JudikaturJustiz8Ob670/89

8Ob670/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Oktober 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Jasmine Sylvia W***, geboren am 21. Juni 1981, wohnhaft in 3163 Freiland, Lehenrotte 32/3/3, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld, diese vertreten durch Dr. Georg Krasser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Walter D***, geb. 12. Jänner 1958, derzeit unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch den Abwesenheitskurator Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Babenbergerstraße 30/2, wegen Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 23. August 1989, GZ. 4 R 420/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 10. Mai 1989, GZ. C 286/89h-6, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 21. Juni 1981 außer der Ehe geborene Klägerin begehrte die Feststellung, daß der Beklagte ihr Vater sei, und beantragte, ihn zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von S 2.440,-- ab 8. März 1986 zu verpflichten. Hiezu brachte sie vor, der Beklagte habe ihrer Mutter Irene R*** innerhalb der kritischen Zeit geschlechtlich beigewohnt und seinerzeit ein übliches Arbeitseinkommen bezogen; er sei nunmehr unbekannten Aufenthaltes. Dieses Klagevorbringen wurde von dem für den Beklagten bestellten Abwesenheitskurator bestritten und die Klageabweisung beantragt.

Das Erstgericht gab der Klage vollinhaltlich statt. Es traf folgende Feststellungen:

Der Beklagte und die Mutter der Klägerin lernten einander Anfang des Jahres 1980 in einem Cafehaus in Traisen kennen, sie trafen einander in der Folge immer öfter und nahmen etwa im Frühjahr 1980 geschlechtliche Beziehungen auf. Im September oder Oktober 1980 zog der Beklagte dann zur Kindesmutter in das Haus ihrer Eltern in Traisen und die beiden lebten in Lebensgemeinschaft, bis der Beklagte am 10. Dezember 1980 plötzlich unangekündigt verschwand. Bis zu diesem Zeitpunkt verkehrten die Kindesmutter und der Beklagte wiederholt geschlechtlich miteinander. In der Zeit von Frühjahr 1980 bis 10. Dezember 1980 und auch danach bis zum Ende des Jahres 1980 hatte die Kindesmutter mit keinem anderen Mann als dem Beklagten Geschlechtsverkehr. Die Klägerin war bei der Geburt reif und voll ausgetragen. In der Zeit vom 20. September 1980 bis 10. Dezember 1980 hatte der Beklagte als Tankwart bei der Firma W*** ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 6.478,50. Sein fiktives Monatseinkommen ab dem Jahr 1986 ist mit zumindest S 11.000 bis S 12.000 zuzüglich der einem Tankwart üblicherweise gewährten Trinkgelder anzunehmen. Der Beklagte hatte jedenfalls bis zum 10. Dezember 1980 keine Sorgepflichten. Die Klägerin ist Schülerin, einkommens- und vermögenslos und hat ihrem Alter angemessene Bedürfnisse. Die gesetzliche Vermutungsfrist betrifft den Zeitraum vom 24. August 1980 bis 24. Dezember 1980.

