JudikaturJustiz7Ob212/97w

7Ob212/97w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald M*****, vertreten durch Dr.Jürgen Hadler, Rechtsanwalt in Voitsberg, wider die beklagte Partei mj. Kerstin M*****, vertreten durch die Mutter Magret Karoline M*****, vertreten durch Dr.Werner Thurner und Dr.Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Unterhaltsvergleichs und eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses (Streitwert S 72.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 14.April 1997, GZ 1 R 82/97d-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 19.Dezember 1996, GZ 1 C 78/96g-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,84 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war mit der Mutter der Beklagten vom 18.5.1991 bis 13.12.1994 verheiratet. Während dieser Ehe, nämlich am 10.2.1994, wurde aufgrund einer an der Ehefrau des Klägers durchgeführten heterologen Insemination die Beklagte geboren. Am 7.6.1993 hatten die Ehegatten bei einem Frauenarzt in München, der die Insemination durchführte, folgende Erklärung unterfertigt:

"Erklärung

zur heterologen Insemination

Wir haben uns entschlossen, die Erfüllung unseres übereinstimmenden Wunsches nach einem gemeinsamen Kind mit Hilfe der heterologen Insemination zu verwirklichen, weil die Ehe bisher kinderlos geblieben ist und nach Ausschöpfung aller gegenwärtigen bestehenden Möglichkeiten der Diagnose und Therapie auch künftig bleiben wird.

Das aus dieser Behandlung hervorgehende Kind soll in jeder Beziehung und mit allen rechtlichen Konsequenzen unser gemeinsames eheliches Kind sein. Wir wollen es im vollen Bewußtsein unserer elterlichen Verantwortung zu einem gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseitig gebildeten Menschen erziehen..."

Anläßlich der einvernehmlichen Ehescheidung vereinbarten die Ehegatten mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Vergleich, daß die Obsorge für die Beklagte der Mutter zukommt. Der Kläger verpflichtete sich, für die Beklagte einen monatlichen Unterhalt von S 2.000,-- zu zahlen. Bereits am 23.9.1994 war der Kläger im Pflegschaftsverfahren zur Leistung eines monatlichen Unterhalts an die Beklagte von S 2.000,-- ab 1.9.1994 verpflichtet worden. Diese Unterhaltsfestsetzung wurde auf das Einvernehmen der Eltern gegründet. Der dagegen vom Kläger erhobene Rekurs wurde anläßlich der Scheidung am 13.12.1994 zurückgezogen.

Aufgrund der am 23.1.1995 vom Kläger gegen die Beklagte erhobenen Ehelichkeitsbestreitungsklage wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Beklagte kein eheliches Kind des Klägers ist. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Kläger als Ehemann der Mutter der medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten entgegen der in § 156 a ABGB enthaltenen Vorschrift nicht in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsaktes zugestimmt hatte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß der Unterhaltsvergleich vom 13.12.1994 und der Unterhaltsfestsetzungsbeschluß des BG Voitsberg vom 23.9.1994, P 150/94, rechtsunwirksam seien. Durch rechtskräftiges Gerichtsurteil sei festgestellt worden, daß die während aufrechter Ehe geborene Beklagte nicht seine leibliche Tochter sei. Er habe seine Zustimmung zur heterologen Insemination der Mutter nicht in der in § 156 a ABGB vorgesehenen qualifizierten Form abgegeben. Die Zustimmung sei daher unwirksam, zumindest aber durch die nachfolgende Ehescheidung und die Feststellung der Unehelichkeit der Beklagten beseitigt worden. Die mit dem bekämpften Unterhaltstitel übernommene Verpflichtung habe er in dem Irrtum abgegeben, der eheliche Vater der Beklagten zu sein. Erst aus der nachfolgenden Entscheidung im Statusprozeß habe sich ergeben, daß der Kläger nicht der eheliche Vater der Beklagten sei. Die Unterhaltspflicht sei durch die später erfolgte Ehescheidung und durch das Urteil im Statusprozeß weggefallen. Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 7.6.1993 sei die aufrechte Ehe zwischen dem Kläger und der Mutter der Beklagten und der Umstand gewesen, daß das aus der Fremdinsemination entspringende Kind das eheliche Kind des Klägers sein solle. Beide Voraussetzungen seien nunmehr weggefallen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klagebegehren. Wenn der Kläger auch aus rein formaljuristischen Überlegungen im Statusprozeß durchgedrungen sei, entbinde ihn dieses Urteil nicht von der von ihm eingegangenen Unterhaltsverpflichtung. Aus der zwischen der Mutter der Beklagten und dem Kläger getroffenen Vereinbarung habe die Beklagte einen vertraglichen Unterhaltsanspruch erworben, der nicht von der Vermutung der ehelichen Geburt der Beklagten abhänge. Dem Kläger sei bei Eingehen der Unterhaltspflicht bewußt gewesen, nicht der Vater der Beklagten zu sein.

Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Nur eine qualifizierte Zustimmung des Ehemannes der Mutter zur Vornahme einer heterologen Insemination nach der Formvorschrift des § 156 a ABGB habe die Wirkung, daß der Ehemann der Mutter die eheliche Geburt eines dadurch gezeugten Kindes nicht bestreiten könne. Die vom Kläger formlos bei einem Arzt in München erteilte Zustimmung sei unwirksam. Aus dieser Erklärung könne daher auch keine Unterhaltspflicht abgeleitet werden, auch nicht durch die Beklagte als dadurch allenfalls begünstigte Dritte. Durch das Ergebnis im Statusprozeß sei die gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers weggefallen.

Das Berufungsgericht wies beide Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Durch das Ergebnis im Statusprozeß sei zwar die gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers weggefallen. Der Kläger habe aber eine vertragliche Unterhaltspflicht übernommen. Daß nur die qualifizierte Zustimmung des Ehemannes zu einer künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau mit dem Samen eines Dritten abstammungsrechtliche Wirkungen habe, führe nicht zwangsläufig dazu, daß auch die gleichzeitig übernommene vertragliche Unterhaltsverpflichtung rechtsunwirksam sei. Diese vertragliche Pflicht sei durch das Statusurteil nicht beseitigt worden. Die vertragliche Unterhaltspflicht sei der Kläger gerade in dem Wissen eingegangen, nicht der leibliche Vater der Beklagten zu sein. Darauf, daß durch dieses Urteil die Geschäftsgrundlage für die eingegangene Unterhaltspflicht weggefallen ist, könne sich der Kläger, der die Bestreitungsklage selbst erhoben habe, nicht mit Erfolg berufen. Derjenige, der die entscheidende Änderung der Verhältnisse bewirkt habe, könne aus dem dadurch herbeigeführten Wegfall der Geschäftsgrundlage kein Recht ableiten. Auch der Irrtumseinwand gehe ins Leere, weil der Kläger durch sein Verhalten erst die heterologe Insemination möglich gemacht habe. Er habe auch von vornherein gewußt, nicht der leibliche Vater der Beklagten zu sein. Der Kläger hätte diese Verpflichtungserklärung nur bis zur Vornahme der Insemination gegenüber der Mutter widerrufen können. Nach erfolgreicher Insemination habe er sich davon nicht mehr einseitig lösen können. Das Versprechen des Klägers in der Erklärung vom 7.6.1993, die Beklagte im vollen Bewußtsein der elterlichen Verantwortung zu einem gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseits gebildeten Menschen zu erziehen, sei als echter Unterhaltsvertrag zugunsten Dritter, nämlich der Beklagten zu werten, der vom Kläger nicht mehr einseitig widerrufen werden könne. Aufgrund der vertraglich eingegangenen Unterhaltsverpflichtung seien die bekämpften Unterhaltstitel ungeachtet der Scheidung der Eltern und des Ergebnisses im Abstammungsverfahren wirksam.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Das am 1.7.1992 in Kraft getretene FMedG BGBl 1992/275 hat die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Durchführung medizinischer Fortpflanzungshilfe geschaffen und privatrechtliche Änderungen im Abstammungsrecht herbeigeführt. So ist die medizinische Fortpflanzungshilfe nur unter Partnern einer Ehe oder Lebensgemeinschaft zulässig (§ 2 Abs 1 FMedG), weshalb die Verwendung fremder Eizellen verboten (§ 3 Abs 1 FMedG), die Verwendung von Drittsamen zur Insemination nur unter verschärften Zustimmungsvoraussetzungen (§ 3 Abs 2, § 8 Abs 1 FMedG) gestattet ist. Nach dem neuen § 137 b ABGB ist (selbst bei verbotswidriger Verwendung eines fremden Eies) Mutter stets die Frau, die das Kind geboren hat. Die Neufassung des § 155 ABGB dehnt die Widerlegbarkeit der Unehelichkeitsvermutung für 302 Tage nach Ehelösung geborener Kinder auch auf die Fälle der in der Ehe durch medizinische Fortpflanzungshilfe gezeugten Kinder aus. Bei formeller Zustimmung zur Insemination mit Drittsamen ist bei ehelicher Geburt jede Ehelichkeitsbestreitung (§ 156 a ABGB), bei unehelicher Geburt die Widerlegung der Vaterschaftsvermutung durch den Lebensgefährten (§ 163 Abs 3 ABGB) ebenso ausgeschlossen, wie in beiden Fällen gemäß § 163 Abs 4 ABGB die Feststellung der Vaterschaft des Drittsamenspenders (Zusammenstellung nach Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 19 vor § 137). Bestimmungen über den gesetzlichen Unterhalt wurden im Gefolge des Inkrafttretens des FMedG nicht getroffen.

