JudikaturJustiz8Ob521/84

8Ob521/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Otto Gigers, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamkeit eines Pfandrechts und Duldung vorrangiger Befriedigung (3.000.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. November 1983, GZ 13 R 165/83 52, womit der Beschluss Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Juni 1983, GZ 40 a Cg 208/81 49, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Parteien vereinbarten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28. Februar 1983 (ON 45) Ruhen des Verfahrens und gaben gemeinsam die zusätzliche Erklärung zu Protokoll, dass diese Ruhensvereinbarung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses 40 b Cg 205/81 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wirksam sein soll. Der Vertreter der Beklagten erklärte, dass er den Kläger allein aus dieser Ruhensvereinbarung nicht die Verfristung des Klagsanspruchs einwenden werde.

Im Verfahren 40 b Cg 205/81 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien war bereits am 7. Mai 1982 Ruhen des Verfahrens eingetreten.

Mit dem Schriftsatz vom 1. Juni 1983 (ON 46) beantragte die Beklagte die Fortsetzung des Verfahrens und brachte vor, sie habe im Zeitpunkt der Ruhensvereinbarung keine Kenntnis davon gehabt, dass das Verfahren 40 b Cg 205/81 ruhe. Dies sei von dem Kläger verschwiegen worden. Die Beklagte sei daher wegen dieses Irrtums an die getroffene Ruhensvereinbarung nicht gebunden.

Aufgrund dieses Antrags beraumte das Erstgericht mit Beschluss vom 7. Juni 1983 (ON 47) zunächst für den 23. Juni 1983 eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an.

Mit dem Schriftsatz vom 13. Juni 1983 (ON 48) beantragte daraufhin der Kläger, die Unwirksamkeit der Anberaumung dieser Tagsatzung auszusprechen und den Fortsetzungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Das Erstgericht erklärte die Anberaumung dieser Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für unwirksam und wies den Antrag der Beklagten auf Fortsetzung des Verfahrens zurück. Es führte zur Begründung aus, dass das zu 40 b Cg 205/81 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängige und noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren dem Fortsetzungsantrag gemäß § 169 ZPO entgegenstehe. Die Beklagte könne sich auf einen ihr bei der Ruhensvereinbarung unterlaufenen Irrtum nicht berufen, weil prozessuale Willenserklärungen nach den Bestimmungen des Prozessrechts zu beurteilen seien und eine Irrtumsanfechtung nach den Bestimmungen des materiellen Rechts nicht in Frage komme.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag des Klägers auf Zurückweisung des Fortsetzungsantrags der Beklagten und auf Unwirksamkeitserklärung der Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung abwies. Es ordnete die Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens an und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteigt. Nach der Auffassung des Rekursgerichts seien die Vorschriften über das Ruhen des Verfahrens zwingendes Recht und, abgesehen von der Vereinbarung einer über die Mindestdauer hinausreichenden Dauer des Ruhens, der Parteiendisposition entzogen. Die Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens soll aber seine Dauer enthalten. § 168 ZPO bestimme nur als Mindestfrist drei Monate. Im Sinne des § 169 Satz 2 ZPO könne eine Ruhensvereinbarung auch für einen drei Monate übersteigenden, jedoch bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitraum getroffen werden. Eine völlige Unbestimmtheit dieser Dauer mache zwar die Vereinbarung nicht ungültig, doch trete dann das Ruhen des Verfahrens nur für die Dauer der dreimonatigen Frist ein und verlängere sich bis zum Zeitpunkt des Aufnahmeantrags. Vereinbarten die Parteien, wie hier, die Dauer des Ruhens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines anderen Prozesses, liege darin mangels genauer zeitlicher Begrenzung prozessrechtlich nur die Vereinbarung des Ruhens während der gesetzlichen Mindestfrist. Darüber hinaus sei der Inhalt der Vereinbarung lediglich nach dem ihr zugrundeliegenden materiell rechtlichen Inhalt zu beurteilen. Die von den Parteien getroffene zusätzliche Vereinbarung stehe daher wegen ihrer unbestimmbaren Dauer der Stellung eines Fortsetzungsantrags nach Ablauf der dreimonatigen Frist nicht im Wege. Der von der Beklagten gestellte Fortsetzungsantrag sei deshalb berechtigt.

Der Kläger stellt sich in seinem Revisionsrekurs auf den Standpunkt des Erstgerichts.

Wie das Rekursgericht richtig darlegte, sind die Vorschriften über das Ruhen des Verfahrens zwingendes Recht, und abgesehen von der Vereinbarung der über die Mindestdauer hinausreichenden Dauer des Ruhens, der Parteiendisposition entzogen ( Fasching II, 803 und die dort angeführte Literatur). Die Vereinbarung soll die Dauer des Ruhens bezeichnen (§ 169 ZPO). Die Unbestimmtheit der Dauer macht die Vereinbarung nicht ungültig. Hier tritt das Ruhen des Verfahrens vorerst nur für die Dauer der dreimonatigen Mindestfrist ein und verlängert sich automatisch bis zu dem Zeitpunkt des Aufnahmeantrags ( Fasching II, 806). Im Gegensatz zu den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers kann dahingestellt bleiben, ob die Abrede des „ewigen Ruhens“ eine eindeutige Zeitvereinbarung im Sinne des § 169 ZPO darstellt (SZ 21/162) oder nicht ( Fasching II, 806), weil im vorliegenden Fall ein „ewiges Ruhen“ nicht vereinbart wurde. Beurteilungsgegenstand war vielmehr die zusätzliche Erklärung der Parteien, dass die Ruhensvereinbarung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses 40 b Cg 205/81 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wirksam sein soll. Darin liegt an sich – entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichts – eine eindeutige Zeitvereinbarung im Sinne des § 169 ZPO. So entspricht es der Gerichtspraxis, etwa die Dauer einer Exekutionsaufschiebung (wenn der Aufschiebungsgrund eine Klage ist) oder die zeitliche Dauer einer einstweiligen Verfügung auf die rechtskräftige Beendigung eines Prozesses abzustellen. Hiezu ist auch auf die gesetzliche Regelung der Unterbrechung eines Prozesses wegen eines präjudiziellen Prozesses zu verweisen (§ 190 Abs 1 ZPO). Falls die Parteien jedoch nichts anderes vereinbarten, muss als wesentliches zeitliches Element für die Vereinbarung, dass ein Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung eines anderen Verfahrens ruhen soll, angesehen werden, dass letzteres Verfahren betrieben wird oder wenigstens beide Parteien des Verfahrens, in dem das Ruhen vereinbart wird, auf die Betreibung des anderen Verfahrens Einfluss nehmen können. Trifft dies wie im vorliegenden Fall nicht zu (die beklagte Partei ist nicht Prozesspartei des Verfahrens 40 b Cg 205/81), so kann darin mangels ausdrücklicher Vereinbarung der Streitteile, dass das gegenständliche Verfahren ungeachtet der Tatsache, dass das Verfahren 40 b Cg 205/81 bereits seit 7. Mai 1982 ruht, bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Prozesses ruhen soll, nicht eine von den Parteien über das gesetzliche Ausmaß hinaus befristete Ruhensvereinbarung verstanden werden. Das Rekursgericht hat daher im Ergebnis zutreffend erkannt, dass das Verfahren infolge Ablaufs der im vorliegenden Fall nur in Frage kommenden gesetzlichen Ruhensfrist antragsgemäß wieder aufzunehmen ist.

Dem vorliegenden Revisionsrekurs war sohn ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.