JudikaturJustiz8Ob122/07k

8Ob122/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Konkurseröffnungssache der Antragstellerin S*****, wider die Antragsgegnerin A***** GmbH, vormals „S*****" ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. jur. Ferdinand ***** B*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 27. März 2007, GZ 3 R 43/07d 128, womit über Rekurs der Antragsgegnerin der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 5. Februar 2007, GZ 17 Se 75/06g 102, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im März 2006 überreichte die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin einen Konkurseröffnungsantrag. Die Gläubigerin behauptete das Bestehen einer Forderung aus einem vollstreckbaren Rückstandsausweis in Höhe von 3.677,77 EUR für den Beitragszeitraum Juli 2005 bis Jänner 2006. Die „Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung" der Antragsgegnerin leitete die Antragstellerin aus mehreren vergeblich gegen die Schuldnerin geführten Exekutionsverfahren ab. Im September 2006 berichtete die Antragstellerin von einer vollständigen Begleichung der offenen Forderungen durch die Schuldnerin. Sie erklärte daher, „unbeschadet der Bestimmungen des § 70 Abs 4 KO" den einst eingebrachten Konkurseröffnungsantrag zurückzuziehen (ON 30).

Das Erstgericht fasste darauf einen Beschluss, wonach die Zurückziehung des Konkursantrags unbeschadet der Bestimmung des § 70 Abs 4 KO zur Kenntnis genommen werde und führte amtswegig weitere Erhebungen durch.

Am 3. 1. 2007 stellte die Antragsgegnerin den Antrag, der Antragstellerin gemäß § 408 ZPO einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 25.000 EUR aufzuerlegen. Durch - offensichtlich rechtswidrige und grob mutwillige - Einbringung eines Antrags auf Konkurseröffnung und die in weiterer Folge vom Bund zu vertretende Verfahrensfortsetzung sei der Kredit, der Erwerb und das Fortkommen der Antragsgegnerin schwerstens geschädigt worden.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass aus dem Akteninhalt eine mutwillige Stellung eines Konkursantrags nicht zu erkennen sei.

Dem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht teilweise Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass der Antrag der Antragsgegnerin, der Antragstellerin gemäß § 408 ZPO, § 171 KO die Bezahlung eines Entschädigungsbetrags von 25.000 EUR sA ab Antragstellung aufzutragen, zurückgewiesen wurde. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ferner sprach das Rekursgericht aus, dass der Antrag der Antragsgegnerin, die Unzuständigkeit des Rekursgerichts zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel durch Beschluss auszusprechen und die Sache gemäß § 44 JN (§ 171 KO) an das nunmehr zuständige Oberlandesgericht Linz zu überweisen, verworfen werde.

Zu seiner Rekursentscheidung führte das Rekursgericht aus, dass der Rekurs wenngleich nicht im Sinne der von der Antragsgegnerin gestellten Rechtsmittelanträge im Ergebnis berechtigt sei, weil das Erstgericht das Begehren der Antragsgegnerin nach meritorischer Prüfung abgewiesen habe, anstatt es ohne jede inhaltliche Prüfung zurückzuweisen: § 408 ZPO erlaube (nur) dem obsiegenden Teil, im laufenden Rechtsstreit den Zuspruch eines Schadenersatzbetrags wegen offenbar mutwilliger Prozessführung zu begehren. § 408 ZPO schaffe keinen neuen Schadenersatzanspruch, sondern setze das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs nach bürgerlichem Recht voraus. Der Antrag nach § 408 ZPO sei ein Sachentscheidungsantrag, über welchen mit Urteil zu entscheiden sei. Der Ausspruch könne mit Berufung, allenfalls auch mit Revision bekämpft werden. Er könne selbst Gegenstand einer Wiederaufnahmeklage werden.

Obwohl auch die im Konkurs- und Ausgleichsverfahren ergehenden gerichtlichen Entscheidungen nach § 1 Z 7 EO Exekutionstitel darstellten, sei dem Konkursverfahren eine Entscheidung über mit Sachantrag geltend gemachte (Individual )Schadenersatzansprüche fremd. Das gelte jedenfalls uneingeschränkt dann, wenn es um eine Entscheidung von Individualansprüchen gehe. So könnten beispielsweise während des Konkursverfahrens sogenannte Gemeinschaftsschäden gegenüber dem Masseverwalter (nur) im Rechnungslegungsverfahren oder durch einen neuen Masseverwalter geltend gemacht werden. Dagegen seien aus § 81 KO abgeleitete Einzelschäden immer im Klageweg durchzusetzen. Daraus verdeutliche sich, dass das Konkursgericht zu keiner meritorischen Prüfung zuständig sein könne, wenn eine Verfahrenspartei die andere Verfahrenspartei der offensichtlich mutwilligen Verfahrenseinleitung bezichtige und daraus Schadenersatzansprüche ableite und diese Ansprüche mit Sachentscheidungsantrag im Konkursverfahren geltend machen wolle. Ein derartiger Anspruch könne nur mit selbständiger Klage oder in einem schon anhängigen Prozess geltend gemacht werden. Eine inhaltliche Prüfung und eine meritorische Entscheidung über den von der Schuldnerin gestellten Sachentscheidungsantrag sei daher nicht möglich.

Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit einem Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht dazu Stellung genommen hat, ob § 408 ZPO im Konkursverfahren bzw im Konkurseröffnungsverfahren anwendbar ist.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 171 KO sind, soweit in der Konkursordnung nichts anderes angeordnet ist, auf das Verfahren die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und ihre Einführungsgesetze sinngemäß anzuwenden.

Ein ausdrücklicher Ausschluss der Anwendbarkeit des § 408 ZPO ist in der KO nicht geregelt.

Aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Konkursverfahrens eignen sich bestimmte Rechtsinstitute der JN und ZPO jedoch schon a priori nicht für eine sinngemäße Anwendung im Konkursverfahren. So passen etwa die Bestimmungen zur Haupt und Nebenintervention bzw Streitgenossenschaft nicht im Konkursverfahren, weil hier eine Vielzahl von Beteiligten auftritt. Auch die strengeren Bestimmungen des Beweisverfahrens sind weitgehend durch eine bloße Bescheinigung gelockert. Grundsätzlich sind daher nur jene Bestimmungen der JN und ZPO zur Anwendung im Konkursverfahren geeignet, die mit den Eigentümlichkeiten des Konkursverfahrens vereinbar sind ( Deixler Hübner in Konecny/Schubert, KO § 171 Rz 8). So wurde etwa die Anwendbarkeit des § 234 ZPO im Konkursverfahren ebenso verneint (8 Ob 153/03p) wie die Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Nichtigkeitsklage (8 Ob 268/00w). Nur dort, wo die Besonderheiten des Konkursverfahrens einer Anwendung von Bestimmungen der ZPO nicht entgegenstehen, kommt somit die in § 171 KO vorgesehene sinngemäße Anwendung der ZPO in Betracht (zB 8 Ob 5/05a - Anwendung der Verbesserungsvorschriften; 8 Ob 280/01m - Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrags, allerdings ausdrücklich eingeschränkt auf die Beseitigung eines Zurückweisungsbeschlusses, dessen Unrichtigkeit durch bloßes Bescheinigungsverfahren dargetan werden kann).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist das Rekursgericht zutreffend von der Unanwendbarkeit des § 408 ZPO im Konkursverfahren ausgegangen:

Gemäß § 408 ZPO kann das Gericht die unterliegende Partei auf Antrag der obsiegenden Partei zur Leistung eines entsprechenden Entschädigungsbetrags verurteilen, wenn die unterliegende Partei offenbar mutwillig Prozess geführt hat. Gemäß § 408 Abs 2 ZPO darf die Verhandlung über diesen Antrag die Entscheidung in der Hauptsache nicht aufhalten. Der Entschädigungsbetrag ist gemäß § 408 Abs 3 ZPO vom Gericht nach freier Überzeugung zu bestimmen.

Die Anwendbarkeit des § 408 ZPO im Konkursverfahren scheitert schon daran, dass im Konkursverfahren im Unterschied zur ZPO kein formeller, sondern ein materieller Parteibegriff herrscht (8 Ob 153/03p mwN). Es stehen sich nicht, wie im Zivilprozess, zwei Parteien in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüber, von denen eine im Sinne des § 408 Abs 1 ZPO „obsiegt" und die andere „unterliegt". Das zeigt sich gerade im Konkuseröffnungsverfahren deutlich an der Bestimmung des § 70 Abs 4 KO, wonach bei der Entscheidung über den Konkurseröffnungsantrag nicht zu berücksichtigen ist, dass der Gläubiger den Konkursantrag zurückgezogen hat oder dass die Forderung des Gläubigers nach dem Konkursantrag befriedigt worden ist. Ein Konkurs (eröffnungs )verfahren ist daher, auch wenn der Konkurseröffnungsantrag von einem Gläubiger stammt, nicht als kontradiktorisches Verfahren im Sinne der ZPO anzusehen, bei welchem etwa der Gläubiger, wenn aufgrund seines Eröffnungsantrags Konkurs eröffnet wird, als „obsiegend" anzusehen ist. Umgekehrt „unterliegt" auch der Schuldner nicht, wenn über sein Vermögen Konkurs eröffnet wird, was sich am deutlichsten daran zeigt, dass auch ein Eigenantrag des Schuldners zur Konkurseröffnung führen kann.

Schon aus diesem Grund hat das Rekursgericht den Antrag der Antragsgegnerin, der Antragstellerin gemäß § 408 ZPO einen Entschädigungsbetrag (für die „mutwillige" Konkursantragstellung) zuzusprechen, zutreffend als unzulässig betrachtet.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.