JudikaturJustiz7Ob103/03b

7Ob103/03b – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernadette K*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr. Gerald Herzog, Dr. Manfred Angerer und Mag. Alexander Todor Kostic, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen EUR 6.976,59 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2002, GZ 3 R 307/02k 27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 28. Juni 2002, GZ 2 C 850/01f 19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 499,39 (hierin enthalten EUR 83,23 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14. 11. 2000 fuhr die Klägerin gegen 11.13 Uhr mit ihrem PKW mit einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h auf der Südautobahn A 2 Richtungsfahrbahn Graz von Klagenfurt Richtung Völkermarkt. Im Bereich des Straßenkilometers 290,4 beabsichtigte sie, ein vor ihr nur mit ca 100 km/h fahrendes Cabriolet mit nicht näher bekanntem italienischem Zulassungskennzeichen zu überholen. Da der Lenker dieses Fahrzeuges das beabsichtigte Überholmanöver der Klägerin übersah und ohne zu blinken plötzlich den Fahrstreifen wechselte, obwohl die Klägerin bereits mit der Front ihres Fahrzeuges auf Höhe des Kofferraumdeckels des Cabriolets aufgeschlossen hatte, konnte sie eine Kollision nur mehr durch Verreißen ihres Fahrzeuges nach links vermeiden, wodurch sie ins Schleudern geriet, ausbrach und schließlich gegen die dortige Straßenböschung prallte. Auch der italienische (nicht näher bekannte) Fahrzeuglenker verriss sein Fahrzeug nach rechts, ohne jedoch in der Folge seinerseits zu verunfallen. Eine Berührung der beiden Fahrzeuge fand nicht statt. Am Klagsfahrzeug entstand Totalschaden.

Mit der am 13. 4. 2001 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des beklagten Versicherungsverbandes aus dem Alleinverschulden des italienischen PKW Lenkers (den sie in der Klage auch unter Nennung seines Kennzeichens zunächst namentlich bezeichnet hatte) zur Bezahlung ihres Fahrzeugschadens samt weiterer Spesen und Kosten in der Gesamthöhe von S 96.000 (EUR 6.976,59) samt 4 % Zinsen seit 10. 12. 2000.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Der Unfall sei ohne Drittbeteiligung, insbesondere des in der Klage genannten italienischen Lenkers, zufolge Eigenverschuldens der Klägerin (Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit) erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass sich aus den Feststellungen nicht ableiten lasse, dass das Alleinverschulden am Unfall den in der Klage namentlich genannten italienischen Cabriolet Lenker treffe. Eine konkrete Zuordnung zum klagegegenständlichen italienischen Fahrzeug sei nicht möglich, sondern vielmehr von einem Unfall mit einem unbekannten italienischen (anderen) Fahrzeuglenker auszugehen. Nach dem Verkehrsopfergesetz könnten Sachschäden nicht geltend gemacht werden, sodass für einen Schadenersatzanspruch auch danach kein Raum bleibe.

