JudikaturJustiz8Ob105/16y

8Ob105/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch BMA Brandstätter Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.195,49 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. August 2016, GZ 12 R 42/16h 23, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. März 2016, GZ 62 Cg 123/14k 19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Geschäftsführer und Gesellschafter der klagenden GmbH. Diese verfügte über eine Eigentumswohnung, die sie im Februar 2001 an die Gattin des Beklagten verkaufte. Im Frühjahr 2002 trat der Beklagte aus der Gesellschaft aus. Im Zuge einer bei der Klägerin durchgeführten Steuerprüfung qualifizierte die Finanzbehörde die Bedingungen des Verkaufs der Wohnung an die Ehegattin des Beklagten als verdeckte Gewinnausschüttung und erließ am 3. 12. 2007 einen Haftungs und Abgabenbescheid gegen die Klägerin. Gegen den Beklagten persönlich wurde wegen dieses Vorgangs kein Steuerverfahren geführt.

Die Klägerin bekämpfte den Haftungs- und Abgabenbescheid vom 3. 12. 2007 vergeblich, der Bescheid wurde in letzter Instanz durch Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. 9. 2014 bestätigt. Die Klägerin entrichtete daraufhin die rechtskräftig festgesetzte Abgabenschuld im Betrag von 34.195,49 EUR (inklusive festgesetzter Zinsen).

Mit der am 23. 12. 2014 eingebrachten Klage begehrt sie vom Beklagten gemäß § 1358 ABGB den Ersatz des von ihr bezahlten Betrags. Sie sei von der Finanzbehörde lediglich als Haftende in Anspruch genommen worden, materiell sei der Beklagte gemäß § 95 Abs 1 EStG der Schuldner des festgesetzten Steuerbetrags.

Der Beklagte wandte insbesondere die Verjährung des Ersatzanspruchs ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruch nach § 1358 ABGB, der auch für öffentlich rechtliche Forderungen gelte, unterliege derselben Verjährung wie die eingelöste Schuld. Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjähre gemäß § 209 Abs 3 Satz 1 BAO spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs. Da der Wohnungsverkauf im Jahr 2001 stattgefunden habe, sei das Recht der Behörde auf Festsetzung einer Abgabe gegenüber dem Beklagten spätestens mit Ablauf des Jahres 2011 verjährt. Eine Bereicherung sei dem Beklagten nicht entstanden, weil seine Verbindlichkeit auch schon im Zeitpunkt der Zahlung der Klägerin verjährt gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin teilweise Folge und sprach mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO aus, dass die Klagsforderung nicht verjährt sei. Die vom Erstgericht zitierte Rechtsprechung beziehe sich auf Regressansprüche, die sich ausschließlich auf die Rechtsabtretung gründeten.

Hier werde der Klagsanspruch jedoch auf direkte Beziehungen zum Schuldner gestützt, weshalb die für diese geltende Verjährungsfrist anzuwenden sei. In einem Gemeinschaftsverhältnis werde der Rückgriffsanspruch als eigener Anspruch gesehen, der gesondert verjähre.

Zwischen den Streitteilen bestehe eine Rechtsgemeinschaft nach § 891 ABGB, §§ 6 f BAO, aus der ein Anspruch nach § 896 ABGB resultiere, der erst mit der Zahlung der Klägerin entstanden sei. Diese markiere erst den Beginn der Verjährungsfrist.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil sich die Fragen nach der Rechtsnatur des Regresses und dem Verhältnis der §§ 896, 1358 ABGB zueinander und die sich für den hier fraglichen Anspruch ergebenden Konsequenzen in der Judikatur strittig und daher klärungsbedürftig seien.

