JudikaturJustiz8Ob76/63

8Ob76/63 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1963

Kopf

SZ 36/47

Spruch

Geänderte Projektierung des öffentlichen Straßennetzes gibt keinen Anspruch auf Verlegung eines Servitutsweges.

Entscheidung vom 26. März 1963, 8 Ob 76/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Mit Kaufvertrag vom 6. und 9. Mai 1930 hat der Rechtsvorgänger der Antragstellerin das Grundstück 958/5 von dem Rechtsvorgänger der Antragsgegner gekauft. Der Verkäufer verpflichtete sich, über die ihm gehörigen Grundstücke 955/1, 958/1 und 958/4 einen Fahrweg von 6 m Breite südlich der Grundstücke 955/2, 954/3, 958/3 und entlang der Nordgrenze des Grundstückes 958/4 herzustellen. Die Gemeinde H. hatte die Abtretung eines 3 m breiten Grundstreifens aus dem Grundstück 958/5 zur Anlage der von ihr projektierten 6 m breiten Straße verlangt. Es sollte also an Stelle des dem Käufer eingeräumten Geh- und Fahrweges eine 6 m breite Straße errichtet werden. Dieses Projekt war der Anlaß für den vereinbarten Verlauf des dem Käufer vom Verkäufer eingeräumten Servitutsweges. Da dann im Jahre 1938 an Stelle der geplanten Straße die nördlich des Dienstbarkeitsweges verlaufende sogenannte H.strasse gebaut wurde, bildet der Dienstbarkeitsweg im Osten eine Sackgasse. Die Bewohner des auf dem Grundstück 958/5 errichteten Hauses können daher die Omnibushaltestelle in der H.straße nur umständlich erreichen. Die Antragstellerin begehrte zunächst die Feststellung, daß ihr die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges über einen 6 m breiten Streifen des Grundstückes 958/8 anschließend an dessen Westgrenze in der Nordsüdrichtung zustehe. Dieses Begehren wurde rechtskräftig abgewiesen. Nunmehr begehrt die Antragstellerin im Außerstreitverfahren die Regelung der ihr zustehenden Dienstbarkeit dahin, daß die Ausübung der Dienstbarkeit des unbeschränkten Geh- und Fahrweges gemäß Punkt 7 des Kaufvertrages vom 6. und 9. Mai 1930 zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 958/5 KG. H. als des herrschenden Gutes über das Grundstück 958/8 KG. H. als das dienende Gut dahin geregelt werde, daß sich die Dienstbarkeit über das Grundstück 958/8 in Nordsüdrichtung über einen 6 m breiten Grundstreifen entlang und parallel zu dessen Westgrenze und in Ostwestrichtung über einen 3 m breiten Grundstreifen entlang und parallel zu dessen Südgrenze, endend 6 m östlich der Grenze zwischen den Grundstücken 958/5 und 958/10, erstrecke.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es vertrat den Standpunkt, daß der erhobene Anspruch weder in der Bestimmung des § 495 ABGB. noch in der des § 848a ABGB. eine Stütze finde. Die Erreichung des öffentlichen Wegenetzes sei durch die Nichtausführung der geplanten Straße und die Errichtung der H.strasse für die Servitutsberechtigten nur umständlicher geworden. Der Servitutsweg sei jedoch keineswegs dadurch unbrauchbar geworden. Die Berufung auf die Bestimmung des § 848a ABGB. sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Teilung sowohl des dienenden wie auch die des herrschenden Grundstückes der Vereinbarung über die Einräumung der Dienstbarkeit vorangegangen seien.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rechtsmittel ist nach § 16 (1) AußStrG. nicht zulässig.

Auch wenn zwischen den seinerzeitigen Vertragspartnern der Verlauf des Dienstbarkeitsweges aus dem Gründe in westöstlicher Richtung festgelegt wurde, weil die Gemeinde H. an dieser Stelle die Errichtung einer Straße geplant hatte, und wenn die Gemeinde H. dieses Projekt später fallen ließ, so daß der Servitutsweg nunmehr östlich in einer Sackgasse endet, bildet dieser Umstand entgegen der Meinung der Rekurswerberin keinen Anlaß zu einer Regelung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges im Außerstreitverfahren in der von der Antragstellerin begehrten Art, nämlich durch Einräumung eines Geh- und Fahrrechtes in nordsüdlicher Richtung über das Grundstück der Antragsgegner Nr. 958/8 zwecks Herstellung einer kürzeren Verbindung des Grundstückes 958/5 zum öffentlichen Wegenetz. Der sogenannte Servitutsweg hat durch die Nichterrichtung der ursprünglich geplanten Straßenanlage keineswegs seine Bedeutung verloren, weil er ja von allen Eigentümern der südlich des Weges gelegenen Grundstücke benützt werden kann, um die Wegparzelle 3657/2 und damit den Anschluß an das öffentliche Wegenetz zu erreichen. Der Servitutsweg ist keineswegs für die Antragstellerin und die Bewohner des auf ihrem Grundstück errichteten Hauses unbrauchbar geworden. Es ist auf ihm für diese Personen nur umständlicher, wie schon das Erstgericht festgehalten hat, das öffentliche Wegenetz zu erreichen. Aber selbst wenn man der Antragstellerin darin beipflichten wollte, daß der von ihrem Grundstück aus nach Osten verlaufende Teil des Servitutsweges für sie wegen des unterbliebenen Baues der projektierten Straße zwecklos und daher unbrauchbar sei, ist damit für sie nichts gewonnen weil § 495 ABGB. nur eine vorübergehende Maßnahme bis zur Herstellung des vorigen Standes vorsieht, die Verlegung der Servitut im vorliegenden Fall aber eine dauernde wäre (vgl. JBl. 1962 S. 149). Hält man (der Auffassung Klangs in seinem Kommentar zum ABGB.[2], zu § 848a ABGB., unter 3, S. 1143, folgend) § 848a ABGB. auch auf die Regelung von Wegdienstbarkeiten für anwendbar, dann muß eine Regelung in der von der Antragstellerin gewünschten Weise schon aus dem Gründe unterbleiben, weil ihr Anlaß nicht die Teilung des dienenden oder herrschenden Grundstückes, sondern die geänderte Projektierung des öffentlichen Straßennetzes wäre. Die Untergerichte haben also die Rechtssache keineswegs unrichtig beurteilt. Umso weniger kann daher davon die Rede sein, daß die angefochtene Entscheidung offenbar gesetzwidrig ist, denn eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur dann vor wenn ein Fall im Gesetze selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (SZ. XXI 10, 131, SZ. XXIII 10, 46, 161, 206, 360, SZ. XXIV 6 u. v. a.).

Da, wie sich aus den obigen Rechtsausführungen ergibt, auch die behaupteten Aktenwidrigkeiten, betreffend die Verbindung zum öffentlichen Wegenetz nach Osten und Süden, keinesfalls für die Entscheidung wesentlich sein können, war wie im Spruch zu entscheiden.