JudikaturJustiz7Ob202/99b

7Ob202/99b – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia M*****, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Robert S*****, vertreten durch Dr. Roland Resch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. April 1999, GZ 40 R 115/99d-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 23. November 1998, GZ 9 C 1088/98x-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Vater des Beklagten Ing. Ernst S***** war Hauptmieter der Wohnung top Nr 3 im Haus der Klägerin ***** in W*****. Nach seinem Tod am 18. 5. 1998 kündigte die Klägerin (zunächst der Verlassenschaft - der Nachlaß wurde dem Beklagten am 2. 9. 1998 eingeantwortet) das Bestandverhältnis gerichtlich auf. Ernst S***** habe die Wohnung allein mit seiner Lebensgefährtin bewohnt. Eintrittsberechtigte Personen seien nicht vorhanden.

Der Beklagte wendete ein, sein Vater habe ihm, als sich herausgestellt habe, daß er Spitalspflege benötigte, am 11. 5. 1998 die Mietrechte an der Wohnung abgetreten. Er habe darin seit seiner Geburt ständig mit seinem Vater und seiner Mutter und nach deren Tod mit der Kusine seines Vaters, die diesen betreut habe, gewohnt.

Die Klägerin replizierte, der Vater des Beklagten habe die Wohnung bis zu seinem Tod nicht verlassen. Der Beklagte sei selbst dann nicht eintrittsberechtigt, wenn er im gemeinsamen Haushalt mit seinem Vater gewohnt habe, weil er eine leerstehende Wohnung besitze und er daher kein dringendes Wohnbedürfnis habe.

Dem erwiderte der Beklagte, daß die betreffende Wohnung unbenützbar sei.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Auf der Basis der von den Parteien vorgelegten Urkunden - die beantragten Zeugenbeweise und Parteienvernehmungen hielt es für entbehrlich - traf es Feststellungen, die sich - soweit ihre Wiedergabe zum besseren Verständnis notwendig erscheint - wie folgt zusammenfassen lassen:

Der Beklagte ist Eigentümer von zwei Wohnungen, von denen eine nicht vermietet ist und seit Jahren leersteht. Sein Vater wohnte bis zu seinem Tod in der aufgekündigten Wohnung. Mit Schreiben vom 11. 5. 1998 teilte er der Klägerin mit, daß er die Wohnung verlasse und sein Mietrecht dem Beklagten, der seit 23. 12. 1965 im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebe, gemäß § 12 Abs 2 MRG abtrete. Der Beklagte bestätigte in demselben Schreiben, daß er die Mietrechte übernehme. Mit Schreiben vom 19. 5. 1998 teilte er der Klägerin mit, daß sein Vater am 18. 5. 1998 verstorben sei und er gemäß § 14 Abs 3 MRG in den Mietvertrag eintrete und diesen fortsetze. Beide Erklärungen (also sowohl das Schreiben vom 11. 5. 1998, als auch das Schreiben vom 19. 5. 1998) übersendete der Beklagte am 19. 5. 1998 an die Klägerin.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, die Wirksamkeit einer Mietrechtsabtretung gemäß § 12 Abs 1 MRG setze voraus, daß der bisherige Hauptmieter die Wohnung verläßt. Da Ernst S***** die aufgekündigte Wohnung jedoch vor seinem Tod nicht verlassen habe, liege eine wirksame Mietrechtsabtretung gemäß § 12 MRG nicht vor. Hingegen sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG mangels eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten selbst dann verwirklicht, wenn er bis zum Tod seines Vaters mit diesem im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach der Tod des Hauptmieters vor Verlassen der Wohnung die Wirksamkeit der Mietrechtsübertragung im Sinne des § 12 Abs 1 MRG verhindere, könne in dieser undifferenzierten Form nicht übernommen werden. Im Sinne des § 12 Abs 1 MRG müsse zwar unzweifelhaft der Wille der Parteien nicht nur den Mietrechtsübergang, sondern auch das Verlassen der Wohnung durch den Hauptmieter und die alleinige Benützung durch den zurückbleibenden Angehörigen umfassen. Wenn aber eine sämtliche Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG umfassende Willensübereinstimmung zwischen Hauptmieter und Angehörigen vorliege, könne der Umstand, daß lediglich der tatsächliche Vorgang des Verlassens der Wohnung im Sinne eines Wegziehens durch den Tod des Hauptmieters schicksalshaft unterblieben sei, die Wirksamkeit der Mietrechtsübertragung nicht verhindern. In diesem Fall ersetze der Tod des Hauptmieters den tatsächlichen Vorgang des Verlassens im Sinne des Wegziehens. Das Erstgericht werde daher konkrete Feststellungen zum Umfang der Willensübereinstimmung zu treffen haben. Da die Aufhebung des Urteils bereits aus diesem Grunde unumgänglich sei, könne ein Eingehen auf die weiteren Berufungsausführungen unterbleiben.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Wirksamkeit der Mietrechtsübertragung bei Tod des Hauptmieters vor Verlassen der Wohnung nicht vorliege.