Das Berufungsgericht gab der lediglich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung des Klagebetrages. Es sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es ging - abweichend vom Erstgericht - rechtlich (zusammengefasst) davon aus, dass es für die Haftung des beklagten Versicherungsverbandes nach § 62 Abs 1 KFG iVm dem Multilateralen Garantieabkommen (zu dessen Mitgliedern sowohl Österreich als auch Italien zählen) ausreiche, wenn bloß die Nationalität des am Unfall beteiligten gegnerischen Fahrzeuges feststehe, ohne dass hiefür auch dessen genaues ausländisches Kennzeichen bekannt sein müsse, wie dies der Oberste Gerichtshof bereits zu 2 Ob 139/98z ausgesprochen habe. Ein Unterlaufen der österreichischen Schadenersatznormen sei hiedurch nicht zu befürchten, weil ja auf Tatsachenebene feststehen müsse, dass dieses ausländische Fahrzeug (mit gewöhnlichem Standort in einem Vertragsstaat) kausal am Unfall mitbeteiligt gewesen sei; auch eine unvertretbare Aushöhlung des Verkehrsopfergesetzes sei hierin nicht zu erblicken, weil bei Unfällen (wenn eine zivilrechtlich haftpflichtige Person nicht ermittelt werden könne) Sachschäden ohnedies nicht gedeckt seien.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil die Frage, ob allein die Kenntnis der Nationalität des beteiligten Fahrzeuges zur Begründung der Haftung des Versicherungsverbandes ausreiche, nach dem Gesetz und den Multilateralen Verträgen nicht eindeutig zu lösen sei und eine gesicherte Rechtsprechung hiezu fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels das klageabweisliche Ersturteil wieder herzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage), in eventu diesem keine Folge zu geben beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Aufgrund der rasch zunehmenden grenzüberschreitenden Mobilität des Güter und Personenverkehrs verfolgten - ausgehend von einer UN Empfehlung bereits im Jahre 1949 die Staaten Europas schon in den 50er Jahren eine Harmonisierung ihrer Haftpflichtversicherungsrechte für Kraftfahrzeuge zunächst durch privatrechtliche Vereinbarungen ihrer nationalen KFZ Haftpflichtversicherer im Rahmen des sog "Systems der Grünen Karte", später mit der Zunahme obligatorischer KFZ Haftpflichtversicherungen in den teilnehmenden Staaten durch sog Multilaterale Abkommen samt entsprechenden Richtlinien im Rahmen des EG KFZ Versicherungsrechtes (ausführlich Rudisch , Europäisches KFZ Haftpflichtversicherungsrecht: Grundlagen, Bestand und aktuelle Entwicklungen, ZVR 1998, 219 ff; Schmitt/Schomaker , Das Londoner Muster Abkommen [1993], 11 ff sowie Pamer , Neues Recht der Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen im Ausland [2003], 3 ff). Für den vorliegenden Fall kommt zunächst das gemäß den Grundsätzen von Art 2 Abs 2 der Richtlinie (RL) 72/166/EWG geschlossene und sowohl von Italien (Unterzeichnerbüro: Ufficio Centrale Italiano U.C.I.) als auch von Österreich (Unterzeichnerbüro: die hier beklagte Partei) in Madrid unterfertigte Multilaterale Garantieabkommen zwischen den nationalen Versicherungsbüros vom 15. 3. 1991, kundgemacht in ABl EG Nr L 177, S. 27 vom 5. 7. 1991 (im Folgenden kurz: Abkommen; abgedruckt auch in Feyock/Jacobsen/Lemor , Kraftfahrversicherung [2002], 1300 ff; Grubmann , Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung [1995], 199 ff; Schmitt/Schomaker , aaO 113 ff) zur Anwendung (siehe hiezu auch Entscheidung der Kommission vom 30. 5. 1991 zur Durchführung der RL 72/166/EWG des Rates betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht [im Folgenden kurz: 1. KH RL], 91/323/EWG, kundgemacht in ABl Nr L 177 vom 5. 7. 1991, S. 25). Dieses Abkommen bildet insoweit auch die Grundlage für die Verwendungsvoraussetzung von Kraftfahrzeugen (und Anhängern) mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen im Inland mit öffentlichem Verkehr nach § 62 Abs 1 KFG. Nach Art 3 lit a des Abkommens hat das Behandelnde Büro (di nach Art 2 lit f das in seinem eigenen Gebiet für die Bearbeitung und Regulierung eines Anspruches, der aus einem Unfall herrührt, der durch ein Fahrzeug mit gewöhnlichem Standort in dem Gebiet eines anderen Unterzeichnerbüros herbeigeführt wurde, in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Abkommens und seinen nationalen Rechtsvorschriften verantwortliche Büro), sobald es von einem Unfall Kenntnis erhält, an dem ein Fahrzeug mit gewöhnlichem Standort im Gebiet eines anderen Unterzeichnerbüros beteiligt war, ohne einen formellen Anspruch abzuwarten, zu beginnen, die Umstände des Unfalles im Hinblick auf die Behandlung des Anspruches zu untersuchen, sodann dem Zahlenden Büro (das die Verantwortung für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber dem Behandelnden Büro in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Abkommens übernommen hat: Art 2 lit g) jeden förmlichen Anspruch unverzüglich mitzuteilen und schließlich (nach Art 3 lit b) alle gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren zu übernehmen, die die Bezahlung von Entschädigungen aufgrund des Unfalles beinhalten können, und jeden Anspruch zu regulieren. Wenn das Behandelnde Büro einen (solchen) Anspruch erledigt hat, ist es berechtigt, auf Verlangen und nach Nachweis der Zahlung vom Zahlenden Büro gemäß den in Art 5 näher umschriebenen Modalitäten Rückersatz zu verlangen (s hiezu allgemein auch Reisinger in Fucik/Hartl/Schlosser , Handbuch des Verkehrsunfalls III [1999] Rz 90 ff).

