JudikaturJustiz7Ob687/85

7Ob687/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj.David Sebastian B***, geb.am 26.3.1976, 90-158 Lodz, Malachowskiegostraße 66-18, Polen, vertreten durch die Mutter Zdzislawa S***, wohnhaft ebendort, diese vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Ernest B***, Angestellter, Leonding, Harterfeldstraße 9, vertreten durch Dr.Viktor V.Supplit, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalt (Streitwert im Revisionsverfahren S 47.700 s.A.), infolge der Revisonen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.September 1985, GZ 13 R 273/85-120, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Endurteil des Bezirksgerichtes Linz vom 31.Jänner 1985, GZ 21 C 30/80-108, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des bereits im Berufungsverfahren unangefochten gebliebenen Teiles wie folgt lautet:

"1.) Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:

Text

Entscheidungsgründe:

Das klagende Kind wurde am 26.3.1976 von Zdzislawa S*** außer der Ehe geboren. Mutter und Kind sind polnische Staatsbürger und leben in Polen. Sie hielten sich lediglich im ersten Halbjahr 1983 in Wien auf. Der Beklagte ist Österreicher. Mit dem mit einer Bestätigung der Vollstreckbarkeit versehenen Urteil vom 30.6.1977, Zahl III C 1329/76, stellte das Bezirksgericht in Lodz fest, daß der Beklagte der Vater des klagenden Kindes sei. Es verlieh dem Kind den (Zu )Namen des Beklagten, "(er)teilte" dem Beklagten das Elternrecht über das klagende Kind nicht "zu" und verurteilte den Beklagten, dem Kind zu Handen seiner Mutter einen monatlichen Unterhalt von Zloty 3.000 ab 14.5.1976, zahlbar im voraus bis zum 10.eines jeden Monats samt 8 % Zinsen vom Zahlungstag jeder Rate, sowie der Mutter Zloty 1.901,-- samt 8 % Zinsen vom 14.5.1976 zu bezahlen und der Mutter Prozeßkosten von Zloty 1.000,-- zu ersetzen.

Auf Grund dieses Urteils bewilligte das Landesgericht Linz mit Beschluß vom 26.1.1979, 5 Nc 45/78, die Fahrnisexekution gegen den Beklagten. Dem vom Beklagten gegen die Exekutionsbewilligung erhobenen Widerspruch gemäß § 83 EO gab das Landesgericht Linz mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil vom 3.10.1979, 5 Cg 42/79-15, Folge. Es versagte dem Urteil des Bezirksgerichtes Lodz die Vollstreckbarkeit und erklärte die Fahrnisexekution für unzulässig. Mit der am 3.12.1979 beim Erstgericht eingelangten Klage wird begehrt, festzustellen, daß der Beklagte der Vater des klagenden Kindes sei, und ihn schuldig zu erkennen, dem Kind 1.monatlich im Voraus S 1.320,60 (das seien Zloty 3.000 zum Kurs von ÖS 100,-- = Zloty 227,17) zuzüglich 8 % Zinsen bei Zahlungsverzug als Unterhalt und 2. für rückständigen Unterhalt sowie Auslagen und Prozeßkosten S 58.062,82 (das seien Zloty 131.901), und zwar für rückständigen Unterhalt für die Zeit von Mai 1976 bis November 1979 monatlich Zloty 3.000, insgesamt Zloty 129.000, für der Mutter entstandene Auslagen für das Kind sowie Prozeßkosten Zloty 2.901 - zu zahlen. In der Folge wurde das Unterhaltsbegehren auf Zahlung von S 1.600,-- ab dem 1.6.1983 zuzüglich 8 % Zinsen bei Zahlungsverzug erhöht (AS 252 und 339 f).

Mit rechtkräftigem Teilurteil vom 12.8.1983, ON 85, gab das Erstgericht dem Feststellungsbegehren statt.

Zum Unterhaltsbegehren brachte der Kläger vor, daß hinsichtlich des Rückstandes bereits ein polnischer, in Österreich nicht vollstreckbarer Exekutionstitel vorliege. Der Beklagte sei bei der VÖEST-Alpine AG in Linz als Arbeiter beschäftigt und verfüge über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich mindestens S 13.000. Er sei daher in der Lage, den begehrten Unterhalt zu leisten (AS 253).

