JudikaturJustiz8Ob530/87

8Ob530/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. April 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 30. Dezember 1984 verstorbenen Elmar A***, Landwirt, zuletzt wohnhaft Lind Nr. 2, 9063 Maria Saal, infolge Revisionsrekurses der Dorothea A***,

Landwirtin, Lind 2, 9063 Maria Saal, vertreten durch Dr. Franz M. Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 16. Jänner 1987, GZ 1 R 11/87-191, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 27. November 1986, GZ 1 A 1/85-166, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 30. Dezember 1984 verstorbene Elmar A*** war Alleineigentümer von 23 Liegenschaften und Miteigentümer von 2 Liegenschaften; er war auch an Gesellschaften beteiligt. Elmar A*** hinterließ nach den Forderungsanmeldungen Schulden in der Höhe von rund S 25 Millionen. Zum Todeszeitpunkt waren einige Rechtsstreite bei Gericht anhängig. In seinem Testament vom 27. Jänner 1980 setzte der Erblasser seine Ehefrau Dorothea A*** zur Alleinerbin ein und bedachte (neben einem Legat für seinen unehelichen volljährigen Sohn) seine drei ehelichen minderjährigen Kinder im wesentlichen mit folgenden Legaten: Für die mj. Karin A***, geboren am 6. Mai 1969, das Schloß Reifnitz (EZ 23 KG Reifnitz), für die mj. Silvia A***, geboren am 11. Oktober 1970, das Gelände des Sablatnig-Teiches und das Grundstück 212/13 der EZ 23 KG Reifnitz sowie für den mj. Elmar A***, geboren am 9. Juni 1978, das Gut Lind und das Grundstück 212/14 der EZ 23 KG Reifnitz. Für diese minderjährigen Legatare bzw. Pflichtteilsberechtigten bestellte das Abhandlungsgericht Kollisionskuratoren.

Das Erstgericht bestellte Dorothea A*** mit Beschluß vom 28. Jänner 1985 zum Verlassenschaftskurator. Es bewilligte ihr mit Beschluß vom 12. Juni 1985 die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Eingabenweg und setzte ihr zur Abgabe der Erbserklärung eine Frist bis zum 30. Oktober 1985. Ihre aus dem Berufungsgrund des Testamentes zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung vom 12. Oktober 1985 nahm das Abhandlungsgericht mit Beschluß vom 17. Dezember 1985 zu Gericht an. Die erbserklärte Erbin behielt sich die Umwandlung ihrer bedingten in eine unbedingte Erbserklärung vor. Die später abgegebene unbedingte Erbserklärung wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21. Jänner 1987 (ON 201) zu Gericht angenommen. Mit Schriftsatz vom 30. April 1986 brachte Dorothea A*** vor, daß Verkaufsverhandlungen hinsichtlich der Liegenschaft EZ 23 KG Reifnitz unmittelbar vor dem Abschluß stünden, mit dem Verkaufserlös würde eine weitgehende Entschuldung des Nachlasses herbeigeführt werden. Sie werde in der Folge ihre bedingte Erbserklärung in eine unbedingte umwandeln und den Minderjährigen anteiliges Eigentum an den Liegenschaften einräumen. Da die Pflichtteile der Minderjährigen nicht höher sein könnten als das anteilige Eigentum an den Liegenschaften, werde damit der Pflichtteilsausweis erbracht. Die Frist zur Umwandlung der Erbserklärung, zur Abgabe des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses und zur Stellung der Schlußanträge möge bis zum 30. Juni 1986 verlängert werden. Den letztgenannten Antrag wies das Abhandlungsgericht mit Beschluß vom 2. Mai 1986 ab und ordnete die Errichtung eines Inventars und die Schätzung des Nachlasses an. Dem Rekurs gegen diesen Beschluß gab das Landesgericht Klagenfurt keine Folge, den außerordentlichen Revisionsrekurs der Dorothea A*** wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 28. August 1986 als unzulässig zurück.

