommenen Zeitausgleiches für tatsächlich beim Beschäftigerbetrieb geleistete Überstunden sei unberechtigt (§ 82 lit d GewO iVm § 8 Abs 2 BEinstG), weshalb das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht sei, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:

Mag der vertragswidrig in Anspruch genommene Zeitausgleich im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als überlassener Arbeitskraft und der beklagten Partei als Arbeitskräfteüberlasser auch eine arbeitsvertragliche Ordnungswidrigkeit sein, so erreicht diese nicht das Gewicht eines Entlassungsgrundes (vgl zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses: Arb 9431 = ZAS 1978/7, 50 [Winkler]; Kuderna, Entlassungsrecht2 60 f mwN in FN 1 und 2).

Wesentlich ist, daß bei der Arbeitskräfteüberlassung, mag auch zu dem Arbeitsverhältnis zwischen Überlasser und Arbeitnehmer kein weiteres

Arbeitsverhältnis zwischen Beschäftiger und Arbeitnehmer hinzutreten (DRdA 1993/37, 314 [Ritzberger-Moser] = SZ 65/120), zwischen dem Arbeitnehmer und dem Beschäftiger doch eine Rechtsbeziehung besteht, aufgrund derer diesem ein (eingeschränktes) Weisungsrecht zusteht und insbesondere gemäß § 10 Abs 3 AÜG arbeitszeitrechtliche Vorschriften des im Beschäftigerbetrieb anzuwendenden Kollektivvertrag auch für die überlassene Arbeitskraft gelten.

Wenn auch Arbeitsvertrag und Überlassungsvereinbarung (zwischen Überlasser und Beschäftiger) einen Zeitausgleich untersagen und nach den von der Revisionswerberin vermißten Feststellungen in der Abrechnung zwischen dem Beschäftiger und Überlasser eine Gewinnminderung für den Überlasser eintrat, so darf doch nicht eine weitgehende oder vollständige Saldierung, die im Rahmen der für den in Betracht kommenden Entlassungsgrund als "subjektive Tatseite" bedeutsam ist, außer acht gelassen werden. Die beklagte Partei "ersparte" sich die Zahlung von Überstundenzuschlägen an den Kläger, hatte aber andererseits Auslösen und Nächtigungsgebühren und das Entgelt für Normalüberstunden zu bezahlen, wobei es dem Wesen des Zeitausgleiches entspricht (vgl nunmehr § 10 Abs 1 Z 2 AZG), daß damit eine Leistung an Zahlungsstatt (§ 1414 ABGB) erbracht wird. Wird einerseits die Nichtverrechnung von Überstunden samt Zuschlägen durch den Kläger der Zahlung von Auslösen ua gegenübergestellt, so ist nach der Vorstellung des Klägers eine Gesamtsaldierung eingetreten (vgl Leukauf/Steininger Rz 41 zu § 146 StGB). Selbst wenn in objektiver Bewertung bzw nach den entsprechend den Rechtsausführungen der Revisionswerberin ergänzend zu treffenden Feststellungen (über die Nachverrechnung an Lohnsteuer und SV-Beiträgen, bzw Gewinnentgang der beklagten Partei in ihrer Verrechnung gegenüber dem Beschäftigerbetrieb) die Saldierung nicht vollständig eingetreten sein sollte, so wäre dem Kläger dieser Irrtum (vgl § 8 StGB) nicht in der Weise vorwerfbar, daß die subjektive Tatseite eines strafbaren Betruges erfüllt wäre (es verbliebe nur die Schuldform der Fahrlässigkeit: vgl Leukauf/Steininger Rz 3 zu § 8). Überdies konnte vom Kläger nicht erwartet werden, daß er gegen die Weisungen des Beschäftigerbetriebes Stellung genommen hätte, wodurch er den Interessengegensatz zwischen Überlasser und Beschäftiger in einer ihm nachteiligen Weise zu verspüren bekommen hätte. Mangels Vorsatzes des Klägers (im Sinne des § 146 StGB) ist der Entlassungsgrund nach § 82 lit d GewO und die damit verbundene Vertrauensunwürdigkeit nicht erfüllt (Kuderna aaO, 132 f).

Der Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO ist schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger als Grund für die unterbliebene Arbeitsleistung sich auf den Zeitausgleich als Rechtfertigungsgrund berufen konnte, womit die Pflichtwidrigkeit bzw die Beharrlichkeit ausgeschlossen wird.

Der von der Revisionswerberin in der Rechtsrüge aufgezeigten ergänzenden Feststellungen bedarf es daher zur Verneinung des Entlassungsgrundes nicht, weitere Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.