Der Rekurs, der die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für einen Mietrechtsübergang gemäß § 12 Abs 1 MRG sind, daß der bisherige Hauptmieter die Wohnung verläßt, ein naher Angehöriger, der eine gewisse Mindestzeit (beim Sohn des Hauptmieters zwei Jahre) mit dem bisherigen Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt (vgl dazu Würth/Inther aaO § 12 Rz 8 und § 14 Rz 15-17) gelebt hat, die Wohnung weiterbenützt und eine wenigstens konkludente Willensübereinstimmung zwischen Hauptmieter und zurückbleibendem Angehörigen über den Übergang der Mietrechte vorliegt (stRsp, vgl etwa SZ 62/200; WoBl 1996/43; RIS-Justiz RS0070988; EFSlg 49.243; Würth in Rummel2 § 12 MRG Rz 3 mwN). Anders als beim Eintritt naher Angehöriger im Todesfall nach § 14 Abs 3 MRG ist hingegen ein dringender Bedarf des eintretenden Mieters an der Wohnung nicht erforderlich (MietSlg 31.449; MietSlg 34.485; MietSlg 41.228; SZ 62/200; Würth/Zingher aaO § 12 MRG Rz 7). Bei der im § 12 Abs 1 und 2 MRG geregelten Abtretung der Hauptmietrechte an Wohnungen, die grundsätzlich an die vorangegangenen Regelungen des § 19 Abs 4 MG bzw § 19 Abs 2 Z 10 MG idF vor dem MRÄG anknüpft (vgl MietSlg 36.273; MietSlg 42.225 ua), handelt es sich nach hA um eine Vertragsübernahme, die allerdings (ausnahmsweise) ohne Einwilligung des Vertragspartners (= Vermieters) verwirklicht werden kann (Iro,

Die Übertragung des Mietrechts an Wohnungen, RZ 1983, 213; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 12 MRG Rz 4).

Grundbedingung für die - nach stRsp des Obersten Gerichtshofes mit

der Willenseinigung der Vertragspartner verbindlichen (SZ 63/63 =

EvBl 1990/144 = JBl 1990, 797 = MietSlg 42.223/17 = WoBl 1990/74;

MietSlg 49.244) - Mietrechtsabtretung nach § 12 Abs 1 MRG ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, daß der Hauptmieter die Wohnung verläßt, er also seine Mieterposition nicht übertragen kann, wenn er die Wohnung weiterhin benützt. Mit Iro (aaO) ist anzunehmen, daß dahinter wohl der Gedanke steht, daß im Falle der Weiterbenützung durch den Altmieter kein schützenswertes Bedürfnis nach einer Änderung in der Vertragsbeziehung besteht und diese Möglichkeit mißbräuchliche Verfügungen über die Wohnung erleichtern würde. Nur wenn der Hauptmieter die Wohnung verläßt, somit deren Benützung endgültig aufgibt (vgl EFSlg 41.229), ist eine Abtretung des Mietrechts an seine im gemeinsamen Haushalt lebenden, zurückbleibenden Angehörigen möglich.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage, wann die für den Übergang der Mietrechte maßgebliche Willenseinigung über die Abtretung zu erfolgen hat bzw erfolgen kann, bereits wiederholt ausgesprochen, daß für einen Mietrechtsübergang gemäß § 12 MRG zwar zum Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung durch den bisherigen Hauptmieter die Eintrittsvoraussetzungen beim nahen Angehörigen bestanden haben müssen, die Willensübereinstimmung über den Mietrechtsübergang aber zeitlich nicht mit dem Verlassen der Wohnung zusammenfallen muß, sondern auch dahin gehen kann, daß der Mietrechtsübergang erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten solle (vgl MietSlg 31.448; MietSlg 32.413; MietSlg 41.227; NZ 1990, 259; MietSlg 48.235 ua).

