JudikaturJustiz7Ob68/23k

7Ob68/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C*, vertreten durch Bollmann Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei S* OG, *, vertreten durch Dr. Philipp Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 204.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2023, GZ 3 R 167/22h 20, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Juni 2022, GZ 31 Cg 68/21s 14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.508,80 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 400,80 EUR USt und 6.104 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin hielt gemeinsam mit ihrem Bruder Miteigentumsanteile an zwei Liegenschaften in zwei verschiedenen Wiener Bezirken. An einer der beiden Liegenschaften verfügte die Klägerin über 2/3 tel und ihr Bruder über 1/3 tel der Anteile; bei der anderen Liegenschaft war es umgekehrt. Für die Mutter der beiden Geschwister war ein Fruchtgenussrecht an jeweils einem 1/3 tel Anteil der beiden Liegenschaften einverleibt.

[2] Die Geschwister beabsichtigten ihre 1/3 tel Anteile an den Liegenschaften so zu tauschen, dass in der Folge jeweils eines der Geschwister an einer Liegenschaft Alleineigentümer würde. Um eine aufgrund des höheren Werts einer der beiden Liegenschaften an die Klägerin zu leistende Ausgleichszahlung zu bemessen, wurde 2015 (auch) von der Klägerin ein Gutachten zur „Ermittlung des Verkehrswertes der Liegenschaften bzw der Anteile für interne Zwecke“ bei der Beklagten in Auftrag gegeben. Vom beabsichtigten Austausch der Drittelanteile zwischen den Geschwistern war die Beklagte nicht informiert.

[3] Bei der Berechnung des Werts des Drittelanteils der Klägerin an der von ihr abzugebenden Liegenschaft brachte die Beklagte ein Fruchtgenussrecht mit 5 % in Abzug, obwohl der Anteil der Klägerin unbelastet war. Für den geringeren Wert des Liegenschaftsanteils als Minderheitenanteil im Miteigentum wurde im Gutachten ein Abschlag in der Höhe von 15 % vorgenommen, obwohl durch den Tausch jeder der Beteiligten Alleineigentümer werden sollte.

[4] Die mit „Gutachten“ überschriebene, einseitige Zusammenfassung des Verkehrswertgutachtens vom 21. 5. 2015 lautete auszugsweise:

„Der gerundete Verkehrswert der gesamten Liegenschaft sowie der angeführten Anteile der Liegenschaft [...] beträgt zum Bewertungsstichtag wie folgt:

Verkehrswert 1/1 Anteil ohne Berücksichtigung des

Fruchtgenussrechts

EUR 4.843.000,00

Verkehrswert 1/1 Anteil unter Berücksichtigung des

Fruchtgenussrechts

EUR 4.437.000,00

Verkehrswert 2/3 Anteil abzüglich Fruchtgenussrecht

EUR 2.490.000,00

Verkehrswert 1/3 Anteil

EUR 1.257.000,00“

[5] Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schadenersatz, weil sie ohne die beiden Fehler im Gutachten eine um 204.000 EUR höhere Ausgleichszahlung erhalten hätte. Ihr Schaden aufgrund der unrichtigen Berücksichtigung des Fruchtgenussrechts betrage 113.000 EUR; für den zu Unrecht vorgenommenen Abzug wegen Miteigentum errechne sich ein Schaden von zusätzlich 91.000 EUR. Die Klägerin sei 2015 von der Richtigkeit des Gutachtens ausgegangen; die Fehler seien ihr erst im Zuge eines Erbrechtsstreits im Jahr 2020 aufgefallen.

[6] Die Beklagte wendete – soweit im Revisionsverfahren von Interesse – Verjährung ein, weil die Klägerin die Fehler im Gutachten bereits 2015 erkennen hätte können. Sie hätte auch ausgehend von dem im Gutachten ebenfalls angegebenen Verkehrswert der Gesamtliegenschaft ihren Drittelanteil selbst richtig berechnen können.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Beklagten der beabsichtigte Tausch nicht bekannt gewesen sei und ihr deshalb der unrichtige Abzug nicht vorzuwerfen sei.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und differenzierte zwischen den beiden Fehlern im Gutachten. Der vorgenommene Abschlag für bloßes Miteigentum sei keine Vertragsverletzung der Beklagten, weil sie mit einem Gutachten zu den Verkehrswerten der Anteile beauftragt gewesen sei und von dem beabsichtigten Tausch nichts gewusst habe. Hingegen sei der Beklagten der zu Unrecht vorgenommene Abschlag für ein – auf dem Anteil der Klägerin tatsächlich nicht bestehendes – Fruchtgenussrecht anzulasten, weil dies unabhängig von einem beabsichtigten Tausch unrichtig gewesen sei. Da festgestellt sei, dass die Klägerin bei anderer Berechnung eine entsprechend höhere Ausgleichszahlung von ihrem Bruder verlangt und im Fall seiner Weigerung ein deutlich höheres Kaufangebot angenommen hätte, sei der Klägerin damit ein Schaden im Ausmaß von 113.000 EUR entstanden.

[9] Die Klägerin habe vor dem Jahr 2020 keine Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt gehabt, weshalb die Klagsforderung nicht verjährt sei.

[10] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem erkennbaren Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ih r nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[13] 1. Die geltend gemachte Nichtigkeit, die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie die Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[14] 2.1. Die 3 jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB wird durch die Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers sowie des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten in Gang gesetzt (RS0034374 [T4]; RS0034951), wobei es darauf ankommt, wann die Kenntnis des Geschädigten einen solchen Grad erreicht, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann (RS0034374 [T28, T37, T38, T49]; RS0034524 [T36]).

[15] 2.2. Aus den bekannten Umständen muss schlüssig ein Zusammenhang zwischen einem Fehlverhalten bzw einer Pflichtverletzung des Schädigers und dem Schaden hergestellt werden können (RS0034366 [T28]). Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034524 [T24, T25]).

[16] 2.3. Die Klägerin hatte – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – bereits ab der Übergabe des Gutachtens 2015 deutliche Anhaltspunkte für dessen Fehlerhaftigkeit und damit einen Schadenseintritt. Bereits bei einer Hochrechnung des in der Zusammenfassung des Verkehrswertgutachtens ausgewiesenen Drittelanteils auf den Gesamtwert – einer einfachen Multiplikation mit dem Faktor drei – war ersichtlich, dass sowohl der Betrag des als Verkehrswert des ganzen Anteils ohne Berücksichtigung des Fruchtgenussrechts als auch der Verkehrswert unter Berücksichtigung des Fruchtgenussrechts erheblich über dem Ergebnis der Multiplikation lagen und damit der für den Drittelanteil ausgewiesene Betrag zu niedrig sein musste. Für eine derartige Multiplikation hätte die Klägerin keinerlei Fachwissen benötigt, weshalb es auf die Frage einer (nicht zu überspannenden, vgl RS0034327 ) Erkundigungspflicht oder das Vorhandensein fachkundiger Berater in diesem Zusammenhang nicht mehr ankommt.

[17] 3. Allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin waren daher zum Zeitpunkt der Klagseinbringung im September 2021 bereits verjährt. Der Revision war damit Folge zu geben und das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen.

[18] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.