JudikaturJustiz7Ob523/94

7Ob523/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Ewald Schmidberger und Dr.Gerwald Schmidberger, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagte Partei Dr.Andreas K*****, vertreten durch Dr.Friedrich Bubla, Rechtanwalt in Baden, wegen (eingeschränkt) S 2,500.000,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. Dezember 1993, GZ 13 R 67/93-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes Steyr vom 12.August 1993, GZ 3 Cg 210/92-12, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte ursprünglich vom Beklagten die Bezahlung von S 2,811.078,-- sA. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe um den Klagsbetrag im Auftrag des Beklagten Wertpapiere gekauft, die dieser nicht bezahlt habe. Die Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Steyr gründete die Klägerin auf § 99 JN und führte dazu aus, daß der Beklagte in Österreich keinen allgemeinen Gerichtsstand habe, sich aber im Depot der klagenden Partei, also im Sprengel des Landesgerichtes Steyr, Wertpapiere im Kurswert von S 740.000,-- befänden.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und brachte vor, daß die von der Klägerin angeführten Wertpapiertransaktionen vom Beklagten nicht auf eigene Rechnung durchgeführt worden seien. Das Auftragsverhältnis und die Funktion des Beklagten als mittelbarer Stellvertreter seien der klagenden Partei gegenüber jedoch nicht offengelegt worden. Die Übergabe des auf Inhaber lautenden Sparkassenwertpapierbuches sei bereits im September 1990 erfolgt; der Beklagte habe seit diesem Zeitpunkt keine Verfügungsberechtigung über die auf dem Wertpapierdepot liegenden Aktien gehabt. Im übrigen reiche der Wert des im Inland gelegenen Vermögens im Verhältnis zur eingeklagten Forderung zur Begründung des Vermögensgerichtsstandes nicht aus, da die Aktien zum Zeitpunkt der Klagseinbringung lediglich S 500.000,-- wert gewesen seien. Der Beklagte beantragte daher die Klagszurückweisung wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit.

Bei der Tagsatzung am 24.6.1993 stellte die klagende Partei außer Streit, daß der Kurswert des Wertpapierdepots der Beklagten zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nur S 500.000,-- betragen habe und schränkte gleichzeitig ihr Begehren auf S 2,5 Mill. samt 11 % Zinsen seit Klagszustellung unter gleichzeitigem Verzicht auf die S 2,5 Mill. übersteigende Mehrforderung ein.

Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Es folgerte rechtlich, daß zum Zeitpunkt der Klagseinbringung der Wert des inländischen Vermögens des Beklagten nicht einmal 1/5 des Wertes des Streitgegenstandes betragen habe. Der Kurswert dieser Aktien sei seit Klagseinbringung weiterhin gesunken und liege derzeit lediglich bei rund S 230.000,--.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß mit der angefochtenen Entscheidung auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu treffende neue Entscheidung zur Frage der Unzuständigkeitseinrede auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Für die Prüfung der Zuständigkeit nach § 99 JN sei der Zeitpunkt der Klagseinbringung maßgeblich. Im vorliegenden Fall habe die Teileinschränkung des Klagebegehrens auf 2,5 Mill.S unter Anspruchsverzicht auf die Restforderung den Mangel der "Unverhältnismäßigkeit" beseitigt. Das bei der Klägerin erliegende Wertpapierdepot habe daher im Klagszeitpunkt 1/5 der (eingeschränkten) Klagsforderung repräsentiert. Im vorliegenden Fall sei aber nicht nur der Wert des im Inland gelegenen Vermögens, sondern auch die Verfügungsmacht des Beklagten darüber maßgeblich. Habe der Beklagte die Wertpapiere im Depot als mittelbarer (indirekter) Stellvertreter erworben und dazu das auf Inhaber lautende Wertpapiersparbuch schon vor Einbringung der Klage dem vertretenen Dritten übergeben, liege ab dieser Übergabe kein inländisches Vermögen des Beklagten mehr vor. Die klagende Partei habe daher zu beweisen, daß der Beklagte im Zeitpunkt der Klagseinbringung über das Wertpapierdepot bei der Klägerin noch verfügungsberechtigt war.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