Der erkennende Senat hat mit seiner Entscheidung 7 Ob 527/96 (= JBl 1996, 717 [Bernat]) im Verfahren über die Ehelichkeitsbestreitungsklage ausgesprochen, daß der Ehemann, der einer heterologen Insemination nicht nach den Formvorschriften des § 156a ABGB, also weder in Form eines gerichtlichen Protokolles noch in Form eines Notariatsaktes, zugestimmt hat, die Ehelichkeit des durch diese Insemination gezeugten Kindes bestreiten kann. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, daß der Zustimmung des Ehemannes der Mutter nur dann abstammungsrechtliche Wirkungen zukommen sollen, wenn nach dem Inkrafttreten des FMedG am 1.7.1992 die Formvorschriften des § 156 a ABGB eingehalten werden. Hat die Formungültigkeit einer solchen Zustimmungserklärung zu einem Obsiegen des Ehemannes der Mutter im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß geführt, kann der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem Ehemann der Mutter nicht mehr auf das Gesetz gegründet werden, das nur die leiblichen Eltern und subsidiär die leiblichen Großeltern zum Unterhalt verpflichtet (§§ 140, 141 ABGB).

Andererseits enthält die von den Wunscheltern unterfertigte Erklärung nicht nur die Zustimmung zur Vornahme der heterologen (hier auch anonymen) Insemination, sondern auch das Versprechen, daß das aus dieser Behandlung hervorgehende Kind in jeder Beziehung und mit allen rechtlichen Konsequenzen das gemeinsame Kind der betroffenen Eheleute sein soll und diese es im vollen Bewußtsein ihrer elterlichen Verantwortung zu einem gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseits gebildeten Menschen erziehen wollen.