Der im Abkommen mehrfach verwendete Begriff eines "Fahrzeuges mit gewöhnlichen Standort im Gebiet eines anderen Unterzeichnerbüros" wird in diesem nicht näher umschrieben. Allerdings findet sich in einem Protokoll betreffend Auslegung von Art 2 des Zusatzabkommens zwischen nationalen Büros bereits vom 12. 12. 1973 (kurz: Luxemburger Protokoll vom 19. 7. 1977, abgedruckt in Feyock ua, aaO 1316 ff sowie Schmitt/Schomaker , aaO 129 ff) eine Definition dahingehend, dass die unterzeichnenden Büros "in Anbetracht gewisser Interpretationsschwierigkeiten" diesen Begriff im Verhältnis untereinander wie folgt auszulegen übereinkamen: (Art I) "Als 'gewöhnlicher Standort' eines Kraftfahrzeuges im Sinne des Zusatzabkommens vom 12. 12. 1973 wird das Gebiet betrachtet, in dem es zugelassen worden ist und dessen amtliche Kennzeichen das Fahrzeug trägt." Diesem Luxemburger Protokoll war wohl der hier beklagte österreichische Versicherungsverband, nicht aber das italienische Büro beigetreten ( Feyock ua, aaO 1318; Schmitt/Schomaker , aaO 22); dies gilt auch für das Nachfolgeratifikationsabkommen der Unterzeichner des Luxemburger Protokolls vom 21. 11. 1991 in Budapest, in welchem die Definition des Begriffes "gewöhnlicher Standort" fortgeschrieben wurde (abgedruckt in Feyock ua aaO 1321). Dass dieses Protokoll daher zwischen den hier verfahrensbeteiligten Staaten bzw Versicherungsbüros wie in der Revision behauptet in Geltung stehe, trifft demnach nicht zu. Diesem Umstand jedoch kommt schon deshalb keine streitentscheidende Bedeutung zu, weil der Begriff "Gebiet, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat", ja auch in Art I Z 4 der bereits erwähnten (und unstrittig auch für Italien rechtsverbindlichen) 1. KH RL (abgedruckt auch in Feyock ua, aaO 1082 ff) ebenfalls als Gebiet des Staates umschrieben ist, "in dem das Fahrzeug zugelassen ist."

Zweck aller dieser auf einheitliche KFZ Haftpflichtvorschriften ausgerichteten Vertrags und Rechtsakte war und ist es, den bei Verkehrsunfällen mit ausländischen Kraftfahrzeugen Geschädigten unabhängig davon, in welchem Land der Gemeinschaft sich der Unfall ereignet, eine vergleichbare Behandlung bei der Schadensregulierung zu ermöglichen und damit den Schutz der Versicherten und der Unfallgeschädigten zu verbessern (vgl Präambel zur 3. KH RL des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung, 90/232/EWG, vom 14. 5. 1990, ABl EG Nr L 129 S. 33 vom 19. 5. 1990, abgedruckt auch in Feyock ua, aaO 1094 ff; weiters auch 2 Ob 4/93, SZ 67/28 = ZVR 1995/29 zum Schutzzweck des § 62 KFG im Falle der Haftung des Versicherungsverbandes auch bei widmungswidriger Verwendung eines amtlichen Kennzeichens [RIS Justiz RS0065763]), wobei sich die Versicherungspflicht keineswegs nur auf Personenschäden beschränkt, sondern sich auch auf Sachschäden erstreckt (Präambel bereits zur 2. KH RL des Rates betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung, 84/5/EWG vom 30. 12. 1983, ABl EG L 8 S. 17 vom 11. 1. 1984, sowie Abs 8, 20 und 26 der Präambel der vorerst letzten, 4. RL 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 5. 2000, ABl Nr L 181, S. 65, beide RL abgedruckt wiederum in Feyock ua, aaO 1088 ff und 1098 ff sowie Pamer , aaO S 89 ff); nach Art I Abs 2 der zuletzt genannten (4.) RL wird erneut auf Unfälle abgestellt, die von einem Fahrzeug verursacht wurden, das (lit a) bei einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Wohnsitzstaat des Geschädigten versichert ist, und (lit b) seinen gewöhnlichen Standort in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Wohnsitzstaat des Geschädigten hat.

