JudikaturJustiz7Ob522/96

7Ob522/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Jasna D*****, geboren am 8.9.1982, infolge Revisionsrekurses der Stadt Wien, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie 6./7.Bezirk, 1060 Wien, Amerlingstraße 11, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. November 1995, GZ 45 R 914/95-5, womit infolge Rekurses der Stadt Wien der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 5. September 1995, GZ 10 P 167/95-2, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 24.8.1995 stellte der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie 6./7.Bezirk, namens der Stadt Wien die Anträge, 1. Spasoje D***** ab 26.4.1995 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.500 für sein Kind Jasna D***** zu verpflichten und 2. gemäß § 382 a EO einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von S 1.550 ab Antragstag zu bewilligen. Im Antrag wurde vorgebracht, daß Jasna D***** seit 26.4.1995 im Rahmen der Maßnahme der vollen Erziehung im C*****heim ***** untergebracht sei. Die Kosten der vollen Erziehung beliefen sich auf S 21.000 monatlich. Es bestehe keine Unterhaltstitel. Dem Vater Spasoje D***** sei mit Anzeige vom 3.8.1995 gemäß § 40 Wiener JWG zur Kenntnis gebracht worden, daß die Rechtsansprüche des Kindes auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen auf die Stadt Wien übertragen worden seien. Der Unterhaltspflichtige erziele ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 15.000 oder könnte in seinem Beruf als Arbeiter oder in ähnlichen Verweisungsberufen mindestens ein solches Einkommen erzielen. Er sei für drei weitere Kinder, geboren am 13.8.1991, am 17.7.1992 und am 12.11.1994, sorgepflichtig.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung gemäß § 382 a EO zurück.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die verfahrensrechtliche Position des Anspruchsberechtigten bleibe von der Legalzession nach §§ 34 JWG, 40 WrJWG unberührt. Es ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 382 a EO, daß nur der Minderjährige antragslegitimiert sei. Die §§ 382 Z 8 lit a und 382 a EO zielten darauf ab, dem Unterhaltsberechtigten während des Verfahrens zur Schaffung eines Unterhaltstitels jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Deckung des notwendigen Unterhaltes erforderlich seien. Hier stehe aber die Unterhaltsforderung nicht mehr dem Pflegebefohlenen zu. Es werde für seinen Unterhalt im Rahmen der vollen Erziehung durch die Stadt Wien gesorgt. Der Zuspruch eines vorläufigen Unterhaltes nach § 382 a EO sei daher derzeit nicht geboten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Anwendbarkeit des § 382 a EO zugunsten des Legalzessionars im Sinn des § 40 WrJWG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Der Revisionsrekurs der Stadt Wien ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Zession erfolgt ein Gläubigerwechsel, auch wenn die abgetretene Forderung im übrigen unverändert bleibt (§§ 1392 ff ABGB). Zur Geltendmachung der Forderung ist nur mehr der "neue" Gläubiger legitimiert.

Diese Wirkung trat bezüglich der Unterhaltsforderungen der minderjährigen Jasna gegen ihren Vater gemäß § 34 JWG bzw § 40 WrJWG mit der an den Vater gerichteten Anzeige des Forderungsüberganges ein.

Nach dem Wortlaut des § 382 a Abs 1 EO setzt die Gewährung des vorläufigen Unterhaltes nach dieser Bestimmung den Antrag eines Minderjährigen voraus. Diesem kommt jedoch im Fall des § 34 JWG bzw § 40 WrJWG keine Antragslegitimation mehr zu.

Eine analoge Anwendung des § 382 a EO auf den Fall, daß der Unterhaltsanspruch im Wege der Legalzession auf den Jugendwohlfahrtsträger überging, kommt nicht in Betracht.

Der Jugendwohlfahrtsträger, der zunächst für den Ersatz der Kosten der Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrt aufzukommen hat (§ 32 JWG), kann bei der vollen Erziehung Kostenersatz nach § 33 JWG bzw § 39 WrJWG begehren. Er kann sich aber auch dafür entscheiden, im Wege der Legalzession auf den Unterhaltsanspruch des Kindes zu greifen, indem er den Forderungsübergang dem Unterhaltspflichtigen anzeigt. § 34 JWG bzw § 40 WrJWG sichert damit auf einfache Weise den Kostenersatz für Maßnahmen der vollen Erziehung (RV Blg NR 17.GP 171, 28).