Der BGH hat in einem gleichgelagerten Fall ausgesprochen (MDR 1995, 712), daß eine Vereinbarung zwischen Eheleuten, mit welcher der Ehemann sein Einverständnis zu einer heterologen Insemination erteilt, regelmäßig zugleich einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten berechtigenden Vertrag zugunsten des aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kindes enthält, aus dem sich für den Ehemann dem Kind gegenüber die Pflicht ergibt, für dessen Unterhalt wie ein ehelicher Vater zu sorgen; die vertraglich übernommene Unterhaltspflicht endet - anders als gesetzliche Unterhaltspflicht - nicht ohne weiteres, wenn in einem Statusprozeß die Nichtehelichkeit des Kindes rechtskräftig festgestellt worden ist. Dazu wurde insbesondere ausgeführt, daß diese vertragliche Unterhaltsverpflichtung gerade bestehen solle, obwohl der Ehemann der Mutter nicht der Vater des durch Fremdinsemination gezeugten Kindes ist. Die in der deutschen Literatur mitunter vertretene Meinung, daß aus der Zustimmung des Ehemannes zu einer heterologen Insemination nur der Gesetzgeber die Rechtsfolge herleiten könne, daß der Ehemann auch nach einer erfolgreichen Anfechtung der Ehelichkeit zum Unterhalt verpflichtet sei, lehnte der BGH in dieser Entscheidung mit der Begründung ab, daß das Fehlen einer gesetzlichen Regelung nicht die Annahme einer vertraglichen Verpflichtung ausschließe.

Die Aufhebung der statusrechtlichen Beziehung zwischen dem Ehemann, der der Fremdinsemination seiner Ehefrau zugestimmt hat, und dem durch diese Insemination hervorgekommenen Kind soll nicht zur Entlastung von der Unterhaltspflicht führen. Um dieses unbillige Ergebnis zu vermeiden, wurde schon 1954 vorgeschlagen (Dölle in FS E. Rabel I 187 [204]),die Zustimmung des Ehemannes zur Zeugung mit Samen eines Dritten als Übernahme der Verpflichtung gegenüber der Mutter zu deuten, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen. Aus diesem Versprechen, dem künftigen Kind Unterhalt zu leisten, gewinnt das Kind im Zeitpunkt seiner Geburt einen vertraglichen Anspruch. Dieser Auffassung, der in der Bundesrepublik Deutschland ua von D.Coester-Waltjen in ihrem Gutachten B für den 56. Deutschen Juristentag und von Benecke (Die heterologe künstliche Insemination im geltenden deutschen Zivilrecht 108 ff), aber auch in Österreich gefolgt wurde (Bernat, Lebensbeginn durch Menschenhand 125, 144 ff; derselbe, Rechtsfragen medizinisch assistierter Zeugung 169 f) ist auch nach geltenden österreichischem Recht beizupflichten, weil der der Fremdinsemination zustimmende Ehemann der Mutter mit seinem Verhalten einen Vorgang in Lauf gesetzt hat, der zur Geburt eines Kindes führt, dessen natürlicher Vater gemäß § 163 Abs 4 ABGB nicht festgestellt und damit auch nicht zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden kann. Mit der in der Zustimmung zur heterologen Insemination enthaltenen Erklärung, das Kind wie ein eheliches aufzuziehen, ist das Versprechen an die Mutter verbunden, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen, aus dem das Kind ab seiner Geburt direkt berechtigt wird. Daß die Formvorschrift des § 156 a ABGB dabei nicht eingehalten wurde, kann zwar - wie in JBl 1996, 717 (Bernat) ausgeführt wurde, abstammungsrechtliche Wirkungen zeitigen, auf das Unterhaltsversprechen, das keinem Formzwang unterliegt, aber keinen Einfluß ausüben.

Ob die Aufrechterhaltung der Ehe zwischen den Wunscheltern und die durch die eheliche Geburt des Kindes bewirkte Ehelichkeitsvermutung Geschäftsgrundlage der Unterhaltsverpflichtung waren, muß im vorliegenden Fall nicht näher untersucht werden, weil der Kläger durch die einvernehmliche Scheidung und die Einbringung der Ehelichkeitsbestreitungsklage die Änderung der Verhältnisse in seiner Sphäre bewirkt hat, sodaß er sich darauf nicht berufen könnte (Koziol-Welser10 I 134; JBl 1988, 723; JBl 1994, 260 ua).

Die angegriffenen Unterhaltstitel, die ihre materielle Berechtigung (auch) in der vom Kläger übernommenen vertraglichen Unterhaltspflicht hatten, konnten daher durch den Erfolg des Klägers im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß, der nur die gesetzliche Unterhaltspflicht beseitigt hat, nicht wegfallen. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.