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, das klagende Kind könne Unterhalt für die Vergangenheit nicht begehren. Ein Unterhaltsbetrag von Zloty 3.000 sei für polnische Verhältnisse exorbitant hoch. An dem Verfahren in Polen habe der Beklagte nicht teilgenommen. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Beklagten betrage netto S 10.000. Der Beklagte habe noch für zwei weitere Kinder zu sorgen. Hinsichtlich der geltend gemachten vorpozessualen Kosten sei Unzulässigkeit des Rechtsweges gegeben. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3.10.1979, 5 Cg 42/79-15, sei der Kläger des gegenständlichen Verfahrens zum Ersatz von Prozeßkosten von S 4.549,04 an den Beklagten verurteilt worden. Der Beklagte mache diesen Betrag aufrechnungsweise geltend.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kind zu Handen seiner Mutter an Unterhalt zu zahlen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist begründet; jener des Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Festgehalten sei zunächst, daß das Berufungsgericht nach dem Inhalt der Berufung des Beklagten ON 110 c, AS 390 entgegen dessen Revisionsvorbringen zu Recht davon ausgegangen ist, daß der Beklagte einen Zuspruch von S 275,-- an monatlichem Unterhalt für die Zeit vom 3.12.1979 bis 31.12.1982 sowie ab 1.7.1983, einen Zuspruch von S 1.320,60 monatlich für die Zeit vom 1.1.1983 bis 31.5.1983 und von S 1.600 für Juni 1983, sowie die Abweisung seiner Aufrechnungseinrede unbekämpft gelassen hat, sodaß das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen ist. Der Beklagte wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Zuerkennung eines Unterhaltsrückstandes bei Bestehen eines polnischen, in Österreich nicht vollstreckbaren Exekutionstitels bejaht, und daß es den Unterhaltszuspruch in der Währung des Heimatstaates des berechtigten Kindes vorgenommen hat, obwohl die Mutter im Rahmen zulässiger devisenrechtlicher Vorschriften die Möglichkeit habe, Devisenbons in Anspruch zu nehmen und diese begünstigt umzutauschen. Das Berufungsgericht habe dem Kläger mehr zugesprochen, als dieser begehrt habe.

In zutreffender Weise sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der geltend gemachte Anspruch nach polnischem Recht zu beurteilen ist (Art.29 Abs.4 des Vertrages vom 11.12.1963 zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen, BGBl.1974/79). Nach der polnischen Rechtsprechung hat zwar der Unterhaltsberechtigte keinen Anspruch auf rückständigen Unterhalt, wenn seine Bedürfnisse schon gedeckt wurden, sei es mit eigenen Mitteln, sei es durch Dritte. Im vorliegenden Verfahren aber macht das klagende Kind in Wahrheit einen rückständigen Unterhalt gar nicht geltend. Unter rückständigem Unterhalt kann nur ein Unterhalt verstanden werden, der vor dem Tag der Antragstellung im Außerstreitverfahren bzw. vor dem Tag der Einbringung der Klage fällig geworden ist (vgl. hiezu auch die Ausführungen im Gutachten ON 96, AS 327). Die klagende Partei hat aber im Verfahren vor dem Bezirksgericht in Lodz Unterhalt lediglich ab dem Tag der Klageeinbringung, nicht auch für die Vergangenheit begehrt. Ein derartiger Unterhalt wurde ihr auch von jenem Gericht zugesprochen. Zwar wurde dem Urteil des Bezirksgerichtes Lodz vom 30.6.1977 die Vollstreckbarkeit mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3.10.1979, 5 Cg 42/79-15, versagt, weil die Zustellung der beim Bezirksgericht Lodz eingebrachten Klage an den Beklagten am 29.4.1977 durch postamtliche Hinterlegung unter einer Anschrift in München erfolgt war, obwohl der Beklagte bereits im Jänner 1977 seinen Wohnsitz nach Linz verlegt hatte, sodaß ihm die Möglichkeit, sich an dem Verfahren vor dem Bezirksgericht Lodz zu beteiligen, durch einen nichtigen Zustellvorgang entzogen wurde. Eine Geltendmachung dieses Umstandes durch den Beklagten aber hätte auch nach österreichischem Verfahrensrecht lediglich zur Folge, daß das (Versäumungs )Urteil vom 30.6.1977 und das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage als nichtig aufgehoben, nicht aber auch, daß die Klage zurückgewiesen worden wäre. Der Klagstag bliebe daher dem Kläger auch in diesem Fall für die Geltendmachung seiner Ansprüche gewahrt. Eine neuerliche Zustellung der Klage, und sei es auch nach Jahren, könnte den Beginn des Unterhaltsanspruches des Klägers nicht hinausschieben, da nicht die Zustellung, sondern die Einbringung der Klage maßgebend ist. Diesem Umstand kommt jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, weil das klagende Kind nach dem zur Anwendung gelangenden Recht der Volksrepublik Polen in seiner beim Bezirksgericht Lodz eingebrachten Klage einen Unterhalt erst ab Klagseinbringung begehrt und auch zugesprochen erhalten hat. Auch die mit dem im vorliegenden Verfahren gestellten Begehren für die Zeit von Mai 1976 bis November 1979 wird somit kein rückständiger Unterhalt begehrt. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht dem klagenden Kind auch für diesen Zeitraum einen Unterhalt zugesprochen. Ein Eingehen auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen über eine (teilweise) Verjährung des für die Zeit vor dem 3.12.1979 begehrten Unterhalts erübrigt sich schon deshalb, weil dieser Unterhalt innerhalb der nach polnischem Recht geltenden dreijährigen Verjährungsfrist beim Bezirksgericht Lodz eingeklagt wurde.