In Art 7 derselben RL ist nun überdies auch eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass das (schädigende) Fahrzeug nicht ermittelt werden kann, getroffen worden: In einem solchen Fall kann der Geschädigte eine Entschädigung bei der Entschädigungsstelle im Wohnsitzmitgliedsstaat gemäß Art I der (2.) RL 84/5/EWG beantragen, welche sodann ihrerseits nach den im Folgenden näher geregelten Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegen den Garantiefonds in dem Mitgliedsstaat, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat, geltend machen kann. Entsprechend der in Art 10 leg cit verankerten Umsetzungspflicht der Mitgliedsstaaten hat Österreich die Vorschriften der 4. Richtlinie fristgerecht durch das Bundesgesetz BGBl I 2002/11 innerstaatlich umgesetzt (hiezu auch ausführlich RV 782 BlgNR 21.GP und Bericht des Finanzausschusses 862 BlgNR 21. GP). Die konkret im Verkehrsopfergesetz (Art V der Novelle) maßgeblich verankerten Änderungen finden auf den vorliegenden Fall dabei freilich keine Anwendung, weil sie einerseits nach den Übergangsbestimmungen nur auf Schadensfälle anzuwenden sind, die nach dem 18. 1. 2003 eintraten (§ 9 Abs 6 VerkehrsopferG), und andererseits nach dem Wortlaut schon der Richtlinie (Art 1 Abs 1) nur solche Unfälle, hinsichtlich derer die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer erleichtert und dem Unfallopfer Schwierigkeiten so weit wie möglich abgenommen werden sollen (RV aaO 9), erfasst werden, die eine (inländische) Person im Ausland durch ein Kraftfahrzeug erlitten hat (wohingegen sich der Unfall der österreichischen Klägerin ja im Inland ereignete).

Trotzdem schlägt dieser fehlende zeitliche wie räumliche Geltungsbereich auch hier nicht zu Lasten der Klägerin aus. Der Grundgedanke einer wesentlichen Vereinfachung und Erleichterung der Durchsetzung von Ersatzansprüchen bei Straßenverkehrsunfällen mit Auslandsberührung war und ist nämlich die maßgebliche ratio aller chronologisch aufgelisteten zwischenstaatlichen Rechtsakte. Schon in der weiter oben bereits zitierten 3. KH RL 90/232/EWG vom 14. 5. 1990 war es als gemeinsames Ziel ausdrücklich verankert worden, "den bei Kraftfahrzeug Verkehrsunfällen Geschädigten unabhängig davon, in welchem Land der Gemeinschaft sich der Unfall ereignet", eine rasche und grenz bzw länderübergreifende vergleichbare Behandlung zu garantieren und zukommen zu lassen. Nach Auffassung des erkennenden Senates wäre es nun ein eklatanter Wertungswiderspruch (und eine geradezu Verkehrung dieser teleologischen Zielrichtungen), in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem ausdrücklich feststeht, dass der Unfall durch ein ausländisches Kraftfahrzeug verursacht wurde und überdies die herkunftsmäßige Identität dieses den Schaden in Österreich verursachenden ausländischen Fahrzeuges ebenfalls erwiesen ist, bloß an der fehlenden Vollständigkeit dessen Kennzeichens scheitern zu lassen. Die durch die nicht vollständige Ermittlung des ausländischen Kennzeichens und damit des tatsächlichen Schädigers verbleibende Unsicherheit geht demnach in einem Fall wie dem vorliegenden gleichermaßen zu Lasten des jeweils haftungsmäßig betroffenen nationalen Versicherungsbüros in deren wechselseitigem Innen verhältnis und steht somit der (direkten) Geltendmachung solcher Schadenersatzansprüche durch Klage des Geschädigten gegen das nationale Versicherungsbüro in seinem Wohnsitzstaat nicht entgegen. Die Erwägungsgründe, welche zur erleichterten Geltendmachung von Ersatzansprüchen in derartigen Fällen nunmehr durch die 4. KH RL geführt haben, schlagen daher auch auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden durch, um so nicht die Erwägungsgründe, welche zur seit Jahrzehnten sukzessive ausgeweiteten Erleichterung der Geltendmachung von derartigen Ersatzansprüchen geführt haben, und deren Regulierung ja auch in einem Fall wie dem hier zur Beurteilung anstehenden durch die maßgeblichen Bestimmungen bereits vor der 4. KH RL keineswegs ausgeschlossen war, zu konterkarieren.