In seiner Revision strebt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt die Bestätigung des Zwischenurteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Beklagte macht geltend, er sei von der Abgabenbehörde persönlich nie belangt worden, weshalb ihm gegenüber das Recht auf Festsetzung einer Abgabe allerspätestens im Jahre 2011 verjährt sei.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist für die Feststellung des Abgabenanspruchs durch nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen zunächst um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Eine Amtshandlung iSd § 209 Abs 1 BAO muss dem letztlich Abgabepflichtigen nicht zur Kenntnis gelangen, sondern nur objektiv nach außen, also außerhalb der Abgabenbehörde, erkennbar sein. Bei Gesamtschuldverhältnissen, die kraft Gesetzes aus der Tatbestandsverwirklichung entstehen, beginnt die Festsetzungsverjährung allen Gesamtschuldnern gegenüber gleichzeitig zu laufen und wirken sich im Hinblick auf die Einheitlichkeit dieser Abgabenansprüche auch die Verlängerung der Verjährungsfrist auslösende Amtshandlungen einheitlich gegenüber allen Gesamtschuldnern aus ( Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz , BAO³ § 209 Rz 1, 4).

Gemäß § 6 Abs 1 und 2 BAO sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB) Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sowie Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind. Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, werden nach § 7 BAO durch Geltendmachung dieser Haftung zu Gesamtschuldnern.

Schuldner der verfahrensgegenständlichen Kapitalertragssteuer ist nach § 95 Abs 1 EStG der Empfänger der Kapitalerträge, also der Beklagte. Gleichzeitig haftet der Abzugsverpflichtete, sohin die Klägerin, dem Bund von Gesetzes wegen für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuer. Die Geltendmachung der Haftung der Klägerin durch die Abgabenbehörde bewirkte als nach außen hin erkennbare Amtshandlung auch die Verlängerung der Verjährungsfrist gegenüber dem Beklagten als Mitschuldner, auch wenn gegen ihn selbst kein Abgabenbescheid erlassen wurde.

Im Verhältnis zur Klägerin ist der Eintritt einer Verjährung der Abgabenverbindlichkeit aufgrund der Rechtskraft der Abgabenfestsetzung endgültig zu verneinen. Auch der Beklagte selbst hätte sich daher als Haupt und Mitschuldner gegenüber der Abgabenbehörde nicht (mehr) auf Verjährung berufen können.

3. Davon ausgehend kann es aber hier für das rechtliche Ergebnis dahingestellt bleiben, ob der Regress zwischen den Streitteilen nach den Regeln des Ausgleichs unter Mitschuldnern (§ 896 ABGB) oder denen eines Rückgriffsanspruchs des Zahlers einer fremden Schuld, für die er mithaftete (§ 1358 ABGB) beurteilt wird (zum Meinungsstand über das Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander vgl Gamerith/Wendehorst in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 896 Rz 9 ff; Kolmasch in Schwimann TaKomm³ § 896 ABGB Rz 8).

Beim Regressanspruch nach § 896 ABGB handelt es sich um einen selbstständigen Anspruch, für den die Verjährungsfrist der Gesamtschuld nicht anzuwenden ist (1 Ob 31/08b; 7 Ob 270/03m); die Verjährung des Regressanspruchs beginnt vielmehr erst mit der Zahlung eines Gesamtschuldners zu laufen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Streitteile Gesamtschuldner iSd §§ 891, 896 ABGB sind, findet in § 6 BAO Deckung.

Aber selbst wenn, dem Standpunkt des Revisionswerbers entsprechend, das Gemeinschaftsverhältnis der Streitteile außer Betracht gelassen und der Regress nur nach § 1358 ABGB zu beurteilen wäre, käme eine Verjährung des Anspruchs nicht in Frage, weil die Kapitalertragssteuerschuld auch gegenüber dem Beklagten aufrecht war. Er wurde erst durch deren Zahlung von dieser Verbindlichkeit endgültig befreit.

4. Ob die Klägerin im Abgabenverfahren, wie vom Beklagten vorgebracht wurde, schuldhaft Einwendungen verabsäumt hat, deren rechtzeitige Geltendmachung allenfalls zu einer Minderung oder sogar zum Entfall der Abgabenschuld geführt hätte, ist nicht im Zwischenstreit über die Verjährung des Regressanspruchs zu behandeln.

Es handelt sich dabei um materiell rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch, die – ebenso wie allfällige daraus abgeleitete Gegenforderungen – erst im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein werden.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf §§ 393 Abs 4 und 52 Abs 2 ZPO.