JudikaturJustiz8Ob22/14i

8Ob22/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) J***** S*****, 2.) G***** S*****, beide vertreten durch Walch Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 2.000 EUR sA, Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR) und Wiederherstellung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Teil und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2014, GZ 11 R 259/13h 41, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.568,15 EUR (darin 367,69 EUR USt und 1.362 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist aufgrund eines Kaufvertrags vom 11. 2. 2010 bücherlicher Eigentümer zweier nebeneinander liegender Presshäuser in einer Wiener Kellergasse mit jeweils anschließenden Kellerröhren. Die beiden Keller, in denen der Kläger Wein lagert, verlaufen teilweise unterhalb des Grundstücks der Beklagten, das als Garten genutzt wird.

In den Gewölben der Kellerröhren des Klägers sind im Bereich unter dem Beklagtengrundstück drei Dampfröhrenauslässe angelegt, die nicht funktionstüchtig sind, sondern mit einer Bodenüberdeckung von 55 cm, 85 cm und 2 m unter der Wiese der Beklagten in der Erde enden. Es steht nicht fest, dass diese Dampfröhren jemals bis zur Erdoberfläche ausgebildet waren. Sie sind vom Beklagtengrundstück aus nicht erkennbar. Bei Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten im Jahr 1979, als es noch als Weingarten genutzt wurde, befanden sich dort auch keine Erdhaufen oder sonstige Anzeichen einer Öffnung. Die Beklagten haben weder eine Dampfröhre zugeschüttet, noch Auslässe entfernt. Einem Rechtsvorgänger des Klägers wurde vor Jahrzehnten die beabsichtigte Errichtung von oberirdischen Auslässen von den damaligen Eigentümern des Beklagtengrundstücks ausdrücklich untersagt.

Die Dampfröhrenstümpfe sind nur in ihrem untersten Teil ziegelummauert und verlaufen danach ohne Wandbefestigung und Abdeckung im Erdreich, sodass es seit 2010 wiederholt bei starkem Regen zu Wasser und Schlammeintritt in die Kellerröhren des Klägers kam. Die Beklagten stimmten dem Vorhaben des Klägers, oberirdische Dampfröhrenauslässe auf ihrem Grundstück herzustellen, nicht zu. Sie gießen ihren Garten im betroffenen Bereich nicht.

Mit seiner auf § 364 ABGB gestützten Klage begehrt der Kläger, die Beklagten zur Unterlassung von Immissionen, zur Duldung der Wiederherstellung funktionstüchtiger Dampfröhren und zur Zahlung eines verschuldensunabhängigen Ausgleichsbetrags von 2.000 EUR für die zur Beseitigung der Wasserschäden erforderlichen Aufwendungen zu verpflichten.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Weder seien vom Beklagtengrundstück ortsunübliche Immissionen ausgegangen, noch bestehe eine unmittelbare Zuleitung von Niederschlagswasser und Schlamm, die den Beklagten zuzurechnen wäre. Sie könnten auch nicht zur Duldung einer Neuerrichtung von Dampfröhrenauslässen verpflichtet werden, vielmehr sei es Sache des Klägers, sein Kellergewölbe abzudichten.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts bezüglich der Abweisung des Duldungsbegehrens, änderte es bezüglich des Unterlassungsbegehrens im stattgebenden Sinn ab und sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Es vertrat den Rechtsstandpunkt, der Kläger müsse eine unmittelbare Niederschlagszuleitung durch die im Erdreich unter dem Beklagtengrundstück befindlichen Lüftungsröhren nicht dulden. Zwar sei ihm der an das Kellergewölbe anschließende ziegelummauerte Teil der Röhren selbst zuzurechnen, die im Erdreich weiter nach oben verlaufenden Teile aber den Beklagten, die sie zu beseitigen hätten. Wegen des rechtswidrigen Zustands treffe die Beklagten analog zu § 364a ABGB eine verschuldensunabhängige Haftung für die eingetretenen Wasserschäden. Der Kläger müsse sich aber ein gleichteiliges Eigenverschulden anrechnen lassen, weil er die Röhrenauslässe gekannt und dennoch nicht verschlossen habe.