Mit dem Kaufvertrag vom 7. August 1986 verkaufte die durch Dorothea A*** vertretene Verlassenschaft das zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 5 Grundbuch 72.125 Karnburg gehörende Überlandgrundstück Nr. 281/6 der KG 72.124 Kading im Ausmaß von

1.139 m 2 um den Kaufpreis von S 398.650,-- und einen Aufschließungsbeitrag in Höhe von S 40.000,-- je zur Hälfte an Dipl.Ing. Erwin W*** und Elfriede W***. Mit dem Kaufvertrag vom 30. Juni 1986 und 4. Juli 1986 verkaufte die Verlassenschaft an Johann und Franziska K*** die Liegenschaften EZ 29 und EZ 28, jeweils der KG Kurort Semmering, mit dem Wohnhaus Semmering Nr. 144 um den Kaufpreis von S 600.000,--. Ferner schloß die Verlassenschaft am 25. Juni 1986 mit Henriette K*** einen Kaufvertrag über 666/10.000 und 53/10.000 Anteile der Liegenschaft EZ 580 KG Kurort Semmering, mit welchen Wohnungseigentum verbunden ist. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von S 500.000,-- vereinbart. Mit dem Schriftsatz vom 12. September 1986 beantragte die erbserklärte Erbin die verlaßgerichtliche Genehmigung der Kaufverträge vom 25. Juni 1986 und vom 7. August 1986. Sie verwies bezüglich des Überlandgrundstückes Nr. 281/6 der KG Kading auf ein Gutachten Dris. Raimund N*** vom 16. Mai 1985, wonach für dieses Grundstück ein m 2 -Preis von S 310,-- angemessen sei. Der vereinbarte Preis von S 350,-- je m 2 liege demnach über dem Schätzpreis, sodaß der Verkauf des Grundstückes im Hinblick auf die Verbindlichkeiten der Verlassenschaft dieser zum Vorteil gereiche. Zur EZ 580 KG Kurort Semmering legte die Antragstellerin eine gutachtliche Äußerung des Ing. Gottfried D*** vom 28. August 1986 bei, aus welcher sich die Angemessenheit auch dieses Kaufpreises ergeben soll. Die Eigentumsanteile wiesen Schäden auf, durch den Verkauf würden Sanierungs- und Betriebskosten vermieden. Das Kaufobjekt sei von vornherein zum Verkauf bestimmt gewesen. Mit dem Schriftsatz vom 25. November 1986 beantragte Dorothea A*** schließlich die Genehmigung des über die Liegenschaften EZ 28 und EZ 29 der KG Kurort Semmering geschlossenen Kaufvertrages. Sie brachte vor, daß diese Liegenschaften bislang als unverkäuflich gegolten hätten und verwies zur Angemessenheit des Kaufpreises auf die gutachtliche Äußerung des Ing. Gottfried D*** vom 28. August 1986.