§ 382 a EO soll hingegen den minderjährigen Kindern, von denen in den meisten Fällen anzunehmen ist, daß sie vermögens- und einkommenslos und daher auf den gesetzlichen Unterhalt zur Sicherung ihrer materiellen Existenz angewiesen sind, ein vereinfachtes Verfahren zur raschen Erledigung eines gewissen, an die Familienbeihilfe gekoppelten Mindestbetrages ermöglichen (RV Blg NR 17.GP 170, 5). Sinn der Bestimmung des § 382 a EO ist es demnach, der Existenzgefährdung von auf Unterhaltszahlungen angewiesenen minderjährigen Kindern entgegenzuwirken. Eine durch das Fehlen finanzieller Mittel hervorgerufene Gefährdung des Kindeswohles ist jedoch durch die Verpflichtung des Jugendwohlfahrtsträgers zur vorläufigen Kostentragung nicht zu befürchten, wenn das Kind im Rahmen der Maßnahme der vollen Erziehung in einem Heim oder bei Pflegeeltern untergebracht ist. Es kommt in diesem Fall auch keine Bevorschussung der Unterhaltsleistungen in Betracht (§ 2 Abs 2 Z 2 UVG).

Die durch § 382 a EO ermöglichte rasche Vorgangsweise gegen den Unterhaltsschuldner hat nicht den Zweck, den Unterhaltsschuldner zu pönalisieren, sondern die finanzielle Existenzgrundlage für das Kind zu sichern. Die Argumentation des Revisionsrekurses, daß diejenigen Eltern, die ihr Kind vernachlässigten oder mißhandelten und dadurch die Übernahme des Kindes in die volle Erziehung herbeiführten, gegenüber anderen Unterhaltspflichtigen zu Unrecht bevorzugt würden, wenn dann gegen sie nicht gemäß § 382 a EO vorgegangen werden könnte, ist daher nicht zielführend.

Aus der Antragslegitimation auch des Jugendwohlfahrtsträgers zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung im Sinn des § 382 a EO ergäben sich für das Kind keine erkennbaren Vorteile. Eine zugunsten des Jugendwohlfahrtsträgers erlassene einstweilige Verfügung könnte insbesondere nicht zugunsten des Kindes fortwirken, wenn die Maßnahme der vollen Erziehung endet.

Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 505/92, veröffentlicht in ÖAV 1992, 163, läßt sich für den gegenteiligen Standpunkt des Jugendwohlfahrtsträgers nichts gewinnen, weil dort lediglich klargestellt wird, daß § 185 Abs 3 AußStrG in einem Verfahren, in dem der Jugendwohlfahrtsträger den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung durch die Unterhaltspflichtigen begehrt, nicht anzuwenden ist. Abgesehen davon, daß diese Entscheidung die Frage offen läßt, ob anderes zu gelten hat, wenn der Jugendwohlfahrtsträger die im Wege der Legalzession auf ihn übergegangene Unterhaltsansprüche des Minderjährigen geltend macht, setzt die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 185 Abs 3 AußStrG schon nach ihrem Wortlaut nicht die Antragstellung durch den Minderjährigen selbst voraus.

Es ist zwar richtig, daß auch die öffentliche Hand daran interessiert sein muß, möglichst rasch die auf sie im Weg der Legalzession übergegangenen Unterhaltsansprüche eintreiben zu können. Dieser rechtspolitische Wunsch nach raschem Kostenersatz ändert aber nichts daran, daß die Bestimmung des § 382 a EO einem ganz anderen Zweck als dem der raschen Eintreibung der Kosten der Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrt dient. Die Annahme einer nicht gewollten Gesetzeslücke dahin, daß nicht nur minderjährige Kinder, sondern auch Jugendwohlfahrtsträger, auf die die Unterhaltsansprüche im Wege der Legalzession übergegangen sind, im Wege des § 382 a EO einen einstweiligen Unterhaltsbeitrag erlangen können, ist daher nicht gerechtfertigt (vgl F.Bydlinski in Rummel2 I, Rz 2 zu § 7 ABGB).

Rechtssätze
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