JudikaturJustiz8ObA2160/96x

8ObA2160/96x – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer und die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Robert Göstl und Peter Pulkrab in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Ulrike B*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Wolfgang B*****, wider die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch den Bürgermeister Dr.Michael Häupl, dieser vertreten durch Dr.Wolfgang Häufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Bestehens eines Dienstverhältnisses (Streitwert S 20.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.April 1996, GZ 10 Ra 1/96g-19, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.Mai 1995, GZ 14 Cga 63/95a-7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung lautet:

"Das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß das Dienstverhältnis des Wolfgang B***** zur Stadt Wien über den 20.12.1994 hinaus aufrecht ist, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.126,45 bestimmten Kosten (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer und S 40 Barauslagen) des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.248,65 bestimmten Kosten (darin S 541,45Umsatzsteuer) des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Vertragsbedienstete der Gemeinde Wien, über dessen Vermögen zwischenzeitig der Konkurs eröffnet wurde, war Lenker des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes und Vertragsbediensteter der Stadt Wien. Am 1.3.1995 erhielt er vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2 - Personalamt -, folgende Mitteilung:

"... Ihr Dienstverhältnis zur Stadt Wien ist infolge des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.3.1994, bestätigt mit Urteil des OLG-Wien vom 20.12.1994, mit welchem Sie zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon acht Monate unbedingt, verurteilt wurden, gemäß § 41 VBO 1979 mit Wirksamkeit vom 20.12.1994 aufgelöst.

Für die Zeit vom 21.12.1994 bis zum 2.3.1995 haben Sie Anspruch auf eine Entgeltleistung in Höhe der Bezüge."

Die Verurteilung des Vertragsbediensteten erfolgte wegen teils gewerbsmäßig schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB.

Der Kläger bzw in der Folge seine Masseverwalterin begehrt die Feststellung, daß das Dienstverhältnis zur Stadt Wien nicht aufgelöst sei. Nach seiner Auffassung sei § 41 Wr VBO 1979 so zu verstehen, daß das Dienstverhältnis nur dann ende, wenn die unbedingte Strafe mehr als ein Jahr betrage. Infolge Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nur acht Monaten unbedingt finde § 41 WrVBO 1979 keine Anwendung.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, daß nur bei einer bedingten Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe das Dienstverhältnis nicht bereits ex lege aufgrund dieser Verurteilung gemäß § 41 WrVBO 1979 erloschen sei und verwies auf die gleichlautende Norm des § 20 Abs 1 BDG 1979.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung unter Umformulierung des Urteilsspruchs. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, die vorliegende Bestimmung unterscheide sich von § 20 Abs 1 BDG 1979 dadurch, daß bei der hier auszulegenden Norm des § 41 WrVBO 1979 ausdrücklich festgehalten werde, daß das Dienstverhältnis bei bedingter Strafnachsicht nicht ende, es sei denn, daß die Nachsicht widerrufen werde. Die Auffassung der beklagten Partei, darunter sei nur eine gänzlich bedingte Nachsicht der Strafe zu verstehen, im übrigen sei analog den Grundsätzen der §§ 27, 44 Abs 2 StGB und der entsprechenden Judikatur zu § 20 BDG 1979 (insb 12 Os 108/88) vorzugehen, könne nicht gefolgt werden, weil § 41 WrVBO 1979 nicht auf § 27 StGB Bezug nehme. Für eine dem Wortlaut nicht unmittelbar entsprechende restriktive Auslegung, wonach auch eine unbedingte Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr im Zusammenhang mit einer insgesamt ein Jahr übersteigenden bedingten Strafnachsicht den Auflösungsgrund des § 41 WrVBO 1979 verwirkliche, liege kein Anhaltspunkt vor.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Masseverwalterin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Revisionswerberin meint, für eine unterschiedliche Auslegung des § 41 WrVBO 1979 und des § 20 Abs 1 Z 4 B-DG bestehe kein Anlaß. Auch die erstgenannte Bestimmung nehme (indirekt) Bezug auf § 27 StGB. Die in Angelegenheiten des Bundesrechtes erlassenen Gesetze und Verordnungen der Länder dürften von den das Dienstrecht regelnden Gesetzen und Verordnungen des Bundes nicht in einem Ausmaß abweichen, daß der gemäß Abs 4 vorgesehene Wechsel des Dienstes zwischen Bund, den Ländern, den Gemeinden und Gemeindeverbänden wesentlich behindert werde. Durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Unterscheidung würde aber genau jener verfassungsrechtlich gebotene Grundsatz der Durchlässigkeit der verschiedenen Dienstrechtsregelkreise mißachtet. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher das Berufungsgericht feststellen müssen, daß eine bedingte Nachsicht von Rechtsfolgen nur dann in Betracht komme, wenn die Strafe gemäß § 43 StGB zur Gänze bedingt nachgesehen werde. Die Strafe sei unteilbar und daher das gesamte Ausmaß der verhängten Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, nicht aber nur der unbedingt verhängte Teil derselben. Auch aus teleologischer Sicht sei die Rechtsmeinung der Vorinstanzen abzulehnen. Gerade im öffentlichen Dienst im weiteren Sinn sei die Vertrauenswürdigkeit der Organe ein besonders wesentliches Kriterium für die ordnungsgemäße Verwaltung.

Den Argumenten der beklagten Partei ist im Ergebnis zu folgen.

§ 41 WrVBO 1979 lautet: "Das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten endet durch Verurteilung eines inländischen Gerichtes wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbaren Handlungen (ausgenommen Jugendstraftaten) zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe; das Dienstverhältnis endet nicht, wenn die Strafe bedingt nachgesehen wird, es sei denn, daß die Nachsicht widerrufen wird."