Das Erstgericht bestellte zur Schätzung des Verkehrswertes der Liegenschaften EZ 28 und EZ 29 der KG Kurort Semmering sowie der 666/10.000 und 53/10.000 Anteile der Liegenschaft EZ 580 KG Kurort Semmering Ing. Jörg G*** und Ing. Walter G*** und zur Schätzung des Grundstückes 281/6 KG Kading Dipl.Ing. Wolfgang K*** und Dipl.Ing. Heinrich O*** zu Sachverständigen. Es begründete diesen Beschluß damit, daß die Errichtung eines Inventars und die Schätzung des Nachlasses angeordnet, bisher aber nur die Liegenschaften EZ 23 KG Reifnitz und EZ 25 KG Klagenfurt VI von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen geschätzt worden seien. Die gutachtlichen Äußerungen von Dr. Raimund N*** und Ing. Gottfried D***, also von Personen, die zwar in der Sachverständigenliste aufschienen, aber im konkreten Fall nicht zu Sachverständigen bestellt worden seien, hielt das Erstgericht als Entscheidungsgrundlage für die Genehmigung der angeführten Kaufverträge nicht für ausreichend, weil am Abhandlungsverfahren Minderjährige beteiligt seien, deren Rechte das Gericht von Amts wegen wahrzunehmen habe. Von der im Regelfall nach § 147 AußStrG vorzunehmenden öffentlichen Versteigerung könne nur abgegangen werden, wenn die Vorteile eines freihändigen Verkaufes offensichtlich seien. Zur Schätzung des Verkehrswertes seien daher zwei Sachverständige beizuziehen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erbserklärten Erbin, in welchem sie die Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusse dahin beantragte, daß Sachverständige zur Schätzung der genannten Liegenschaften nicht bestellt werden, nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Das Gericht zweiter Instanz verwies darauf, daß gemäß § 145 Abs 1 AußStrG zwar Veräußerungen von Teilen der Verlassenschaft ua dann zulässig seien, wenn dies zur Vermeidung offenbaren Nachteiles notwendig ist; dies müsse gemäß § 147 AußStrG aber in der Regel in einer öffentlichen Versteigerung geschehen. Im Falle eines offensichtlichen Vorteils könne auch ein freihändiger Verkauf erfolgen. Dazu bedürfe es aber ausreichender und unbedenklicher Entscheidungsgrundlagen. In der Beiziehung von Sachverständigen zur Schätzung der in den Nachlaß fallenden Verkaufsliegenschaften könne ein Fehler des Erstgerichtes daher nicht erblickt werden. Im übrigen könnten die im Zuge des Liegenschaftsverkaufes eingeholten Schätzungsgutachten auch als Grundlage für das zu errichtende Inventar dienen.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Verlassenschaftskuratorin, in welchem sie den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit gemäß § 16 AußStrG heranzieht und beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Bestellung der Sachverständigen aufgehoben werde. Sie vertritt die Auffassung, daß sie kostensparender hätte vorgehen können, wenn ihr die Absicht des Gerichtes, ohnehin Sachverständige zu bestellen, vorher bekannt gewesen wäre. Die Vorgangsweise des Gerichtes widerspreche daher dem Wohl der mj. Noterben und sei somit offenbar gesetzwidrig. Außerdem liege ein solcher Verstoß des Gerichtes auch deshalb vor, weil dieses gemäß § 2 Abs 3 Z 10 AußStrG nicht durch Zweifelsucht und Ängstlichkeit Schäden verursachen soll. Im übrigen genügte ein Sachverständiger. Schließlich könnte - da ein Erbübereinkommen in Ausarbeitung sei - eine Inventarisierung oder Schätzung möglicherweise überhaupt unterbleiben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner die gleiche Verlassenschaftssache betreffenden Entscheidung 8 Ob 516/87, jedoch in einem anderen Zusammenhang ausführte, kann - da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte - eine erfolgreiche Anfechtung des rekursgerichtlichen Beschlusses gemäß § 16 AußStrG nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität erfolgen. Mit dem von der Rechtsmittelwerberin geltend gemachten Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit können allerdings nur materiell-rechtliche Unrichtigkeiten der Entscheidung bekämpft werden (vgl. SZ 47/105; 2 Ob 569/86 uva). Solche werden von der Revisionsrekurswerberin inhaltlich aber nicht geltend gemacht. Vielmehr wird eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch eine angeblich unzulässige Bestellung zweier Sachverständiger behauptet. Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften können im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG jedoch nur dann bekämpft werden, wenn ihnen das Gewicht einer Nichtigkeit (Nullität) beizumessen ist, sonst unterliegen sie als bloße Verfahrensmängel nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (SZ 23/10; 2 Ob 569/86 uva).

Auf den Begriff der Nullität im § 16 Abs 1 AußStrG sind im allgemeinen die hiezu in der ZPO entwickelten Grundsätze unter Berücksichtigung der Besonderheiten des außerstreitigen Verfahrens sinngemäß anzuwenden (SZ 44/180; SZ 45/50 ua). Der Oberste Gerichtshof hat den Standpunkt eingenommen, daß in besonders gelagerten Fällen auch anderen als durch sinngemäße Anwendung der Bestimmung des § 477 ZPO als nichtig angreifbare Verfahrensverstößen im Hinblick auf ihre einschneidende Bedeutung das Gewicht einer Nullität nach § 16 Abs 1 AußStrG zukommen könne (SZ 43/228; EvBl 1975/151; 6 Ob 576/76 ua). Davon könnte dann gesprochen werden, wenn die dem Gericht im Sinne des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens - wie das Wohl des Kindes - vollkommen außer acht gelassen wurden (6 Ob 588/77; 3 Ob 664/77; 7 Ob 718/77; 6 Ob 659/78; 8 Ob 516/87 uza.).

Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht die Rede sein: Der Rechtsmittelwerberin ist entgegenzuhalten, daß es an ihr selbst gelegen war, sich vor den beabsichtigten Verkäufen der in Frage stehenden Liegenschaften darüber zu informieren, ob die von ihr vorweg eingeholten gutachtlichen Äußerungen eine ausreichende Grundlage für die gerichtliche Bewilligung bilden würden. Die Auslagen hiefür kann sie demnach nicht im nachhinein dem Gericht anlasten. Wenn aber das Erstgericht zur Erweiterung seiner Entscheidungsgrundlagen die Beiziehung von Sachverständigen für erforderlich hielt und das Rekursgericht diese Maßnahme als Voraussetzung für die angestrebte Bewilligung der Verkäufe gemäß §§ 145 Abs 1, 147 AußStrG für zweckdienlich hielt, kann dem der Oberste Gerichtshof unter keinem der nach § 16 AußStrG zulässigen Anfechtungsgründe entgegentreten (8 Ob 516/87 ua).

Es vermag aber auch kein Anhaltspunkt dafür gefunden zu werden, daß das Erstgericht bei der durchaus ins Gewicht fallenden finanziellen Transaktion der Liegenschaftsverkäufe etwa aus "Ängstlichkeit oder Zweifelsucht" - wie dies die Rechtsmittelwerberin vermeint - ungebührliche Kosten verursachte, wenn es die Beiziehung zweier Sachverständiger für erforderlich hielt; denn es darf nicht außer acht gelassen werden, daß - worauf auch schon das Rekursgericht zutreffend verweist - von der Regel der im § 147 AußStrG vorgesehenen öffentlichen Versteigerung nur abgegangen werden kann, wenn die Vorteile eines freihändigen Verkaufes offensichtlich sind (GlUNF 228; 6 Ob 150/60; vgl. auch NotZtg. 1969, 37). Die relative Formlosigkeit des außerstreitigen Verfahrens hat keineswegs das Ziel, den Rechtsschutz der Betroffenen zu verschlechtern, sondern dient im Gegenteil der Erfüllung der vom Gesetz dem Gericht ausdrücklich vorgeschriebenen Verpflichtung, alle wesentlichen Umstände und Verhältnisse von Amts wegen zu untersuchen (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG), also im öffentlichen Interesse über das Parteienvorbringen hinaus die materielle Wahrheit zu erforschen und alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu berücksichtigen (vgl. dazu Jelinek in Verbesserter Zugang zum Recht, Richterwoche 1979, 108; SZ 54/124 ua). Demgemäß kann die Beiziehung von Sachverständigen jedenfalls dann erfolgen, wenn das Erstgericht aus eigener Fachkunde heraus oder aus eigenem Wissen die Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen nicht mit Sicherheit zu beurteilen vermag. Daß dies mit Kosten verbunden ist, ist in einem solchen Fall zwar unvermeidliche Folge, läßt aber die Maßnahme nicht als gesetzwidrig im Sinne der Ausführungen der Rechtsmittelwerberin erscheinen (EvBl 1956/74 = RZ 1956, 79; 8 Ob 516/87 ua). Ob schließlich eine Inventarisierung oder Schätzung des Nachlasses unterbleiben könnte, ist bei der Beurteilung des außerordentlichen Revisionsrekurses im vorliegenden Belang nicht zu untersuchen. Auf die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin dazu ist daher nicht einzugehen.

Ihr Revisionsrekurs war somit als unzulässig zurückzuweisen.