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstreben, ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine Fehlinterpretation der Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs unterlaufen ist. Der Kläger hat die ihm gemäß § 508a ZPO frei gestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

1. Die Beklagten argumentieren in ihrem Rechtsmittel zutreffend, dass eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB eine zumindest indirekte Einwirkung des Liegenschaftseigentümers voraussetzt.

Die nachbarrechtlichen Regelungen des § 364 ABGB sind als Beschränkungen der Rechte des Eigentümers definiert, sie beziehen sich auf deren Ausübung (vgl Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³, Vor §§ 364 364b Rz 2). Allein der Umstand, dass eine Störung vom Grundstück ausgeht, macht dessen Eigentümer noch nicht verantwortlich ( Spielbüchler in Rummel ABGB³, § 364 Rz 5 mwN; Oberhammer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 364 Rz 5 mwN). Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstücks sind grundsätzlich hinzunehmen (RIS Justiz RS0010546).

Von einer nach § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB unzulässigen unmittelbaren Zuleitung von Immissionen geht die Rechtsprechung daher erst dann aus, wenn sie ihre Ursache in einer Veranlassung des Eigentümers hat. Ein Anspruch, den natürlichen Wasserablauf zu ändern, um ein Eindringen von Wasser auf dem Nachbargrundstück zu verhindern, besteht nicht (RIS Justiz RS0010546). Eine unmittelbare Zuleitung erfordert eine dem Liegenschaftseigentümer zuzurechnende Änderung der natürlichen Gegebenheiten, eine „Veranstaltung“, wodurch Immissionen auf das Nachbargrundstück bewirkt werden ( Spielbüchler aaO Rz 12; RIS Justiz RS0115461; RS0117337 [T1; T2]; RS0121625).

Die ständige Rechtsprechung geht zwar davon aus, dass eine unmittelbare Zuleitung iSd § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB nicht notwendig ein zielgerichtetes Verhalten des Liegenschaftseigentümers erfordert (RIS Justiz RS0117337), stets ist aber vorausgesetzt, dass vom belangten Nachbarn überhaupt eine Veränderung geschaffen wurde.

2. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt besteht die beanstandete Zuleitung in drei vom Kellergewölbe des Klägers aus nach oben verlaufenden Erdröhren, die weit unter der Oberfläche enden und vom Grundstück der Beklagten aus nicht erkennbar sind.

Der Kläger hat nicht nur nie behauptet, dass die Beklagten oder frühere Eigentümer ihres Grundstücks die Anlage dieser Röhren veranlasst haben, ein solcher Vorgang wäre angesichts der Bohrrichtung von unten nach oben und des Verwendungszwecks (Kellerentlüftung) praktisch ausgeschlossen. Eine wie immer geartete Begünstigung des festgestellten Zustands durch frühere oder gegenwärtige Eigentümer des Beklagtengrundstücks ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Es waren offenkundig Rechtsvorgänger des Klägers, die umgekehrt von ihrem Gewölbe ausgehend das Beklagtengrundstück angebohrt und zur leichteren Benutzung ihres Eigentums eine unmittelbare Zuleitung von Kellerluft auf dieses geschaffen haben.

Die nachteiligen Folgen dieses von seinem Grundstück ausgehenden, auf das Beklagtengrundstück einwirkenden Zustands hat der Kläger jedenfalls selbst zu tragen.

3. Mangels Berechtigung des Abwehranspruchs besteht auch keine Grundlage für die Zuerkennung eines Schadenersatzes analog § 364a ABGB.

Auf die sich beim hier vorliegenden Sachverhalt aufdrängende generelle Frage der sachlichen Grenzen der Analogiefähigkeit des Anspruchs nach § 364a ABGB ist wegen fehlender Entscheidungsrelevanz nicht weiter einzugehen.

Der Revision war somit Folge zu geben und das Teil und Zwischenurteil des Berufungsgerichts im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Revision gebührt nur der einfache Einheitssatz nach § 23 Abs 3 RATG.