JudikaturJustiz7Ob100/68

7Ob100/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 1968

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Berger, Dr. Pichler, Dr. Schopf und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma „B*****", ***** Co., *****, vertreten durch Dr. Otto Reisch, Rechtsanwalt in Graz, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Stadtgemeinde G*****, vertreten durch Dr. Ilse Grossauer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rudolf L*****, vertreten durch Dr. Hugo Tausk, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufhebung und Unwirksamkeitserklärung eines Schiedsspruches (Streitwert S 83.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 9. Februar 1968, GZ 3 R 27/68-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Oktober 1967, GZ 3 C 506/67-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.724,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Infolge Änderung des Bestandgegenstandes vereinbarte die Klägerin als Pächterin des Bades „Z*****" mit dem Beklagten als Inhaber eines Friesiersalons am 3. Juni 1957, dass der vom Beklagten zu leistende Bestandzins mit Wirkung von dem auf die Fertigstellung der Arbeiten zur Verlegung des Geschäftslokals folgenden Monatsersten dergestalt neu festgesetzt werde, dass der nach den gesetzlichen Bestimmungen und nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen angemessene Bestandzins unter Berücksichtigung der dem Beklagten zukommenden Leistungen an Kalt- und Heißwasser sowie an Heizung von der Mietzinsprüfstelle der Stadtgemeinde G***** errechnet werde. Sollte einer der Vertragsteile mit dieser Bestandzinsverrechnung nicht einverstanden sein, dann solle der vom Beklagten zu leistende Bestandzins unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsmittels durch ein dreigliedriges Schiedsgericht bestimmt werden. Da das Schlichtungsamt der Stadtgemeinde G***** den Bestandzins nicht errechnen konnte, wurde das vertraglich vorgesehene Schiedsgericht angerufen und konstituiert. Dieses entschied in seiner Sitzung vom 17. 5. 1966, dass der vom Beklagten zu entrichtende Bestandzins ab September 1961 mit monatlich S 900 festgesetzt wird. Das weitere Begehren auf Festsetzung eines Pauschalbetrages für die Überlassung von Warm- und Kaltwasser sowie der Dampfheizung im monatlichen Betrag von S 560 wies das Schiedsgericht ab. Es bestimmte die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens mit S 5.000. Nach Richtigstellung dieses Spruches wurde eine zusammenfassende Entscheidung am 28. 6. 1966 zugestellt.

Mit der Behauptung, das Schiedsgericht habe die Grenzen seiner Aufgabe überschritten, der Schiedsspruch verstoße daher gegen § 595 Z 5 ZPO, beantragt die Klägerin die Aufhebung und Unwirksamerklärung der Schiedssprüche.

Der Erstrichter wies die „Klage" als materiell nicht gerechtfertigt mit Urteil als „unzulässig" zurück.

Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht dieses Urteil mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen werde. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes S 15.000 übersteigt. Das Vorliegen der gerügten Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens verneinte das Berufungsgericht. In rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes billigte es die Rechtsansicht des Erstrichters, dass kein echter Schiedsvertrag vorliege, sondern ein Schiedsgutachtervertrag, da die Schiedsrichter nicht einen Schiedsspruch zu fällen, sondern ein Gutachten über einen angemessenen Bestandzins abzugehen hatten. Nach § 595 ZPO könne jedoch nur die Entscheidung eines Schiedsgerichtes angefochten werden, nicht aber ein Schiedsgutachten.

Dieses Urteil bekämpft die Klägerin mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde oder es mit der Einschränkung abzuändern, dass die „angefochtenen Entscheidungen des Schiedsgerichtes als Schiedsgerichtsurteile im Sinne der § 577 ZPO unwirksam und aufzuheben" seien, allenfalls das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Der Schwerpunkt der Revision liegt in der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes. Es wird daher auf diesen Revisionsgrund zuerst eingegangen.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen über den Unterschied zwischen den Aufgaben des Schiedsgerichtes und einer Schiedsgutachtertätigkeit von Schiedsmännern entspricht der Lehre und der Judikatur. Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsansicht abzuweichen. Den Darlegungen des angefochtenen Urteils ist im Hinblick auf die Ausführung der Revision nur noch Folgendes hinzuzufügen.

