JudikaturJustiz8Ob185/00i

8Ob185/00i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Ausfolgungssache der klagenden Partei S***** Ltd., ***** vertreten durch den Abwesenheitskurator Dr. Jörg Baumgärtel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1. Dr. Walter S*****, 2. Gerhard F*****, beide vertreten durch DDr. Peter Stern, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Ö*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausfolgung bzw Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse (Wert S 186.695,82 sA), infolge der Revisionsrekurse des Abwesenheitskurators für die klagende Partei und der drittbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2. März 2000, GZ 17 R 285/99b-61, mit dem (ua) infolge Rekurses der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 1999, GZ 39 Cg 30/64-53, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Wien wurden im Verfahren 39 Cg 30/64 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien am 13. 5. 1964 von der klagenden Partei, einer englischen Gesellschaft mbH, zwei Sparbücher als aktorische Kaution mit einem Einlagestand von je S 30.000 (Einlagestand per 31. 12. 1995 je S 93.347,91) einerseits für den Erst- und Zweitbeklagten, andererseits für die drittbeklagte Partei erlegt. Gemäß § 160 Abs 1 ZPO ist am 13. 6. 1967 die Unterbrechung des Verfahrens wegen Todes des Rechtsanwaltes der klagenden Partei eingetreten; weitere Verfahrensschritte wurden nicht gesetzt.

Mit Edikt des Erstgerichts vom 19. 9. 1996 wurde das Verfahren zur Einziehung dieser Verwahrnisse nach dem Bundesgesetz über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse (VerwEinzG), BGBl 281/1963 idF Wertgrenzennovelle 1989, von Amts wegen eingeleitet.

Im Zuge des Rechtsmittelverfahrens wurde dem Erstgericht durch den Obersten Gerichtshof (Beschluss vom 25. 6. 1998, 8 Ob 375/97y) aufgetragen zu erheben, ob die klagende Partei noch existiere und wo sie nunmehr allenfalls ihren Sitz habe. Sollten diese Erhebungen zu keinem Ergebnis führen, sei nach § 116 ZPO vorzugehen, um auch der Erlegerin die Möglichkeit zur Wahrung ihrer Rechte zu geben. Das Edikt sei bei nicht geringfügigen Verwahrnissen dem Erleger und den nach der Aktenlage möglicherweise berechtigten Ausfolgungswerbern zuzustellen, da jene durch die Zustellung des Ediktes auf die bevorstehende Einziehung aufmerksam gemacht werden sollen (§ 12 Abs 2 VerwEinzG).

Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens durch das Erstgericht teilte die österreichische Botschaft in London am 19. 2. 1999 mit, dass nach Auskunft des englischen Handelsregisters die klagende Partei nicht mehr existiere. In der Folge wurde am 15. 3. 1999 für die klagende Partei gemäß § 116 ZPO ein Abwesenheitskurator bestellt.

In seinem Schriftsatz vom 15. 6. 1999 beantragte der Vertreter der drittbeklagten Partei die Fortsetzung des Verfahrens mit der Begründung, dass die mangelnde Vertretung der klagenden Partei durch die Bestellung eines Abwesenheitskurators behoben worden sei, sodass der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nichts im Wege stehen würde.

Mit Schriftsatz vom 2. 6. 1999 beantragte der Abwesenheitskurator, ihm den Erlag auszufolgen, um damit allfällige Rechtsnachfolger der klagenden Partei zu eruieren. Das Erstgericht trug hierauf dem Abwesenheitskurator auf, allfällige Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten, ob ein Rechtsnachfolger der klagenden Partei existiere oder nicht, sowie ob und aus welchen Gründen ein solcher Rechtsnachfolger der klagenden Partei bei einem hypothetisch fortgesetzten Verfahren im Prozess obsiegen könne und daher Anspruch auf Ausfolgung der hinterlegten aktorischen Kaution habe. Der Abwesenheitskurator erwiderte, dass er Gründe für das Obsiegen des Rechtsnachfolgers der klagenden Partei nicht geltend machen könne und beantragte des weiteren, wie bereits in seinem Schriftsatz vom 14. 7. 1999, einen historischen Firmenbuchauszug oder Handelsregisterauszug über die klagende Partei zu beschaffen.

Das Erstgericht wies hierauf im zweiten Rechtsgang die Verwaltungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien an, die Sparbücher aufzulösen und den Erlös jeweils eines Sparbuchs an die Beklagtenvertreter, die dies im ersten Rechtsgang beantragt hatten, zu überweisen.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses (ua) der Republik Österreich den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass die Sparbücher nach Begleichung der Kosten des Abwesenheitskurators zugunsten der Republik Österreich nach dem VerwEinzG eingezogen würden, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Dagegen richten sich die Revisionsrekurse des Abwesenheitskurators wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag auf "Abänderung", in eventu Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht sowie der der drittbeklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem sinngemäßen Begehren auf Entscheidung über die Kosten der drittbeklagten Partei und den von ihr gestellten Ausfolgungsantrag im streitigen Verfahren, in eventu Aussetzung bzw Unterbrechung des Ausfolgungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen und die Höhe des Ausfolgungsanspruchs im streitigen Verfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zwar mangels einschlägiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zum Revisionsrekurs des Abwesenheitskurators:

