JudikaturJustiz8Ob77/63

8Ob77/63 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 1963

Kopf

SZ 36/42

Spruch

Wirkung des vertraglichen Ausschlusses der Verwahrerhaftung nach § 964 ABGB.

Entscheidung vom 19. März 1963, 8 Ob 77/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht stellte fest, die Klägerin habe im Jahre 1960 sieben Manuskripte von illustrierten Kinderbüchern einer Bekannten, Maria S., übergeben, damit diese den Beklagten dazu bewege, einen Verleger für diese Kinderbücher zu suchen. Maria S. sei zur Weihnachtszeit 1960, als schon der Rummel einer Weihnachtsaktion geherrscht habe, beim Beklagten erschienen und habe ihm die der Klägerin gehörigen Manuskripte angeboten. Der Beklagte habe die Übernahme der Manuskripte immer wieder abgelehnt, weil sie unverwertbar seien und er im Augenblick auch keine Zeit habe, sich mit diesen Manuskripten zu befassen. Maria S. habe jedoch nicht lockergelassen. Schließlich habe sich der Beklagte der Maria S. nicht mehr erwehren können. Er habe ihr erklärt, er könne keinerlei Garantie dafür übernehmen, daß die Manuskripte nicht verlorengingen, wenn Maria S. sie ihm dalasse. Maria S. habe die der Klägerin gehörigen Manuskripte dennoch beim Beklagten zurückgelassen. Im Rummel der Weihnachtsaktion seien die Manuskripte in Verlust geraten. Das Begehren der Klägerin auf Ersatz des mit dem Verlust der Manuskripte für sie verbundenen Schadens in Höhe des Klagsbetrages wies das Erstgericht in der Erwägung ab, daß im Hinblick auf den zwischen Maria S. in Vertretung der Klägerin und dem Beklagten vereinbarten Haftungsausschluß das Risiko des Verlustes der Manuskripte ausschließlich die Klägerin getroffen habe und daß der Beklagte für eine etwaige Fahrlässigkeit in der Verwahrung der Manuskripte nicht hafte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen das erstgerichtliche Urteil nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Obwohl der Beklagte in erster Instanz vorgebracht hat, mit der Klägerin übereingekommen zu sein, daß er für einen allfälligen Verlust der Manuskripte nicht hafte, hat die Klägerin - die entgegen dem von ihr in der Revision unter dem Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. vertretenen Standpunkt hiefür die Behauptungs- und Beweislast trifft - in erster Instanz nichts vorgebracht und unter Beweis gestellt, was darauf hinausliefe, der Beklagte habe den Verlust der Manuskripte vorsätzlich oder grob fahrlässig in einer für einen solchen Verlust atypischen Weise oder in einem nach den Umständen nicht vorhersehbaren Zusammenhang herbeigeführt, in welchem Fall die Vereinbarung des Haftungsausschlusses, bzw. die Berufung des Beklagten auf diese Vereinbarung gegen die guten Sitten verstieße (EvBl. 1961, Nr. 95). Mangels eines solchen Vorbringens der Klägerin in erster Instanz, welches wegen des Neuerungsverbotes im Rechtsmittelverfahren nicht nachgetragen werden konnte, fehlt die Möglichkeit, im Rechtsmittelverfahren die Frage der Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung über den Haftungsausschluß zu überprüfen. Diesbezüglich können dem angefochtenen Urteil daher keine Feststellungsmängel anhaften.

Schließlich führt die Klägerin ins Treffen, der Hinweis des Beklagten, er übernehme für die ihm übergebenen Manuskripte "keine Garantie", dürfe keineswegs als allgemeiner Ausschluß der Haftung des Beklagten für einen Verlust der Manuskripte gewertet werden. Richtiger rechtlicher Beurteilung nach habe diese Erklärung dem Beklagten "keinen Freibrief" gewährt. Der Rechtsansicht der Klägerin, daß der vereinbarte Haftungsausschluß sich für den Beklagten nicht als Freibrief darstellte, die übernommenen Manuskripte beliebig der Verlustgefahr auszusetzen, ist zuzustimmen. Indes ist für die Klägerin damit nichts gewonnen, denn sie hat in erster Instanz - wie ausgeführt - weder behauptet, geschweige denn erwiesen, daß der Beklagte den vereinbarten Haftungsausschluß als "Freibrief" betrachtet habe und mit den erhaltenen Manuskripten dementsprechend umgegangen sei. Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, daß es von vornherein abzusehen gewesen sei, der Beklagte werde infolge Arbeitsüberlastung und seiner mit der Weihnachtsaktion verbunden gewesenen räumlichen Beschränkung den übernommenen Manuskripten nicht die unter gewöhnlichen Umständen zumutbare Sorgfalt zuwenden können. Die rechtliche Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes ist daher stichhältig, Maria S. habe unter den geschilderten, ihr bekannten Umständen für die Klägerin die Gefahr eines Verlustes der Manuskripte in Kauf genommen, wenn sie diese trotz der ihr vom Beklagten bekanntgegebenen widrigen Umstände beim Beklagten zurückgelassen hat, und die Klägerin könne demnach ihren Ersatzanspruch nun nicht darauf stützen, daß der Beklagte trotz der von ihm bekanntgegebenen Arbeitsüberlastung und räumlichen Beschränkung nicht die unter gewöhnlichen Umständen zumutbare Sorgfalt bei Verwahrung der Manuskripte an den Tag gelegt haben müsse. Mehr als die Vernachlässigung dieser Sorgfalt hat die Klägerin dem Beklagten als sein die Ersatzpflicht begrundetes Verschulden nicht zum Vorwurf gemacht.