Das Erstgericht gründete seine rechtliche Beurteilung auf die Rechtsvermutung des § 163 Abs. 1 ABGB, wonach derjenige als Erzeuger eines Kindes gilt, der dessen Mutter während des Zeitraumes von nicht mehr als 302 Tagen und nicht weniger als 180 Tagen beigewohnt hat. Diese Voraussetzungen träfen hier im Hinblick auf die gesetzliche Vermutungsfrist, innerhalb der die Klägerin empfangen wurde, auf den Beklagten zu. Den Beweis der absoluten Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft im Sinne des § 163 Abs. 2 ABGB habe der Beklagte nicht angetreten, ein Beweis der relativen Unwahrscheinlichkeit, nämlich, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher sei als die eines anderen Mannes, für den die Vermutung des § 163 Abs. 1 ABGB ebenfalls gelte, sei schon allein auf Grund der Tatsache, daß kein anderer Mann vorhanden sei, auf den diese Vermutung ebenfalls zutreffe, unmöglich. Somit sei der Beklagte als Vater der Klägerin festzustellen. Das Unterhaltsbegehren der Klägerin hielt das Erstgericht aus den im einzelnen dargelegten Gründen ebenfalls für gerechtfertigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten lediglich hinsichtlich des erstgerichtlichen Unterhaltszuspruches teilweise Folge, indem es das erstgerichtliche Urteil betreffend den Zuspruch für die Zeit vom 8. März 1986 bis 31. März 1989 (Klageerhebung) aufhob und die Rechtssache insoweit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Es verneinte das Vorliegen des angeblich in mangelhaften Nachforschungen über den Verbleib des Beklagten und der dadurch verhinderten Blutmerkmalauswertung gelegenen Verfahrensmangels. Die auf Grund des möglichen Aufenthaltes des Beklagten in Frankreich oder auf Korsika von den französischen Behörden durchgeführten Nachforschungen seien ergebnislos geblieben. Mangels jeglichen sonstigen Anhaltspunktes betreffend den Aufenthaltsort des Beklagten sei die weitere Suche nach ihm mit unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden und die Einholung eines serologischen Gutachtens unter Einbeziehung des Beklagten unmöglich. Gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung bestünden keine Bedenken, ein Einwand des Mehrverkehrs sei vom Beklagten auch gar nicht erhoben worden. Der bloße Umstand, daß ein als Vater belangter Beklagter unauffindbar sei und daher als Beweismittel nicht zur Verfügung stehe, könne nicht dazu führen, den Vaterschaftsbeweis als mißlungen anzusehen. Gegen die erstgerichtliche rechtliche Beurteilung in der Frage der Vaterschaft bringe der Beklagte keinerlei stichhältige Argumente vor. Hinsichtlich des Unterhaltszuspruches sei die erstgerichtliche Entscheidung teilweise aufzuheben, weil die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Unterhaltszuspruch auch für die Vergangenheit mit den Parteien nicht hinreichend erörtert worden sei. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung wendet sich die auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klageabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Revisionswerber führt aus, das Berufungsgericht habe zumindest teilweise seine Rüge übergangen, daß der letzte Ausforschungsversuch bereits am 25. Juni 1983 unternommen worden sei; es sei daher der Untersuchungsgrundsatz verletzt und die Beweislast zu ungunsten des Beklagten verschoben worden, denn man habe unzulässigerweise die ungeklärten Umstände zu Lasten des Beklagten gewertet.

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung liegt die Anwendung des im Vaterschaftsverfahren gemäß Art. V Z 5 UeKindG geltenden Untersuchungsgrundsatzes im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen. Trotz der amtswegigen Pflicht zur Wahrheitsforschung ist letztlich die Erreichung des Verfahrenszieles höher zu werten als die in völlig ungewisser Zukunft liegende Möglicheit der allfälligen Einbeziehung der Mutter oder des als angeblichen Vater Beklagten in die der Vaterschaftsbestimmung dienenden Untersuchungen. Ist der Beklagte unbekannten Aufenthaltes, wurden, wenngleich erfolglos, Nachforschungen über seinen Verbleib sogar im Ausland angestellt und ergeben sich in der Folge keinerlei Hinweise und Anhaltspunkte für weitere gezielte Nachforschungen, dann kann in der Beurteilung, daß seine Vernehmung im Verfahren unterbleiben müsse, kein Verstoß gegen das pflichtgemäße richterliche Ermessen bei Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes erkannt werden.

Die in der Revision behauptete Verschiebung der Beweislast liegt nicht vor, denn der Klägerin oblag im Sinne des Gesetzes die Beweisführung dafür, daß der Beklagte ihrer Mutter innerhalb der kritischen Zeit beigewohnt hat. Diesen Beweis haben die Tatsacheninstanzen für erbracht gehalten. Von einer im Rahmen der zur rechtlichen Beurteilung gehörenden Beweislastverteilung erfolgten Wertung ungeklärter Umstände zu Lasten des Beklagten kann daher nicht die Rede sein. Es stellt eine Frage der vor dem Revisionsgericht unanfechtbaren Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar, warum sie allein auf Grund der Zeugenaussage der Mutter deren Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten innerhalb der Vermutungsfrist für feststellbar erachteten.

Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen besteht die Rechtsvermutung des § 163 Abs. 1 ABGB, daß der Beklagte der Vater der Klägerin ist. Gegen diese Rechtsvermutung wird in der Rechtsrüge nichts vorgebracht. Mangels ihrer Widerlegung gilt der Beklagte als Vater der Klägerin und wurde daher zu Recht als solcher festgestellt. Der Revisionsantrag lautet zwar auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der vollen Klageabweisung und erfaßt damit auch den berufungsgerichtlichen Unterhaltszuspruch. Eine Bekämpfung dieses Zuspruches ist in den Revisionsausführungen jedoch nicht enthalten. Sie ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO idgF. über die Unzulässigkeit der Anfechtung der Unterhaltsbemessung in dritter Instanz auch nicht zulässig. Der nicht gerechtfertigten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.