Es kann dahingestellt bleiben, ob die rechtskräftig erfolgte Bestellung des Abwesenheitskurators durch das Erstgericht gerechtfertigt war. Der Oberste Gerichtshof trug im ersten Rechtsgang dem Erstgericht, ausgehend von der damals bekannten Sachlage, dass das Verfahren wegen Todes des Vertreters der klagenden Partei seit 1967 unterbrochen und nicht mehr fortgesetzt worden war, auf, zu erheben ob die klagende Partei, eine englische Gesellschaft mbH, noch existiere und wo sie nunmehr ihren Sitz habe; (nur) wenn diese Erhebungen zu keinem Ergebnis führen sollten, werde nach § 116 ZPO vorzugehen sein.

Die Erhebungen durch das Erstgericht ergaben aber, dass die klagende Partei nicht nur "unbekannten Aufenthalts", dh ihr Sitz nicht bekannt ist, sondern dass sie nicht mehr existiert. Dass diese Erhebungen von der österreichischen Botschaft direkt beim zuständigen Firmenbuch gepflogen wurden und nicht der vom Erstgericht vorgeschlagene Weg über die "britische Rechtshilfebehörde" gewählt wurde, macht das Verfahren nicht mangelhaft.

Für den Fall einer nicht mehr existenten Person ist kein Abwesenheitskurator nach § 116 zu bestellen, sondern es liegt der Fall des § 155 ZPO vor und es ist nach den dort genannten Vorschriften (§§ 155 bis 157 ZPO) vorzugehen.

Jedenfalls gehört es nicht zu den unmittelbaren Aufgaben eines Abwesenheitskurators, allfällige Rechtsnachfolger der nicht mehr existenten juristischen Person ausfindig zu machen. Deshalb braucht weder von Amts wegen versucht werden, einen allenfalls vorhandenen historischen Firmenbuchauszug zu beschaffen, aus dem Rückschlüsse auf allfällige Firmengründer oder Firmengesellschafter oder deren Rechtsnachfolger gezogen werden könnten, noch ist mangels Betrauung mit dieser Aufgabe dem Abwesenheitskurator ein Geldbetrag zur Ausforschung derartiger Nachfahren zur Verfügung zu stellen. Ergeben die Erhebungen, dass der Erleger nicht mehr existiert und haben sich hiebei - wie hier - keine tauglichen Hinweise auf einen berechtigten Rechtsnachfolger ergeben, ist das Gericht seiner Verpflichtung nach § 12 Abs 2 VerwEinzG nachgekommen, den Erleger auf die bevorstehende Einziehung aufmerksam zu machen.

2. Zum Revisionsrekurs der drittbeklagten Partei:

Die Rechtsansicht der drittbeklagten Partei, dass sie für die Ausfolgung des Gerichtserlages an sie keinen Kostentitel benötige, weil eine ausreichende Bestimmtheit des ihr zustehenden Kostenersatzanspruches vorliege, kann nicht geteilt werden. Dass sich der Leistungsberechtigte, der auf die Sicherheit greifen will, erst einen Exekutionstitel für seinen Anspruch schaffen muss, mit dessen Hilfe er die exekutive Befriedigung aus der Sicherheitsleistung erlangen kann, stellt keinen "Rechtsformalismus als Selbstzweck" dar. Im Übrigen setzt ein Kostenzuspruch die Vorlage eines Kostenverzeichnisses samt den zur Bescheinigung der Ansätze und Angaben des Verzeichnisses etwa erforderlichen Belegen bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches voraus (§ 54 ZPO); solches ist nicht geschehen. Es ist Aufgabe des Prozessgerichtes, nicht nur die Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz dem Grunde nach auszusprechen, sondern es hat auch den Betrag der zu ersetzenden (zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen) Kosten festzustellen (§ 53 ZPO). Da ein Anspruch auf Befriedigung aus der Sicherstellung mit der Höhe der besicherten Forderung begrenzt ist, ist der bloße Hinweis des Erstgerichtes auf eine - vermeintlich feststehende - Kostenersatzpflicht dem Grunde nach jedenfalls ungenügend, zumal gegenständlich nicht anzunehmen ist, dass allfällige Kostenersatzansprüche der beklagten Parteien die verwahrten Beträge, die sich im Laufe der Zeit bereits 1995 mehr als verdreifacht hatten, erreichen oder gar übersteigen würden.

