JudikaturJustiz8Ob5/64

8Ob5/64 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 1964

Kopf

SZ 37/9

Spruch

Die Spezialvollmacht des Rechtsanwaltes zur Fertigung eines Antrages hat dem Gericht und Prozeßgegner gegenüber den Umfang einer Prozeßvollmacht.

Entscheidung vom 14. Jänner 1964, 8 Ob 5/64. I. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit der vorliegenden Klage begehrten die Kläger den Betrag von 14.058.58 8 s. A. als Anwaltshonorar. Nachdem ein am 1. Februar 1962 erlassenes Versäumungsurteil und das diesem vorangegangene Verfahren ab Klagszustellung als nichtig aufgehoben worden war, wurde am 13. November 1962 eine neuerliche erste Tagsatzung abgehalten, bei welcher der Rechtsanwalt Dr. Anton P. als Vertreter der Beklagten erschien und Unzuständigkeit und Streitanhängigkeit einwendete. Es wurde ihm eine Klagebeantwortungsfrist bis einschließlich 11. Dezember 1962 erteilt, die ungenützt verstrich. Am 10. Dezember 1962 langte beim Erstgericht eine Eingabe der Beklagten mit dem Antrage ein, das Verfahren als nichtig zu erklären, allenfalls die Klagebeantwortungsfrist bis 11. Februar 1963 zu verlängern. Diese Eingabe wurde der Beklagten mit der Bekanntgabe zurückgestellt, daß die Eingabe als Voraussetzung einer geschäftsordnungsmäßigen Behandlung mit der Unterschrift eines österreichischen Rechtsanwaltes versehen sein müsse. Am 29. Jänner 1963 erfolgte die Unterzeichnung der Eingabe durch den Rechtsanwalt Dr. Josef G. Schon am 7. Jänner 1963 hatten die Kläger die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung gemäß § 398 (2) ZPO. beantragt. Diese Tagsatzung fand am 29. Jänner 1963 statt. Dr. G. erschien für die Beklagte und wurde gemäß § 38 ZPO. gegen Beibringung der Vollmacht bis 28. Februar 1963 zugelassen; die Kläger beantragten bei Nichteinhaltung dieser Frist Eintritt der Versäumnisfolgen. Am 18. Februar 1963 legte Dr. Josef G. eine Vollmacht der Beklagten vor, die folgenden Wortlaut hatte:

"Spezialvollmacht, womit ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Josef G. bevollmächtige, meinen Antrag vom 4. Dezember 1962 auf Nichtigkeitserklärung des Verfahrens GZ. 3 Cg .../61 Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, welcher Antrag bei genanntem Gericht am 10. Dezember 1962 überreicht wurde und zwecks Wiedereinreichung, versehen mit der Unterschrift eines österreichischen Rechtsanwaltes, von diesem Gericht am 12. Dezember 1962 zurückgesandt wurde, mit seiner Unterschrift versehen, bei genanntem Gericht zu überreichen, wie auch in die Akten des erwähnten Gerichtes GZ. 3 Cg .../61 und GZ. 39 Cg .../61 Einsicht zu nehmen."

Das Erstgericht fällte schon am 8. Februar 1963 unter Verwerfung der Einreden der Unzuständigkeit und Streitanhängigkeit ein Versäumungsurteil und stellte es an Dr. Josef G. am 15. Februar 1963 zu.

