JudikaturJustiz7Ob99/20i

7Ob99/20i – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GesmbH, *****, vertreten durch Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2020, GZ 3 R 11/20i-17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. Jänner 2020, GZ 21 Cg 53/19h 12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,82 EUR (darin 326,97 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Versicherungsmaklerin und hat bei der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Der von der Klägerin unterzeichnete Antrag auf Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrags enthielt auf seiner Seite 2 den Hinweis: „Versicherungsumfang gemäß Rahmenvertrag der Versicherungsmakler“. Die Klägerin wählte durch Ankreuzen aus dem Rahmenvertragsanbot (ua) den Baustein:

„Allgemeiner Vertrags-RS Betrieb – Modul 2:

Allgemeiner Vertrags-RS für den Betriebsbereich

Sonderleistungen/Deckungserweiterungen“.

Der Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten hatte (ua) mit der Beklagten eine Rahmenvereinbarung für eine Betriebs-Rechtsschutz-Versicherung für Versicherungsmakler abgeschlossen, die (ua) für das Modul 2 vorsieht:

„Besondere Vereinbarung: Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf bzw. Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen. Dies gilt sinngemäß auch für Teilbestände.“

Die Beklagte polizzierte den Antrag der Klägerin ohne Hinweis auf eine Abweichung vom Antrag, mit dem Passus:

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen, dies gilt sinngemäß auch für Teilbestände.

Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen (ARB 2012) und die Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 2012) zugrunde. Art. 7.3.3. ARB 2012 lautet:

Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen? (Allgemeine Risikoausschlüsse)

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

[...]

3. aus dem Bereich des

[...]

3.3. Gesellschafts-, Genossenschafts , Stiftungs- und Vereinsrechtes, [...]

Die Klägerin erwarb mit einem Abtretungsvertrag von allen Gesellschaftern sämtliche Gesellschaftsanteile an der f***** GmbH um insgesamt 500.000 EUR. Die Klägerin behauptet nunmehr, diese GmbH sei lange vor Verkauf konkursreif gewesen und es hätte längst vor dem Verkauf Insolvenz angemeldet werden müssen, was die Klägerin unmittelbar nach Übernahme der Geschäftsanteile auch habe tun müssen. Die Klägerin forderte zunächst mit einem Anspruchsschreiben alle ehemaligen Gesellschafter auf, die Kaufpreise zurückzuzahlen. Eine Rückzahlung erfolgte nicht, weshalb die Klägerin beabsichtigt, gegen die ehemaligen Gesellschafter Klage zu erheben. Für diese Klagsführung beanspruchte die Klägerin Deckung von der Beklagten, die diese ablehnte.

Die Klägerin begehrte die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag für die Verfolgung ihrer Ansprüche gegenüber den vormaligen Gesellschaftern der GmbH aus dem Kauf der Geschäftsanteile laut Abtretungsvertrag. Im Versicherungsantrag sei ein Ausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen nicht enthalten gewesen. Außerdem sei ein Share-Deal und kein Asset-Deal erfolgt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen schon laut dem Rahmenvertrag Versicherungsschutz ausgeschlossen gewesen und dessen Einschränkungen auch laut dem Versicherungsantrag maßgeblich gewesen seien. Außerdem handle es sich bei der von der Klägerin angestrebten Rechtsverfolgung um einen typischen Gesellschaftsrechtsstreit, der gemäß Art 7.3.3. ARB 2012 ebenfalls ausdrücklich ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es liege kein Kauf und keine Übertragung von Maklerbeständen, sondern ein Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH vor. Mit der von der Klägerin angestrebten Rechtsverfolgung würden auch keine rechtlichen Interessen aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts im Sinn des Art 7.3.3. ARB 2012 verfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen gewesen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klageabweisung.