Hier konnte es aber um einen in zeitlicher Hinsicht konträren Fall gehen, nämlich daß der Hauptmieter, der seinen Wegzug beabsichtigt, sich mit seinem mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Angehörigen noch vor dem tatsächlichen Auszug über die Abtretung des Mietrechts einigt. Dies wurde auch im vorliegenden Fall vom Beklagten behauptet; sein Vater sei wegen seines Ablebens am 18. 5. 1998 nur nicht mehr dazu gekommen, die Wohnung (endgültig) zu verlassen (in seiner Berufung hat der Beklagte dazu erläuternd ausgeführt, sein Vater habe sich noch in Spitalsbehandlung begeben; danach sei die Aufnahme in ein Pflegeheim geplant gewesen; jedenfalls sei eine Weiterbenützung der gegenständlichen Wohnung aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr möglich gewesen).

Der Auffassung des Berufungsgerichtes, in einem solchen Fall ersetze der Tod des Hauptmieters dessen endgültiges Wegziehen, ist beizutreten. Es kann nach der klar zutageliegenden Intention des § 12 MRG, dem im gemeinsamen Haushalt mit dem Hauptmieter lebenden, zurückbleibenden nahen Angehörigen die Wohnung zu erhalten, keinen Unterschied machen, ob der Hauptmieter, wie beabsichtigt, aus der Wohnung wegzieht, oder sein Tod das endgültige Verlassen der Wohnung bedingt bzw kurzfristig vorwegnimmt. Der Meinung des Rekurswerbers, das Verlassen der Wohnung durch den Hauptmieter müsse "freiwillig" geschehen, ist insoweit zu widersprechen, als etwa auch ein durch schicksalshafte Umstände (etwa Pflegebedürftigkeit) erzwungenes Ausziehen ein "Verlassen" im Sinne des § 12 Abs 1 MRG bedeutet, wenn es sich nur um eine endgültige und nicht etwa bloß vorübergehende Maßnahme handelt.

Da die Wirksamkeit der gegenständlichen Mietrechtsabtretung demnach keineswegs schon im Hinblick auf das Ableben des Ing. Ernst S***** zu verneinen ist, wird das Erstgericht im Sinne des Aufhebungsbeschlusses der zweiten Instanz durch Aufnahme der dazu angebotenen Beweise das Vorliegen aller Voraussetzungen der vom Beklagten behaupteten Mietrechtsübernahme zu prüfen haben. Insbesondere wird, wie oben erläutert, zu untersuchen sein, ob Ernst S***** tatsächlich beabsichtigte, die gegenständliche Wohnung (endgültig) zu verlassen bzw zu einem endgültigen Verlassen der Wohnung aus gesundheitlichen Rücksichten gezwungen war.

Der Rekurs muß daher erfolglos bleiben.

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, daß die Frage eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten gemäß § 14 Abs 3 MRG, auf die das Berufungsgericht nicht mehr eingehen zu müssen glaubte, doch noch Relevanz gewinnen könnte; dann nämlich, wenn das Vorliegen aller Voraussetzungen einer Mietrechtsabtretung an den Beklagten mit Ausnahme des "Verlassens der Wohnung durch den Hauptmieter" bewiesen würde. Aus prozeßökonomischen Gründen erscheint es allerdings zweckmäßig, dem Berufungsgericht nicht sogleich aufzutragen, auf die betreffende Tatsachenrüge der Berufung einzugehen, sondern vorerst die Ergebnisse der vom Erstgericht im aufgezeigten Sinne vorzunehmenden Beweisaufnahmen abzuwarten.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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