Die beklagte Partei hat daher ihren (der Höhe nach ohnedies unstrittigen) abkommens und richtlinienmäßigen Verpflichtungen nachzukommen. Da nach den Feststellungen des Erstgerichtes, welche von der beklagten Partei im Berufungsverfahren gar nicht bekämpft wurden, sondern vielmehr sogar einleitend ihres Berufungsschriftsatzes ausdrücklich als richtig bezeichnet worden waren, fest steht, dass nicht nur ein Fahrzeug mit einem Zulassungsstandort in Italien beteiligt war, sondern vielmehr dieses auch unfallauslösend und dessen Lenker unfallverschuldend war, ist damit auch wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt - der Befürchtung der Boden entzogen, dass (auf Tatebene) der "Kausalitätsbeweis hinsichtlich dieses Fahrzeuges zur Begründung einer deliktischen Haftung nicht lückenlos erbracht" worden sei. Da nach dem bereits mehrfach betonten - Zweck aller maßgeblichen Garantieabkommen und europarechtlichen Akte im Falle eines Unfalles mit einem ausländischen Fahrzeug ein Haftpflichtiger für ein aus einem Vertragsstaat einreisendes Fahrzeug geschaffen werden soll(te), kommt es wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 139/98z (RIS Justiz RS0112505) ausgeführt hat auch hier nicht darauf an, ob das gesamte Kennzeichen des einreisenden (unfallbeteiligten) Fahrzeuges bekannt war oder nicht. An dieser Rechtsprechung ist daher festzuhalten.

Daraus folgt aber, dass der geltend gemachte Schadenersatzbetrag der Klägerin vom Berufungsgericht in Abänderung des ihr Begehren abweisenden Ersturteiles zutreffend zuerkannt wurde. Damit wird - entgegen der Argumentation der Revisionswerberin auch nicht das Verkehrsopfergesetz (BGBl 1977/322 idgF) "umgangen bzw der Sinn dieses Gesetzes unzulässig ausgehöhlt", weil eben anders als nach den dortigen Anspruchsvoraussetzungen (§ 2) durch den erbrachten Nachweis, dass der schuldtragende Kfz Lenker aus einem Mitgliedsstaat kommt, eine zivilrechtlich haftpflichtige Person (in der Gestalt des jeweiligen nationalen Versicherungsbüros, hier der beklagten Partei) gerade feststeht und damit in Fällen wie dem vorliegenden ein für ihn Haftpflichtiger auch ermittelbar ist. Nur wenn der schuldtragende KFZ Lenker überhaupt nicht und damit auch nicht sein Herkunftsland ermittelt werden kann und somit auch keine Ansprüche aus einer KFZ Haftpflichtversicherung vom Geschädigten (Verkehrsopfer) erhoben werden können (7 Ob 2030/96x, ZVR 1997/20), fände dieses Gesetz allenfalls Anwendung (auf die neuen Ansprüche im Rahmen der Umsetzung der 4. KH RL durch die neuen §§ 2b und 2c idF BGBl I 2002/11 ist aus den bereits weiter oben genannten Gründen hier nicht weiter einzugehen). Im Übrigen sind Ansprüche nach dem Verkehrsopfergesetz auch nicht gegen den (hier beklagten) Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, sondern gegen den (von diesem als Rechtssubjekt verschiedenen: vgl 7 Ob 241/98m) Fachverband der Versicherungsunternehmen (§ 1 Abs 3a und 4 leg cit) zu richten.

Der Revision war daher aus allen diesen Erwägungen keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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