Die Klägerin erstattete eine – ihr freigestellte – Revisionsbeantwortung mit dem sinngemäßen Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Fachsenat die über den Einzelfall hinaus bedeutsame Reichweite des Deckungsausschlusses betreffend die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Makler(teil)beständen, noch nicht beurteilt hat. Es liegt auch noch keine Entscheidung über die allgemeine Reichweite des Art 7.3.3. ARB 2012 vor. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Deckungsausschluss als Vertragsinhalt:

Nach dem von der Klägerin, einer Versicherungsmaklerin, unterzeichneten Versicherungsantrag sollte – wie an prominenter Stelle und in Fettdruck ausgewiesen – der „Versicherungsumfang gemäß Rahmenvertrag der Versicherungsmakler“ vereinbart werden. Die Klägerin wünschte (ua) das „Allgemeiner Vertrags-RS Betrieb – Modul 2“. Genau für dieses „Modul 2“ sieht besagter Rahmenvertrag, der für den Versicherungsumfang maßgeblich sein sollte, den Deckungsausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen vor. Dieser Ausschluss war demnach schon nach dem Wortlaut und dem eindeutigen Sinn des Antrags vereinbart. Der dem entsprechende Ausschluss in der Polizze ist keine Abweichung vom Antrag und daher wirksam vereinbart.

2. Deckungsausschluss – Kauf, Verkauf oder Übertragung von Maklerbeständen:

2.1. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RS0107031).

2.2. Gegenstand des von der Klägerin abgeschlossenen, inhaltlich unstrittigen Abtretungsvertrags waren nicht Makler (teil )bestände, sondern sämtliche Geschäftsanteile der früheren Gesellschafter. Davon abweichende Behauptungen der Beklagten gehen nicht vom maßgeblichen Sachverhalt aus. Es lag somit kein Asset-Deal, sondern ein Share-Deal vor, der vom Wortlaut des Deckungsausschlusses nicht erfasst ist.

2.3. Die Beklagte behauptet, es sei „einzig und allein die Übertragung des Kundenstockes als ein wertvolles und werthaltiges 'asset' (…) für den Abschluss eines Vertrages zum Ankauf einer GmbH, sei es im Wege eines 'share-' oder 'asset-deals', relevant“. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Im Unterschied zur Übernahme eines Maklerbestands im Rahmen eines Asset-Deals können im Rahmen eines Share-Deals durchaus weitere Vermögenswerte von maßgeblichem Interesse sein, wie etwa der (ideelle) Geschäfts (Firmen )wert, Mitarbeiter des Unternehmens, Sachanlagen (Betriebs- und Geschäftsausstattung, Büromaschinen, EDV) oder auch allfällige Finanzanlagen. Auch die unterschiedlichen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten gebieten eine Differenzierung zwischen Asset-Deal und Share-Deal. Es besteht daher weder aus (steuer )rechtlicher noch aus wirtschaftlicher Sicht ein Anlass dafür, die Übernahme eines Maklerbestands mit dem Erwerb von Geschäftsanteilen an einer als Versicherungsmaklerin tätigen GmbH gleichzusetzen. Für den hier zu beurteilenden Deckungsausschluss im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung gilt dies im Hinblick auf die tendenziell einschränkende Auslegung von Risikoausschlüssen um so mehr. Die von der Klägerin angestrebte Rechtsverfolgung unterliegt daher nicht dem Ausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen.

3. Deckungsausschluss – Art 7.3.3. ARB 2012:

3.1. Der Grundsatz von der einschränkenden Auslegung von Risikoausschlüssen (vgl 2.1.) gilt auch für jenen nach Art 7.3.3. ARB 2012, der Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts ausschließt.

3.2. Die Beklagte beruft sich für ihren Standpunkt, dass der Ausschluss nach Art 7.3.3. ARB 2012 greife, insbesondere auf deutsches Schrifttum in vermeintlich ihrem Sinn zum dort einschlägigen § 3 Abs 2 lit c) ARB, nach dem kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen „aus dem Recht der Handelsgesellschaften oder aus Anstellungsverhältnissen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen“ besteht. An der angegebenen Fundstelle wird allerdings gerade vertreten, dass nur solche Streitigkeiten ausgeschlossen sind, bei denen spezifisch gesellschaftsrechtliche Fragen und Belange im Vordergrund stehen. Liegt der Schwerpunkt der geltend gemachten oder abzuwehrenden Ansprüche auf dem ausgeschlossenen Rechtsgebiet oder hat zumindest die Auseinandersetzung im Kern aus typischen gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander ihren Ausgang genommen, dann ist der Versicherungsschutz insgesamt ausgeklammert ( Harbacher , Rechtsschutzversicherung 9 § 3 ARB Rn 90). Es müssen also spezifisch gesellschaftsrechtliche Rechtsfragen im Vordergrund stehen ( Obarowski in Langheid/Wandt , Münchener Kommentar zum VVG 2 Rechtsschutzversicherung Rn 178). Demnach hat die (bloße) Übernahme von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach deutscher Lehre keinen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Einschlag ( Armbrüster in Prölss/Martin , VVG 30 § 3 ARB 2010 Rn 35).