Die weiteren Ausführungen in der Revision der beklagten Partei und der Revision der klagenden Partei befassen sich damit, in welcher Währung der geschuldete Unterhalt zu leisten sei. Die klagende Partei begehrt die Zahlung des Unterhalts in Schillingwährung. Sie macht geltend, daß durch die im Verfahren der Vorinstanzen erhobene "drastische Abwertung des Zloty" die tatsächliche Befriedigung des Unterhalts des Kindes nicht gewährleistet wäre. Auch der Beklagte strebt eine Festsetzung seiner Unterhaltsleistung in Schilling an. Die klagende Partei wäre zu verpflichten, die vom Beklagten überwiesenen Beträge in Dollarbons einzutauschen und diese am freien Markt zum "optimalen Tageskurs" gegen Zloty einzuwechseln. Bei Zugrundelegung des Umrechnungskurses Dollar/Zloty auf dem freien Markt sei die Festsetzung des Unterhaltes mit S 275,-- monatlich gerechtfertigt.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß die klagende Partei nicht verhalten werden kann, für überwiesene Geldbeträge zunächst Dollarbons zu erwerben und diese dann wieder gegen Zloty zu verkaufen, um so ihren Unterhalt sicherzustellen. In der Frage, in welcher Währung ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch geschuldet wird - es handelt sich hiebei nicht um eine Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts, sodaß die Revision insoweit zulässig ist (SZ 51/43) -, fehlt eine gesetzliche Regelung. Der OGH stellte bezüglich der zu leistenden Währung zunächst auf den Schuldnerwohnsitz ab (SZ 5/30, SZ 7/71), vertrat aber in einer jüngeren Entscheidung die Ansicht, es sei das Familienstatut auch für die Währung maßgebend (SZ 51/43). Reischauer (in Rummel, ABGB, Rdz 21 zu § 905). Er führt hiezu aus, der Gedanke, der Unterhalt des Kindes müsse an seinem Aufenthaltsort sichergestellt werden, würde nach der Natur der Verbindlichkeit als Erfüllungsort den Aufenthaltsort ergeben und damit auch das Währungsproblem sachgerecht lösen. Auch Schwimann vertritt die Ansicht, Unterhaltszahlungen hätten in der Währung des Wohnungsstatutes des Berechtigten zu erfolgen (Grundriß des Internationalen Privatrechts, 106; sowie in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 24 IPRG, hier unter Berufung auf ÖA 1981, 95 = SZ 51/43). Den Gedanken, Unterhaltsansprüche dienten der Bedarfsdeckung und entstünden grundsätzlich in der Währung, in der das Bedürfnis des Unterhaltsberechtigten dauerhaft zu befriedigen sei, vertritt auch Staudinger (Komm.z.BGB 12 II Rdz 33 zu § 244), der überdies auf dem Standpunkt steht, eine Berücksichtigung der inneren Kaufkraft der Schuldnerwährung sei mit der am Zweck der Unterhaltspflicht orientierten Betrachtung unvereinbar, denn es komme darauf an, daß dem Unterhaltsberechtigten die seinem Bedarf entsprechende Kaufkraftmenge zufließe (aaO Rdz 34). Gerade der in der Entscheidung SZ 51/43 und den angeführten Lehrmeinungen hervortretende Grundgedanke des Kindeswohls spricht im vorliegenden Fall gegen einen Zuspruch des dem klagenden Kind gebührenden Unterhalts in der Währung seines Aufenthaltsortes. Wie die Erhebungen der Vorinstanzen ergeben haben, verschlechtert sich der Wert des Zloty gegenüber jenem des Schillings seit Jahren kontinuierlich. Dies hätte bei einer Festsetzung des Unterhalts in einem Zlotybetrag zur Folge, daß einerseits der Beklagte im Laufe der Zeit einen immer geringeren Schillingbetrag benötigt, um der festgelegten Unterhaltsverpflichtung zu entsprechen, andererseits aber das Kind mit dem bestimmten Betrag das Auslangen immer weniger finden würde und deshalb schon aus diesem Grund - sollte ein Einvernehmen über eine Unterhaltserhöhung nicht erzielt werden - immer wieder zur Klageführung genötigt wäre. Das Wohl des Kindes - das Bestreben, dem Unterhaltsberechtigten die seinem Bedarf entsprechende Kaufkraftmenge zufließen zu lassen - spricht daher für einen Zuspruch des Unterhalts in Schillingwährung, wie dies von der klagenden Partei auch beantragt wurde. Für den Beklagten bildet dies keinen Nachteil. Es benimmt ihm lediglich den Vorteil eines für ihn günstiger werdenden Wechselkurses.

Es war deshalb der Revision der klagenden Partei Folge zu geben, jener des Beklagten aber ein Erfolg zu versagen und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten der ersten Instanz erfolgte nach § 43 Abs.2 ZPO, über jene des Rechtsmittelverfahrens nach § 43 Abs.2, § 50 ZPO. Dabei war gemäß § 58 JN als Wert des Streitgegenstandes der dreifache Jahresbetrag des begehrten und zugesprochenen Unterhalts anzunehmen (Fasching I S 357), bzw. im Rechtsmittelverfahren der jeweils strittige Differenzbetrag.