JudikaturJustiz8Ob615/87

8Ob615/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Maier als Richter in der Pflegschaftssache der mj. R*** Andrea-Geralda, geboren am 7.Oktober 1969, Alrun-Helene, geboren am 30.Dezember 1971 und Gandolf-Meinhard, geboren am 27.November 1974 sowie Gebhard-Konstantin R***, geboren am 9.Februar 1982, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Gerhard R***, Psychologe, 5503 Mitterberghütten, Werksgelände 20, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 10. September 1986, GZ 33 R 401/86-249, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Radstadt vom 29.April 1986, GZ P 46/84-233, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der vier Minderjährigen wurde im Jahre 1979 geschieden. Die drei ehelichen Kinder Andrea-Geralda, Alrun-Helene und Gandolf-Meinhard sind in Pflege und Erziehung der Mutter. Gebhard-Konstantin R*** wurde am 9.2.1982 außer der Ehe geboren. Das Erstgericht wies die Anträge des Vaters auf Erweiterung des Besuchsrechtes gegenüber den ehelichen Kindern und Einräumung eines solchen gegenüber dem außerehelichen Kind, auf zwangsweise Durchsetzung dieses Besuchsrechtes und auf Ausstellung von Reisepässen für alle vier Kinder ab. Dem Vater wurde darüberhinaus das bisherige Besuchsrecht hinsichtlich seiner ehelichen Kinder entzogen und der sofortige Vollzug des Beschlusses angeordnet. Das Erstgericht stützte seine Entscheidung darauf, daß der Vater seiner geschiedenen Ehegattin sexuelle Verfehlungen gegenüber den Kindern und intime Verhältnisse zu verschiedenen Personen nicht nur in Anzeigen und gerichtlichen Eingaben, sondern auch in Äußerungen vorwirft, die auch in Gesprächen mit den Kindern und vor den Kindern gefallen sind. Im Interesse des Wohles der Kinder sei es unbedingt notwendig, weitere Kontakte des Vaters mit den Kindern zu unterbinden. Aufgrund seiner haltlosen Vorwürfe gegen die Mutter (die Strafverfahren wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt), die er auch gegenüber den Kindern erhebt und mit den drei älteren anhand des Strafgesetzbuches diskutiert, könnten sich schwere psychische Schäden der Kinder ergeben. Wenn der Vater der 16-jährigen Tochter vorwerfe, sie sei defloriert und im Beisein der anderen Geschwister das Ansinnen stelle, eine Hymenprobe vorzunehmen, gefährde das die Kinder psychisch. Die gegenüber den Kindern ständig geäußerten Bezichtigungen, daß die Mutter Sexualdelikte an ihnen begehe im Zusammenhalt mit den Vorwürfen, sie unterhalte mit allen Bekannten sexuelle Kontakte, seien eine unerträgliche Störung der Beziehungen zur Mutter. Aus dem Antrag, für die Kinder Reisepässe auszustellen, ergäben sich im Zusammenhang bereits geäußerter Vorstellungen Anhaltspunkte dafür, daß der Vater sein Besuchsrecht dazu ausnützen werde, die Kinder ins Ausland zu verbringen. Auch die ablehnende Stellungnahme der Kinder gegenüber dem Vater falle durchaus ins Gewicht. Bei einer wesentlichen Änderung der Umstände könne wieder eine andere Regelung getroffen werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es faßte die ausführlichen Darlegungen des Vaters in 25 einzelnen Punkte zusammen und hielt diesen entgegen, daß die darin zum Ausdruck kommende Argumentation nicht geeignet sei, die Richtigkeit der erstrichterlichen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Das Wohl der Kinder erfordere es, die Beziehungen der Kinder zu dem Elternteil, bei dem sie aufwachsen, nicht unerträglich zu stören. Im vorliegenden Fall habe der Vater massive Vorwürfe gegen die Mutter vor allem im Sexualbereich erhoben. Er habe dies nicht nur gegenüber den zuständigen Behörden getan, sondern auch vor den Kindern und in Gesprächen mit den Kindern. Für ihn stelle sich sein Verhalten geradezu als Erfüllung einer väterlichen Pflicht dar. Es müsse daher bei einer Fortdauer von väterlichen Besuchen mit einer Wiederholung des belastenden Verhaltens gerechnet werden. Für die Beziehung der Kinder zur Mutter sei es unerträglich, daß sie bei väterlichen Besuchen Vorwürfe hören, die Mutter habe sich ihnen und den Geschwistern gegenüber sexueller Kriminalität schuldig gemacht und sie sei sexuell hemmungslos oder pervers. Weiß das Kind, daß ein Vorwurf unberechtigt ist, dann müsse es mit Schmerz oder Empörung reagieren; kennt es den Wahrheitsgehalt von Vorwürfen nicht, dann müsse das Mißtrauen und Ablehnung erzeugen und die Beziehung vergiften.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der ao. Revisionsrekurs des Vaters, den er dahin zusammenfaßt, daß daraus auf die Geltendmachung von Anfechtungsgründen der Nichtigkeit und offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG geschlossen werden kann. Das Rekursgericht habe es verabsäumt, auf die 25 Punkte seiner Rekurschrift einzugehen, weshalb er in seinem rechtlichen Gehör verletzt worden sei. Die offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung werde daraus abgeleitet, daß dem Beschwerdeführer durch die Untersagung des Besuchsrechtes die Möglichkeit genommen werde, mit den Kindern Sexualpädagogik zu betreiben.

Rechtliche Beurteilung

Der ao. Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes vorliegt, ist der Revisionsrekurs nur aus den Gründen des § 16 AußStrG zulässig.

Die gerügte Nichtigkeit liegt jedoch nicht vor, weil der Rechtsmittelwerber ausreichend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt zur Frage der Einräumung des Besuchsrechtes im Verfahren zur Geltung zu bringen. Daß ihm das Rekursgericht nicht folgte und in einer zusammenfassenden Beurteilung die Argumente des Erstgerichtes auch durch die umfangreichen Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Rechtsmittel nicht für widerlegt erachtete, bedeutet keine Nichtigkeit und damit keine beachtliche Geltendmachung des angeführten Rechtsmittelgrundes.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt bei einer am Einzelfall orientierten Entscheidung über das Besuchsrecht nicht schon dann vor, wenn nicht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt wurden, sondern nur wenn das Wohl des Kindes völlig mißachtet worden wäre (EFSlg.47.234, 47.233, 44.666; 8 Ob 567/83; 1 Ob 564/86 ua). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Das Rekursgericht hat zutreffend die Bedachtnahme auf das Wohl der Kinder als Grundprinzip des Pflegschaftsverfahrens in den Vordergrund seiner Erwägungen gestellt. Seinen Ausführungen ist bei der gegebenen Sachlage nichts mehr hinzuzufügen.

Der ao. Revisionsrekurs war somit zurückzuweisen.