Für das Vorliegen des Vermögensgerichtsstandes nach § 99 Abs.1 JN haben sich in der Rechtsprechung folgende Begründungslinien entwickelt: Das Vermögen muß von einer solchen Art und einem solchen Umfang sein, daß es eine Verwaltung im Inland erfordert, weil das Erfordernis einer Vermögensverwaltung als teilweise "Ansässigkeit" des belangten Beklagten in Vermögensrechtsangelegenheiten betrachtet werden kann (vgl. EvBl. 1993/93 =JBl. 1993, 666). Dieser Umstand wäre bei einem Kurspflege erfordernden Wertpapierdepot gegeben. Andererseits wurde ausgesprochen, daß der Wert des im Inland befindlichen Vermögens nicht unverhältnismäßig geringer sein darf, als der Wert des Streitgegenstandes. Diese Bestimmung soll verhindern, daß ein Gerichtsstand und damit auch die inländische Gerichtsbarkeit in Fällen begründet wird, in denen ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Wert des Vermögens und dem Streitgegenstand besteht; es sollen vor allem geringwertige Sachen für die Begründung des Gerichtsstandes nicht ausreichen. Nach dem Bericht des Justizausschusses zur Zivilverfahrens-Novelle 1983 (AB 1337 BlgNR 15.GP 6), durch die § 99 Abs.1 Satz 1 JN seine derzeit gültige Fassung erhielt, sollte durch die geänderte Fassung klargestellt werden, daß der Wert des vorhandenen Vermögens nicht unverhältnismäßig geringer sein dürfe als der Streitwert. Vermögen im Sinne des § 99 JN liegt also nur dann vor, wenn es die Befriedigung eines erheblichen Teiles der geltend gemachten Forderung ermöglicht (vgl. AnwBl. 1991, 743 sowie RdW 1993, 111). Richtig ist, daß in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in einigen Entscheidungen Relationen zwischen dem inländischen Vermögen des Beklagten und dem eingeklagten Streitwert gezogen worden sind und daß unter anderem ausgesprochen wurde, daß zur Begründung des Gerichtsstandes nach § 99 Abs.1 JN erforderlich ist, daß der Wert des im Inland befindlichen Vermögens etwa 20 % des Streitwertes erreicht (EvBl. 1991/182 = RdW 1991, 325) und daß die Lehrmeinung Faschings (LB2 Rz 311), daß schon ein Vermögen im Wert von 10 % des Streitgegenstandes zur Gerichtsstandsbegründung ausreiche, abzulehnen sei (vgl. EvBl. 1984/133). Die letztgenannte Relation stellt sohin nach der Rechtsprechung eine Untergrenze für ein zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit nach § 99 Abs 1 JN unzureichendes inländisches Vermögen des zu belangenden Beklagten dar. Im übrigen aber läßt die zitierte Formulierung "etwa" einen gewissen Entscheidungsspielraum zu. Einheitlich ist die Rechtsprechung hingegen hinsichtlich des Zeitpunktes dieser Relation, nämlich jenen der Anhängigmachung der Klage (vgl. SZ 60/164 = RZ 1988/88 = EvBl. 1988/33). Ebenso wie ein Verfall des Wertes des inländischen Vermögens des Beklagten im Laufe des Zuständigkeitsstreites keine Auswirkungen auf seine gerichtsstandsbegründende Wirkung hat (vgl. 6 Ob 560/91), kann dies auch nicht bei einer nachträglichen Klagseinschränkung mit dem offensichtlichen Zweck, um damit in die Nähe der oben aufgezeigten Relation zu kommen, der Fall sein. § 235 Abs 1 ZPO schränkt nur die möglichen nachträglichen Änderungen der Zuständigkeitsvoraussetzungen ein, ohne aber daran eine Änderung der Zuständigkeit der bereits anhängigen Sache zu knüpfen. Hiedurch wird der Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit nicht durchbrochen (vgl SZ 52/60 mwN), d.h. die von der Klägerin vorgenommene Klagseinschränkung konnte nur unter der Voraussetzung, daß die Zuständigkeit nach § 99 Abs 1 JN im Klagszeitpunkt gegeben war, Rechtswirksamkeit erlangen. Ansonsten erweist sich aber die vom Rekursgericht getroffene Beurteilung als zutreffend, liegt doch der Wert des behaupteten inländischen Vermögens des Beklagten nahe den bereits erwähnten 20 % vom eingeklagten Streitwert und ist weit von den erwähnten 10 % vom Streitwert entfernt. Dem allein auf diese Rechtsfrage gestützten Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Zum nicht bekämpften Aufhebungsgrund sei bemerkt, daß ohne Angabe eines Namens des angeblichen Eigentümers der im Depot der klagenden Partei liegenden Wertpapiere keine Überprüfbarkeit der Angaben des Beklagten über den Eigentümerwechsel möglich ist. Von einer ausschließlichen Beweispflicht der klagenden Partei kann, solange der Beklagte seine Stellvertretereigenschaft nicht nachvollziehbar offengelegt hat, daher keine Rede sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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