Das Berufungsgericht wies die am 5. November 1963 vom jetzigen Beklagtenvertreter Dr. Ernst Sp. überreichte Berufung der beklagten Partei als verspätet zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen von der beklagten Partei erhobenen Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist zwar richtig, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Versäumnisurteiles und dessen Zustellung Dr. Josef G. die ihm erteilte Vollmacht dem Erstgerichte noch nicht vorgelegt hatte. Dies ist jedoch nachträglich geschehen, wodurch der Mangel (der von der Beklagten übrigens gar nicht gerügt wurde) behoben wurde. Die beklagte Partei behauptet nur, infolge des Inhaltes der Vollmacht Dris. G., die nur auf Unterzeichnung der zurückgestellten Eingabe, auf deren Überreichung und auf Einsichtnahme in den Akt gelautet habe, sei die am 15. Februar 1963 an ihn erfolgte Zustellung des Urteiles I. Instanz nichtig gewesen. Die beklagte Partei beruft sich zur Unterstützung dieser Ansicht auf eine Stelle in Faschings Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen (Anm. 2 zu § 33 ZPO.) und auf die Entscheidung EvBl. 1936 Nr. 171. § 33 (1) ZPO. bezieht sich jedoch nicht auf die einem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht, sondern spricht ausdrücklich davon, daß die Partei Personen, welche nicht Rechtsanwälte sind, entweder eine Prozeßvollmacht erteilen oder diese Personen auch nur für einzelne bestimmte Prozeßhandlungen bevollmächtigen kann. Ebenso handelt die von der beklagten Partei im Rekurs zitierte Entscheidung von einer Vollmacht, die dem Gatten der Beklagten, der offensichtlich nicht Rechtsanwalt gewesen ist, erteilt worden war. Der Hinweis auf die erwähnte Literaturstelle und die erwähnte Entscheidung geht daher fehl. Im Gegensatz zur Meinung des Rekurses steht die Lehre (Fasching, a. a. O., zu §§ 31 f. ZPO. Anm. 2 (1), S. 266, Sperl, Lehrbuch, S. 208, Pollak, System des Österr. ZPRechtes[2] S. 154 vor Anm. 58, Neumann, Kommentar zu den ZPGesetzen[4] zu § 32 ZPO. S. 503 vor Anm. 7, zu § 33 ZPO., S. 508, Petschek - Stagel, ZP., S. 165) auf dem Standpunkt, daß einem Rechtsanwalt nur Prozeßvollmacht erteilt werden kann, die gemäß § 32 ZPO. nur hinsichtlich der in § 31 (1) Z. 2 und 3 ZPO. bezeichneten Befugnisse beschränkbar ist.

Es ist zwar der Beklagten zuzugeben, daß eine ausdrückliche Bestimmung des Inhaltes, einem Rechtsanwalt könne nur eine Prozeßvollmacht erteilt werden, in der Zivilprozeßordnung nicht enthalten ist. Dieser Grundsatz ergibt sich aber aus der erwähnten Bestimmung des § 33 (1) ZPO., die nur hinsichtlich der Personen, die nicht Rechtsanwälte sind, eine Beschränkung der Vollmacht auf einzelne Prozeßhandlungen kennt. Wurde dem Rechtsanwalt eine Vollmacht mit Beschränkung auf einzelne Prozeßhandlungen erteilt, dann sind die darin enthaltenen Beschränkungen dem Gericht und dem Gegner gegenüber wirkungslos, selbst wenn sie ihnen bekanntgegeben werden; es wäre denn, daß es sich um Beschränkungen im Sinne des § 32 ZPO. handelt. Ist dies nicht der Fall, dann hat auch die dem Rechtsanwalt mit Beschränkung auf einzelne Prozeßhandlungen erteilte Vollmacht nach außen den Umfang der Prozeßvollmacht (so Fasching, a. a. O., zu §§ 31, 32 ZPO., Anm. 1, II. Band, S. 266, derselben Ansicht auch Sperl, a. a O., S. 208 f.). Der entgegengesetzten, von Neumann, Komm. zu den Zivilprozeßgesetzen[4], zu § 32 ZPO. S. 503 bei Anm. 9 und Pollak, System des österr. Zivilprozeßrechtes[2], S. 154, vor Anm. 59 vertretenen Ansicht, daß die an einen Rechtsanwalt erteilte Spezialvollmacht zu einem bestimmten Tätigwerden in einem Rechtsstreit als nicht erteilt anzusehen sei, kann sich der Oberste Gerichtshof nicht anschließen; sie würde infolge der Bestimmung des § 33 ZPO. zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß ein Rechtsanwalt schlechter gestellt wäre als eine Person, die nicht Rechtsanwalt ist.

Das Berufungsgericht hat daher mit Recht die Ansicht vertreten, daß Rechtsanwalt Dr. Josef G. bevollmächtigt war, das Urteil für die Beklagte in Empfang zu nehmen. Die Zustellung an ihn war durch seine Vollmacht gedeckt und mit ihr, am 15. 2. 1963 begann der Lauf der Berufungsfrist. Die am 5. 11. 1963 überreichte Berufung der beklagten Partei ist mit Recht als verspätet zurückgewiesen worden.

Dem Rekurs war somit nicht Folge zu geben.