Weiters stützt sich die Revisionsrekurswerberin darauf, dass sie zweimal Anträge auf Fortsetzung des Verfahrens bzw auf Namhaftmachung eines neuen Vertreters hinsichtlich des gemäß § 160 ZPO unterbrochenen Verfahrens gestellt habe, weshalb das Rekursgericht, wenn es die Ansicht des Erstgerichtes nicht teile, dass die drittbeklagte Partei keinen Exekutionstitel benötige, die Fortsetzung des Verfahrens selbst hätte anordnen, allenfalls den Beschluss des Erstgerichtes aufheben und diesem die Verfahrensergänzung hätte auftragen müssen. Daraus ergebe sich, dass aufgrund der dahingehenden Anträge der drittbeklagten Partei das Erlagsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Prozesskosten im streitigen Verfahren zu unterbrechen gewesen und aufgrund der Identität von Erlags- und Prozessgericht im streitigen Verfahren vorerst über die Prozesskosten und nach Rechtskraft dieser Entscheidung über den Antrag auf Ausfolgung des Erlages abgesprochen hätte werden müssen. Bei dieser Argumentation übersieht die Rechtsmittelwerberin, dass die klagende Partei nach den Ergebnissen des gegenständlichen Außerstreitverfahrens zwischenzeitig nicht mehr existiert und damit der weitere Unterbrechungsgrund des § 155 Abs 1 ZPO vorliegt.

Der Untergang einer juristischen Person ist ein dem Tod einer physischen Person gleichzuhaltender Fall und nach § 155 ZPO zu beurteilen. Nach dessen Abs 1 wird durch den Tod einer Partei das Verfahren (nur) dann unterbrochen, wenn die verstorbene Partei weder durch einen Rechtsanwalt noch durch eine andere von ihr mit Prozessvollmacht ausgestattete Person vertreten war. Dass die klagende Partei unvertreten war, ist aktenkundig, daher ist das Verfahren auch nach § 155 ZPO bis zur Aufnahme durch die Rechtsnachfolger unterbrochen (§ 155 Abs 2 ZPO), wobei die dort für verstorbene natürliche Personen vorgesehene Möglichkeit zur Bestellung eines Verlassenschaftskurators im Falle einer juristischen Person ausscheidet. Gemäß § 155 Abs 3 ZPO kann der Gegner, um die Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei bzw der untergegangenen juristischen Person zu bewirken, die Ladung dieser Rechtsnachfolger beantragen, im Falle deren Nichterscheinens ist das Verfahren gemäß § 156 Abs 1 ZPO bei genügender Bescheinigung der behaupteten Rechtsnachfolge auf Antrag des Gegners vom Gericht beschlussmäßig als von den Rechtsnachfolgern der verstorbenen Partei (untergegangenen juristischen Person) aufgenommen zu erklären. Die Rechtsnachfolger auszuforschen wäre dabei Sache der beklagten Partei, und nicht Sache des Gerichtes oder des Abwesenheitskurators. Einen solchen Versuch hat die drittbeklagte Partei, welche über das Erlöschen der klagenden Partei voll informiert war, nie unternommen, sodass schon deshalb nicht das streitige Verfahren wieder aufzunehmen und zu diesem Zweck das Einziehungsverfahren zu unterbrechen ist.

Aus diesem Grund braucht auch auf die durch die Entscheidung des verstärkten Senates SZ 71/175 zwar weitgehend geklärten (allerdings nicht was die vorliegende Fallvariante betrifft) Streitfragen zu den Folgen der Vollbeendigung einer juristischen Person und des Einflusses dieses Umstandes auf anhängige Prozesse, insbesondere ob und von wem und unter welchen Voraussetzungen der Prozess trotz Untergangs einer Partei fortgesetzt werden kann, eingegangen werden. Ebenso muss nicht geklärt werden, ob durch die mehr als 30-jährige Untätigkeit der drittbeklagten Partei nicht ihr Pfandrecht an der hinterlegten Sicherheitsleistung erloschen ist, weil dieses kein Faustpfand iSd § 1483 ABGB ist, sodass sie auch deshalb nicht mehr die Ausfolgung des Betrages begehren könnte.

Da somit weder der Abwesenheitskurator noch die drittbeklagte Partei die Ausfolgung der Sicherheitsleistung erfolgreich begehren können, und der Vertreter des Zweitbeklagten nur am Beginn des Einziehungsverfahrens im Mai 1997 einen Antrag auf Ausfolgung (an sich selbst) stellte, in der Folge aber nicht mehr tätig wurde, weshalb die Abweisung des diesbezüglichen Ausfolgungsantrages und der Zuspruch des zugunsten des Erst- und Zweitbeklagten hinterlegten Sparbuches an die Republik Österreich als Einziehungsberechtigte in Rechtskraft erwachsen ist, ist der rekursgerichtliche Beschluss zu bestätigen, dass die hinterlegten Sicherheitsleistungen nach Begleichung der Kosten des Abwesenheitskurators zugunsten der Republik Österreich einzuziehen sind.

Das Verfahren über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse ist nach den Vorschriften des Außerstreitverfahrens abzuwickeln, weshalb mangels Sonderregelung kein Kostenersatz stattfindet; die Rechtsmittelwerber haben daher die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.

Darüber, ob dem Abwesenheitskurator für sein Einschreiten (Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof) weitere Kosten zu den bereits rechtskräftig zuerkannten Kosten zuzuerkennen sind, hat das Erstgericht zu entscheiden.