JudikaturJustiz7Ob44/79

7Ob44/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 1980

Kopf

SZ 53/100

Spruch

Dem Versicherungsnehmer ist die Verletzung von Obliegenheiten durch den von ihm zur Abwicklung des gesamten Versicherungsverhältnisses Bevollmächtigten zuzurechnen

OGH 30. Juni 1980, 7 Ob 44/79 (OLG Graz 6 R 45/79; LG Klagenfurt 25 Cg 136/78)

Text

Die Klägerin begehrt mit Leistungs- und hilfsweiser Feststellungsklage die Deckung eines Schneedruckschadens an ihrem Wochenendhaus in N aus der bei der Beklagten geschlossenen Kleinen Elementar-Versicherung. Die Beklagte behauptet Leistungsfreiheit.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren wegen Nichtanzeige einer Doppelversicherung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Kleine Elementar-Versicherung ab; das Berufungsgericht bestätigte.

Nach den von der zweiten Instanz übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes ließ die Klägerin durch ihren mit allen Versicherungsangelegenheiten bevollmächtigten Ehemann Siegfried W das strittige Risiko zunächst bei der Beklagten für die Zeit ab 18. Juli 1968 im Rahmen einer Kleinen Elementar- (Sturmschaden-) Versicherung versichern. Diese Versicherung umfaßt Sturm-, Hagel-, Schneedruck-, Felssturz-, Steinschlag- und Erdrutschschäden. Dem Vertrag liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kleine Elementar-Versicherung zugrunde, nach deren Art. 8 Abs. 1 der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, unverzüglich den Namen des anderen Versicherers und die Versicherungssumme schriftlich anzugeben, wenn er für die versicherten Sachen eine andere gleichartige Versicherung nimmt; der Versicherer wird von der Entschädigungspflicht frei, wenn die andere Versicherung nicht angezeigt oder ihm sonst bekannt geworden ist und nach Ablauf eines Monats seit dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, ein Schaden eintritt.

Am 9. Feber 1971 schloß die Klägerin für ihr Wochenendhaus eine zweite Versicherung bei der W-Versicherungsanstalt ab, und zwar eine Eigenheimversicherung, aus der u. a. das Gebäude außer gegen die Folgen aus der gesetzlichen Haftpflicht auch gegen Schäden durch Hagel, Schneedruck, Sturm, Felssturz und Erdrutsch versichert wurde; am 29. März 1973 wurde bezüglich der Risken Sturmschaden und Haftpflicht eine Erhöhung der Versicherungssumme beantragt. Diese beiden Versicherungsanträge hatte der Ehemann der Klägerin blanko unterfertigt, ohne daß er oder die Klägerin dem Vertreter der W-Versicherung die bereits bestehende Versicherung bei der Beklagten oder umgekehrt dieser den Abschluß der neuen Versicherung mitteilten. Letzteres unterblieb auch, nachdem der Gebietsvertreter einer anderen Versicherungsgesellschaft im Frühjahr 1974 alle von der Klägerin abgeschlossenen Versicherungsverträge ordnete und Siegfried W mitteilte, daß das Wochenendhaus sowohl bei der Beklagten als auch bei der W-Versicherung gegen Elementarschäden versichert sei, und zu einer Regelung bei diesen beiden Versicherungsanstalten riet.

Einen am Wochenendhaus der Klägerin im Jahre 1971 durch Schneedruck aufgetretenen Schaden liquidierte die W-Versicherung, einen weiteren im Frühjahr 1974 durch Schneelast entstandenen Schaden bezahlte die Beklagte. Den nun strittigen im April 1975 durch Schneedruck und Sturm entstandenen Schaden meldete Siegfried W den Vertretern beider genannten Versicherungen, wobei er gegenüber dem Vertreter der Beklagten die Frage nach einer weiteren "Kleinen Elementar-Versicherung" verneinte und das in diesem Sinn ausgefüllte Formular nach Durchlesen unterfertigte. Die Beklagte erlangte erst dadurch von der Doppelversicherung Kenntnis, daß beide Versicherer denselben Sachverständigen bestellten.

Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist die Beklagte entsprechend den Allgemeinen Versicherungsbedingungen wegen Nichtmeldung der Doppelversicherung leistungsfrei, weil der Klägerin das Verschulden ihres bevollmächtigten Ehemannes anzurechnen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ob dem Ehemann der Revisionswerberin schon beim Abschluß der Eigenheimversicherung bei der W-Versicherung die doppelte Erfassung des Risikos Sturm und Schneedruck auffallen mußte, kann dahingestellt bleiben. Sein Verschulden ist mindestens darin zu erblicken, daß er die im Frühjahr 1974 erhaltene ausdrückliche Belehrung über die Doppelversicherung gegen Elementarschäden außer acht und Schneedruckschäden am Wochenendhaus einmal (im Jahr 1971) durch die eine und dann (1974) durch die andere Versicherung liquidieren ließ. Bei dieser Sachlage kann dem Ehemann der Klägerin die Wahrscheinlichkeit einer Doppelversicherung bei Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht entgangen sein. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Vertreter der W-Versicherung bei der Meldung des strittigen Schadens die Meinung vertrat, jede der Versicherungen werde bestimmte Teile des Schadens zu decken haben; die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, deshalb Jahre vorher eine entsprechende Meldung oder wenigstens Vergewisserung über die Rechtslage unterlassen zu haben, zumal allein die Beschreibung des versicherten Risikos in beiden Fällen offensichtlich übereinstimmte. Das Verschulden des Ehemannes der Klägerin ist deshalb nicht bloß in einem unbegrundeten Vertrauen gegenüber den Versicherungsvertretern zu erblicken. Ein höherer Grad des Verschuldens war gemäß § 6 Abs. 1 VersVG nicht erforderlich.

Die Revisionswerberin bekämpft aber auch die Zurechnung dieses Verschuldens ihres Ehemannes zu Unrecht. Wohl lehnt die ständige österreichische Rechtsprechung die in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte Repräsentantenhaftung ab. Die Vorinstanzen haben aber im Ergebnis richtig erkannt, daß es im vorliegenden Fall nicht bloß um die Repräsentanz bei Erfüllung einer einzelnen Obliegenheit geht, sondern der besondere und selbständige Zurechnungsgrund der Bestellung eines Dritten durch den Versicherungsnehmer zum bevollmächtigten Vertreter für das ganze Vertragsverhältnis vorliegt. Das Verhalten eines solchen, zur Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses bestellten Vertreters fällt dem Versicherungsnehmer nach Vollmachtsrecht (§ 1017 ABGB; vgl. auch § 876 ABGB) wie sein eigenes Handeln oder Unterlassen zur Last (Prölss - Martin, VVG[21], 79 f.; Stiefel - Wussow, AKB[11], 90 f.). Da hier unbekämpft feststeht, daß die Klägerin ihren Ehemann bevollmächtigt hatte, für sie in allen Versicherungsangelegenheiten zu handeln, und er daß auch tatsächlich getan hat, hatte er die Revisionswerberin auch im Rahmen der Obliegenheiten des Versicherungsvertrages zu vertreten. Seine Unterlassungen sind ihr als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten im Sinne des § 6 VersVG zuzurechnen. Auf ein eigenes Verschulden der Klägerin kommt es dann aber auch bei Ablehnung der Repräsentantenhaftung nicht an.