Darauf, dass die Bekämpfung eines Schiedsspruches nach § 596 ZPO nur dann erfolgen kann, wenn ein Schiedsgericht entschieden hat, dass aber auf Schiedsgutachter und ihre Tätigkeit die Bestimmungen der ZPO keine Anwendung finden, haben die Vorinstanzen zutreffend verwiesen. Die Klägerin meint nun, dass ihr Urteilsantrag auf Aufhebung und Unwirksamerklärung der Entscheidungen des Schiedsgerichtes als Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsgutachtens im Sinne des § 228 ZPO zu werten gewesen wäre. Gegenüber dem Begehren auf Aufhebung und Unwirksamerklärung der Schiedsgerichtsentscheidungen wäre dies nicht ein aliud, sondern ein minus gewesen.

Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Klagsgegenstand („Aufhebung und Unwirksamerklärung eines Schiedsspruches"), die Behauptung in der Klagserzählung, die Schiedssprüche seien infolge eines Verstoßes gegen § 595 Z 5 ZPO unwirksam sowie das Begehren auf Aufhebung und Unwirksamerklärung der Entscheidungen des Schiedsgerichtes rechtfertigen die Beurteilung der Klage durch die Vorinstanzen, dass es sich um die Anfechtung von Schiedssprüchen nach § 595 ZPO handle und nicht um ein Begehren auf Feststellung, dass das von den Schiedsgutachtern erstattete Gutachten nicht bindend sei. Die Ansicht der Klägerin, das Begehren einer derartigen Feststellung sei gegenüber der Anfechtung eines Schiedsspruches als unwirksam ein Minus, kann nicht gefolgt werden, weil es sich hiebei um zwei vom Grunde aus verschiedene Ansprüche handelt. Im Wege der Anfechtung eines Schiedsspruches als unwirksam soll eine Entscheidung des Schiedsgerichtes beseitigt werden; durch die Tätigkeit der Schiedsgutachter sollte aber im vorliegenden Fall nicht über einen Rechtsstreit entschieden, sondern nur die Höhe einer, von einem der Vertragsteile zu erbringenden Leistung festgestellt werden. Es liegt sohin überhaupt keine anfechtbare Entscheidung vor. Das Gutachten der Schiedsgutachter ist wohl dann nicht verbindlich, wenn es offenbar dem von den Parteien gewollten Feststellungszweck widerspricht oder wenn die Schiedsmänner ihre Aufgabe überschritten haben (vgl RiZ 1961 S 14, 3 Ob 5/58, 8 Ob 101/66). Die Unverbindlichkeit dieses Gutachtens kann aber nicht mit Klage nach § 596 ZPO geltend gemacht werden. Die Partei, die die Ansicht der Unverbindlichkeit des Gutachtens vertritt, kann vielmehr ihren Anspruch ohne Rücksicht auf das Gutachten geltend machen. Die Klägerin hatte daher die Möglichkeit, vom Beklagten einen angemessenen Mietzins im Wege einer Leistungsklage zu begehren. Dass in einem derartigen Prozess allenfalls die Frage zu prüfen gewesen wäre, ob ein Schiedsspruch oder ein Schiedsgutachten vorliegt, bzw ob dieses Gutachten die Parteien binde, rechtfertigt nicht den Standpunkt der Klägerin, die auf § 595 ZPO gestützte Klage sei als Klage auf Feststellung der Unverbindlichkeit eines Schiedsgutachtens zu werten. Dazu kommt, dass es zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO der Behauptung eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung der mangelnden Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens bedurft hätte. Dieses Interesse ist zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich und das Feststellungsinteresse nicht weitreichender wäre als jenes auf Leistung. Eine Behauptung über ein, das Leistungsbegehren übersteigendes Interesse an einer alsbaldigen Feststellung, hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt.

Die Vorinstanzen haben sohin den von ihnen festgestellten Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt.

Das Verfahren vor dem Berufungsgericht ist auch nicht mangelhaft geblieben. Die Klägerin wurde nicht durch eine von völlig neuen Gesichtspunkten ausgehende rechtliche Beurteilung „überrascht", das Berufungsgericht hat vielmehr die Rechtsansicht des Erstrichters geprüft und für richtig befunden. Zu dieser Rechtsansicht Stellung zu nehmen, hatte jedoch die Klägerin Gelegenheit in ihrer Berufung. Wieso das Verfahren vor dem Berufungsgericht dadurch mangelhaft geblieben sein soll, dass der Erstrichter, ohne einen Beweisbeschluss zu fassen, Feststellungen aus dem angeschlossenen Schiedsakt vornah, ist unerfindlich. Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit nach § 503 Z 2 ZPO können nämlich nur Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden.

Es liegt sohin keiner der geltend gemachten Revisionsgründe vor. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Ein Streitgenossenzuschlag war jedoch nicht zuzuerkennen, weil sich der Nebenintervenient auf Seite der Klägerin am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt hat.