JudikaturJustiz8Ob1019/85

8Ob1019/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heribert A, Student, Czadekgasse 15, 3950 Gmünd, vertreten durch Dr. Franz Hager und Dr. Dieter Hager, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wider die beklagten Parteien 1) Franz B, Präsenzdiener, Grillenstein 31, 3950 Gmünd, 2) Firma C D, Baugesellschaft, Postgasse 2, 3950 Gmünd, und

3) E F G H, Schottenring 30 (Ringturm), 1011 Wien, alle vertreten durch Dr. Ferdinand Weber, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wegen

S 480.000,- s.A. und Feststellung (S 60.000,-), infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.6.1983, 15 R 129/83-60, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 30.3.1983, GZ 2 Cg 92/79- 53, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Akt wird dem Kreisgericht Krems an der Donau mit dem Auftrag zurückgestellt, infolge Zurücknahme der Revisionen nach den §§ 484 Abs.3, 513 ZPO vorzugehen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte im vorliegenden Rechtsstreit aus dem Titel des Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von zuletzt S 480.000,-

s. A.; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für seine künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.

Die Beklagten wendeten unter anderem eine Gegenforderung der Zweitbeklagten in der Höhe von S 50.000,- aufrechnungsweise ein. Das Erstgericht entschied, daß die Klagsforderung mit S 430.000,- zu Recht und mit S 50.000,- nicht zu Recht besteht und daß die eingewendete Gegenforderung von S 50.000,- nicht zu Recht besteht. Es verurteilte daher die Beklagten zur Zahlung von S 430.000,- s.A. und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 50.000,- s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren des Klägers ab.

Seinem Feststellungsbegehren gab es vollinhaltlich Folge. Dieses Urteil wurde nur von den Beklagten im Umfang der Stattgebung des Leistungsbegehrens mit einem Betrag von S 244.999,-

und des Feststellungsbegehrens in Ansehung von einem Drittel der künftigen Schäden des Klägers mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht gab diesem Rechtsmittel teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes, die es in Ansehung des Feststellungsbegehrens bestätigte, in Ansehung des Leistungsbegehrens dahin ab, daß es die Klagsforderung mit S 355.000,- als zu Recht und mit S 125.000,- als nicht zu Recht bestehend und die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte. Es verurteilte daher die Beklagten zur Zahlung von S 355.000,- s.A. und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 125.000,- s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren des Klägers ab.

Aussprüche im Sinne des § 500 Abs.2 und Abs.3 ZPO enthielt diese Entscheidung des Berufungsgerichtes zunächst nicht. Der Kläger und die Beklagten brachten gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes Revisionen ein. Der Kläger bekämpfte sie im klagsabweisenden Teil aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihm ein weiterer Betrag von S 125.000,- s.A. zugesprochen werde. Die Beklagten bekämpften die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Umfang des Zuspruches eines Betrages von S 40.000,- s.A. erkennbar aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in diesem Umfang im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Die Beklagten erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben; der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Mit Beschluß vom 6.9.1984 (ON 66) trug der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht auf, sein Urteil durch die erforderlichen Aussprüche nach § 500 Abs.2 Z 3 ZPO, allenfalls auch nach § 500 Abs.3 ZPO zu ergänzen.

Mit Beschluß vom 19.11.1984 (ON 67) berichtigte das Berufungsgericht seine Entscheidung dahin, daß es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,- nicht übersteigt und daß die Revision (nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO) nicht zugelassen werde. Seinen Ausspruch über die Nichtzulassung der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß seine Entscheidung nur Ermessensfragen betroffen habe, deren Bedeutung über den konkreten Einzelfall nicht hinausreiche. Daraufhin stellte der Oberste Gerichtshof die Akten dem Erstgericht mit dem Auftrag zurück, die bereits erstatteten Revisionen den Parteienvertretern unter Fristsetzung zur Ergänzung im Sinne des § 506 Abs.1 Z 5 ZPO zurückzustellen.

Mit Beschluß vom 28.5.1985 (ON 70) stellte das Erstgericht, diesem Auftrag entsprechend, die Revisionsschriften den Parteien zur Verbeserung durch Anführung der Gründe im Sinne des § 506 Abs.1 Z 5 ZPO gegen Wiedervorlage binnen 14 Tagen zurück. Dieser Beschluß wurde den Parteienvertretern mit den zurückgestellten Revisionsschriften am 4.6.1985 zugestellt. Die Revisionsschriften wurden von beiden Streitteilen innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Verbesserungsfrist nicht mehr vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Unter diesen Umständen ist über die Revisionen beider Streitteile nicht mehr abzusprechen; sie sind vielmehr, da sie innerhalb der vom Erstgericht im Sinne des § 85 Abs.2 ZPO gesetzten Verbesserungsfrist nicht mehr vorgelegt wurden, als zurückgezogen anzusehen. Da die Zivilprozeßordnung besondere Vorschriften über die Folgen der Zurücknahme einer Revision nicht enthält, sind gemäß § 513 ZPO die diesbezüglichen Bestimmungen über die Berufung auch auf die Revision anzuwenden. Die demnach sinngemäß anzuwendende Norm des § 484 ZPO regelt aber nur den Fall der Zurücknahme einer beim Berufungsgericht bereits anhängig gewordenen Berufung. Wird die Berufung zurückgenommen, bevor der Akt dem Berufungsgericht vorgelegt wurde, fehlt es an einer Grundlage für eine Entscheidung des Berufungsgerichtes, sodaß die Verständigung des Berufungsgegners von der Zurückziehung der Berufung und die Entscheidung über einen hierauf allenfalls gestellten Antrag auf Kostenbestimmung dem Erstgericht obliegt (Fasching Kommentar IV 176).

Diese Grundsätze sind sinngemäß für den Fall der Zurücknahme der Revision anzuwenden. Für die Entscheidungsbefugnis und Entscheidungspflicht des Obersten Gerichtshofes ist somit der Umstand maßgebend, ob die Revision vor oder nach der Vorlage an den Obersten Gerichtshof zurückgenommen wurde. Hiebei ist davon auszugehen, daß mit der Rückstellung des Aktes an das Erstgericht zur Einleitung des Verbesserungsverfahrens hinsichtlich der eingebrachten Rechtsmittel der Akt nicht mehr als dem Obersten Gerichtshof vorgelegt zu betrachten war (ähnlich 7 Ob 188/74); der Akt wäre erst nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen. Da somit im vorliegenden Fall die Zurücknahme der Revisionen nach den dargestellten Grundsätzen noch vor der als entscheidend anzusehenden endgültigen Vorlage an den Obersten Gerichtshof erfolgte, ist eine Entscheidungsbefugnis des Obersten Gerichtshofes nicht gegeben (vgl. EvBl.1963/363; 7 Ob 188/74).

Es wird daher das Erstgericht die Beklagten davon zu verständigen haben, daß die Revision des Klägers innerhalb der Verbeserungsfrist nicht mehr vorgelegt wurde und es wird, falls die Beklagten einen Kostenbestimmungsantrag im Sinne des § 484

Abs.3 ZPO stellen, darüber zu entscheiden haben.