JudikaturJustiz7Ob578/95

7Ob578/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Schalich, Dr.Schinko und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj.Christine P*****, ***** Schülerin, ***** vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg als Unterhaltssachwalter, diese vertreten durch Dr.Christa Watzenböck, Rechtsanwältin in Kremsmünster, wider die beklagte Partei Gerhard D*****, Spediteur, ***** vertreten durch Dr.Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 24.000,-, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Berufungsgericht vom 15.Mai 1995, GZ 1 R 42/95-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Neuhofen/Krems vom 30.Jänner 1995, GZ C 447/93m-17, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben, soweit mit der angefochtenen Entscheidung das Urteil des Erstgerichtes und das vom Erstgericht ab Beginn der mündlichen Streitverhandlung vom 2.5.1994 geführte Verfahren als nichtig aufgehoben wurden.

Soweit mit dem angefochtenen Beschluß die Klage zurückgewiesen und das Verfahren auch bis zum Beginn der mündlichen Streitverhandlung vom 2.5.1994 als nichtig aufgehoben wurde, sowie im Kostenpunkt wird dem Rekurs Folge gegeben und die Entscheidung der 2.Instanz in diesem Umfang aufgehoben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Werner P***** hat sich als ehelicher Vater der Klägerin mit Scheidungsvergleich vom 22.1.1985 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.500,- verpflichtet. Verfahrensgegenstand sind die vom Beklagten als Arbeitgeber des Werner P***** einbehaltenen Unterhaltsbeiträge, zu deren Hereinbringung der Klägerin die Drittschuldnerexekution bewilligt wurde.

Die Klägerin brachte vor, der Beklagte habe wohl Abzüge vom Entgelt des Unterhaltspflichtigen einbehalten, insgesamt jedoch S 24.000,-

nicht an den Jugendwohlfahrtsträger abgeführt.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Er habe sämtliche Abzüge an den Jugendwohlfahrtsträger überwiesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß der Beklagte als Drittschuldner im Exekutionsverfahren die erforderlichen Lohnabzüge vom Entgelt des Werner P***** vorgenommen und in der Folge diese Beträge an den Jugendwohlfahrtsträger überwiesen habe. Das Klagebegehren müsse daher erfolglos bleiben.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht über Berufung der Klägerin dieses Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es folgerte ohne Eingehen auf die Beweis- und Tatsachenrüge der Klägerin, daß der vorliegende Anspruch gemäß § 50 Abs 1 iVm § 52 Z 2 ASGG vor dem Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht geltend gemacht werden müsse. Gemäß § 9 Abs 1 ASGG sei die sachliche Zuständigkeit eines Bezirksgerichtes nicht prorogierbar, eine Heilung im Sinne des § 104 Abs 3 JN liege nicht vor. Der vorliegende Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO umfasse das gesamte Verfahren. Darüber hinaus habe das Erstgericht unbeachtet gelassen, daß zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung am 2.5.1994 mangels Erscheinens der beiden Parteien Ruhen des Verfahrens eingetreten sei. Vom Prozeßgericht trotz eingetretenen Ruhens des Verfahrens vorgenommene Gerichtshandlungen seien nichtig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs der Klägerin ist gemäß § 519 Abs 2 Z 1 ZPO zulässig, aber nur teilweise berechtigt.

Auf Grund der vom Revisionsgericht veranlaßten Stellungnahme des Erstrichters steht fest, daß zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung am 2.5.1994 keine der beiden Parteien, sondern nur der Zeuge Christian D***** und der Vater der Klägerin als geladene Zeugen erschienen waren. Der erstgenannte Zeuge legte Urkunden vor, die vom Gericht zum Akt genommen wurden. Das Ergebnis der erfolgten Einvernahme des Zeugen P***** wurde vor dem dann erschienenen Beklagten protokolliert. Vom Gericht aufgefordert gab der in der Folge erschienene Beklagte zu den vorgelegten Urkunden Stellungnahmen ab und wurde auch vom Gericht als Partei einvernommen. Prozeßanträge wurden vom Beklagten nicht gestellt, Wiedereinsetzungsanträge der Parteien sind nicht aktenkundig (vgl AS 37 ff).

Ist keine der beiden Parteien bei Aufruf einer mündlichen Streitverhandlung in der Hauptsache anwesend, so tritt durch diese Versäumnis im streitigen Verfahren Ruhen des Verfahrens ein. Zur Feststellung des Eintrittes des Ruhens des Verfahrens bedarf es keines Beschlusses, geboten ist nur ein diesen Umstand wiedergebender Aktenvermerk, der den von Gesetzes wegen selbständig eingetretenen Verfahrensstillstand festhält. Außer der Dokumentation kommt diesem Vermerk keine Bedeutung zu. Erachtet sich eine der Parteien durch die Folgen des Ruhens des Verfahrens für beschwert, so hat sie einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Streitverhandlung zu stellen, über den vom Gericht meritorisch zu entscheiden ist (vgl Fasching LB2 Rz 612). Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre wird durch das Ruhen des Verfahrens die gleiche Folge wie durch dessen Unterbrechung ausgelöst (vgl Gitschthaler in Rechberger ZPO § 170 Rz 11), sodaß ein ungeachtet des Ruhens des Verfahrens und ohne Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom Erstgericht fortgesetztes Verfahren - sieht man von gewissen hier nicht vorliegenden Ausnahmen ab - nichtig ist (Fasching LB2 Rz 600 iVm Rz 598; SZ 51/150; Fasching II 793). Eine während des Ruhens des Verfahrens ergangene Entscheidung ist daher als nichtig zu beheben, ebenso die ab dem Eintritt des Ruhens des Verfahrens vom Erstgericht vorgenommenen Gerichtsverhandlungen. Dem Berufungsgericht war es daher verwehrt aus formellen Gründen die aufgegriffene Unzuständigkeit des Erstgerichtes zum Gegenstand einer Entscheidung nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO zu machen, vielmehr hätte es den durch das eingetretene Ruhen des Verfahrens ausgelösten Nichtigkeitsgrund vorrangig aufzugreifen gehabt. Dementsprechend erweist sich aber auch die Zurückweisung der Klage und die Aufhebung des erstgerichtlichen Verfahrens bis zum Aufruf der mündlichen Streitverhandlung am 2.5.1994 als verfehlt, sodaß in diesem Umfang der berufungsgerichtliche Beschluß zu beheben war. Nach Erhebung eines Fortsetzungsantrages durch eine der Parteien wird beiden Parteien bei der dann anzuberaumenden mündlichen Streitverhandlung gemäß § 182 Abs 2 ZPO Gelegenheit gegeben werden müssen, zur aufgeworfenen Unzuständigkeit Stellung zu nehmen und entsprechende Anträge zu stellen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten stützt sich auf § 52 ZPO.