3.3. Der BGH formuliert, dass es aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers beim Bereich des Rechts der Handelsgesellschaften um eine an rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Zuordnung geht, mit der gewisse Risiken vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Wegen der Verweisung auf rechtliche Kriterien wird und darf der Versicherungsnehmer annehmen, dass die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Interessenwahrnehmung jedenfalls keine Tatbestände betrifft, die nach allgemeiner Auffassung nicht zum Bereich des Rechts der Handelsgesellschaften, sondern zu einem anderen Rechtsbereich gehören (BGH IV ZR 252/04 = VersR 2006, 1119 [Prospekthaftungsansprüche]).

3.4. Ähnliche Grundsätze müssen aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers auch im vorliegenden Zusammenhang für die Reichweite des Art 7.3.3. ARB 2012 gelten. Eine Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts im Sinn des Art 7.3.3. ARB 2012 erfolgt nur dann, wenn diese Interessenwahrnehmung ihren Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht hat, also im Kern in typisch gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander ihren Ausgang genommen hat. Die Klägerin beabsichtigt hier nach ihrem Anspruchsschreiben, aus dem Erwerb der Geschäftsanteile Ansprüche wegen Irreführung, Gewährleistungs- und Schadenersatz sowie Verkürzung über die Hälfte geltend zu machen, weil die Anteile ihrer Ansicht nach nicht werthaltig gewesen seien. Diese Interessenwahrnehmung folgt ganz vorrangig allgemeinen schuldrechtlichen Regeln und ist daher nicht vom Ausschluss nach Art 7.3.3. ARB 2012 erfasst.

4. Ergebnis:

4.1. Laut dem Antrag der Klägerin sollte der „Versicherungsumfang gemäß Rahmenvertrag der Versicherungsmakler“ vereinbart werden. Dieser sah für das von der Klägerin gewünschte „Modul 2“ (allgemeiner Rechtsschutz) den Deckungsausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen vor, sodass dieser Ausschluss schon nach dem Versicherungsantrag vereinbart war. Eine Abweichung der Polizze vom Antrag lag nicht vor.

4.2. Der bloße Erwerb von Maklerbeständen steht dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH, die als Versicherungsmaklerin tätig ist, nicht gleich, erfasst doch der Anteilserwerb auch weitere Vermögenswerte, wie etwa Geschäfts (Firmen )wert, Mitarbeiter des Unternehmens, Sachanlagen (Betriebs- und Geschäftsausstattung, Büromaschinen, EDV) oder auch allfällige Finanzanlagen. Unterschiedliche (steuer )rechtliche und wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten erfordern eine Differenzierung zwischen Asset-Deal und Share-Deal, die es in Verbindung mit der gebotenen einschränkenden Auslegung von Risikoausschlüssen verbieten, den Deckungsausschluss für die Übernahme eines Maklerbestands auch auf den Erwerb von Geschäftsanteilen zu erstrecken.

4.3. Der Ausschluss nach Art 7.3.3. ARB 2012 trifft nur Interessenwahrnehmungen, die ihren Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht, also im Kern in typisch gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander ihren Ausgang genommen haben. Daher ist die Geltendmachung von Ansprüchen aus Vertragsanfechtung wegen Irrtums und Verkürzung über die Hälfte sowie aus Gewährleistung und Schadenersatz aus dem Erwerb von Geschäftsanteilen, die vorrangig allgemeinen schuldrechtlichen Regeln folgen, vom Ausschluss nach Art 7.3.3. ARB 2012 nicht erfasst.

4.4. Der Revision der Beklagten muss aus den dargestellten Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben.

4.5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.