§ 41 WrVBO 1979 normiert somit eine Rechtsfolge, die bei einer strafrechtlichen Verurteilung unter bestimmten Voraussetzungen ex lege eintritt, nämlich die Beendigung des Dienstverhältnisses bei einem Vertragsbediensteten, sofern nicht der dort genannte Ausnahmstatbestand vorliegt.

Diese Bestimmung ist erkennbar § 20 Abs 1 Z 4 B-DG und § 34 Abs 3 VBG iVm §§ 27 Abs 1 und 44 Abs 2 StGB nachgebildet. Nach der erstgenannten Bestimmung wird das Dienstverhältnis eines Beamten durch den Amtsverlust gemäß § 27 Abs 1 StGB aufgelöst; nach der zweitgenannten Bestimmung gilt das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils als aufgelöst, wenn ein strafgerichtliches Urteil gegen den Vertragsbediensteten ergangen ist, das nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften den Verlust jedes öffentlichen Amtes unmittelbar zur Folge hat.

Die verwiesene Bestimmung des § 27 Abs 1 StGB normiert:

"Mit der durch ein inländisches Gericht erfolgten Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbaren Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe ist bei einem Beamten der Verlust des Amtes verbunden."

Nach § 44 Abs 1 StGB sind Nebenstrafen (außer der Verfall) und die Rechtsfolgen der Verurteilung nachzusehen, wenn die Hauptstrafe bedingt nachgesehen wird.

Auch nach der Einführung der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe nach § 43a StGB durch die Nov-BGBl 1987/605 hielt der Oberste Gerichtshof, gebilligt von der Lehre (Leukauf-Steininger Komm3 § 44 RN 7), seit seiner Grundsatzentscheidung vom 1.12.1988, 12 Os 108/88, JBl 1989, 595 (in diesem Sinne insb auch 12 Os 111/94) daran fest, daß eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen weiterhin nur in Betracht komme, wenn die Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen werde. Bei teilbedingter Nachsicht der Strafe scheide eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen nach dem klaren Wortlaut des § 44 Abs 2 StGB aus, zumal diese Bestimmung - im Gegensatz zur Regelung des ersten Absatzes über das Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafen - durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 nicht geändert worden sei. Das sei auch durchaus sachgerecht, weil die kriminalpolitische Zielsetzung, die der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 eröffneten Sanktionsmöglichkeiten der teilbedingten Strafnachsicht (§ 43a StGB) zugrunde liege, wesensmäßig nicht für die - ohne gesonderten Urteilsausspruch schon aufgrund des Gesetzes eintretenden - Rechtsfolgen gelten könne; ist doch der im Gesamtausmaß einer Strafe zum Ausdruck kommende und solcherart für die Rechtsfolgen (hier: des Amtsverlustes) allein entscheidende Unwertgehalt einer Tat, anders als die in § 43a Abs 3 und 4 StGB eröffnete, auf stufenweise Auslotung der nach Lage des Falles jeweils gebotenen Mindestbeschwer ausgerichtete Sanktionsvariante, einer Teilung nicht zugänglich.

Diese Gesichtspunkte gelten auch für den Unwertgehalt einer Straftat eines Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien, der ebenfalls öffentlich Bediensteter im Sinne des B-VG ist (9 ObA 152/92; 8 ObA 222/95).

Sie können weder durch die Überlegung, für einen Vertragsbediensteten müßten nicht so strenge Regeln gelten wie für einen Beamten, weil er eine geringere Vertrauensposition als ein Beamter habe, noch dadurch entkräftet werden, daß der Wortlaut des § 41 WrVBO zwingend eine andere Auslegung gebiete.

Dem ersten Argument ist entgegenzuhalten, daß auch der Vertragsbedienstete des Bundes durch den Hinweis "auf die bestehenden Vorschriften über den Verlust eines öffentlichen Amtes" in § 34 Abs 3 VBG einer bedingten Nachsicht der Rechtsfolgen bei teilbedingter Nachsicht der Strafe nicht teilhaftig werden kann, dh, daß für diesen öffentlich-rechtlichen Bediensteten dieselben Regeln wie für einen Beamte gelten. Zum zweiten Argument ist zu sagen, daß entgegen der Ansicht der Vorinstanzen § 41 WrVBO keinesfalls zwingend eine andere Auslegung gebietet, und daß aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises auf die Bestimmungen des StGB nicht Gegenteiliges gefolgert werden kann, weil weder § 44 Abs 1 StGB noch § 41 WrVBO 1979 die Frage der teilbedingten Nachsicht der Strafe im Zusammenhang mit der Nachsicht der Rechtsfolgen ausdrücklich regelt. Der Wortlaut für sich allein spricht in beiden Bestimmungen eher gegen die Ansicht der Vorinstanzen. Daß bei der teilbedingten Nachsicht der Strafe die Rechtsfolgen nicht bedingt nachgesehen werden können, hat die oberstgerichtliche Rechtsprechung vielmehr aus den im Gesamtausmaß der Strafe zum Ausdruck kommenden Unwertgehalt der Tat abgeleitet, der die Fortsetzung des Dienstverhältnisses ausschließt. Die Rechtsfolge des Amtsverlustes bzw der Beendigung des Dienstverhältnisses tritt mit Rechtskraft der entsprechenden Verurteilung ex lege ein, ohne daß es einer Feststellungsentscheidung des Gerichtes bedarf (11 Os 18/83, SSt 54/13).

Die Entscheidung ist daher im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, weil das Dienstverhältnis des späteren Gemeinschuldners mit Rechtskraft des Urteiles am 20.12.1994 ex lege aufgelöst wurde.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 41, 50 ZPO.