JudikaturJustiz7Nc30/22d

7Nc30/22d – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Weber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. J* M*, und 2. L* M*, AZ 23 Pu * des Bezirksgerichts Josefstadt, infolge Vorlage zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 24. Oktober 2022, GZ 23 Pu * 57, ausgesprochene Teilübertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache (Pu Akt) an das Bezirksgericht Feldkirch wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

[1] Das Bezirksgericht Josefstadt übertrug mit Beschluss vom 24. Oktober 2022 die Pflegschaftssache gemäß § 111 JN teilweise (Unterhaltsakt) an das Bezirksgericht Feldkirch , weil sich die Minderjährigen nunmehr ständig in dessen Sprengel aufh ielten . Das Bezirksgericht Feldkirch lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit Beschluss vom 8 . November 2022 wegen des anhängigen Obsorge und Kontaktrechtsverfahrens ab und stellte den Akt dem Bezirksgericht Josefstadt zurück. Dieses stellte den Übertragungsbeschluss den Parteien zu, und legte den Akt nach Rechtskraft dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Übertragung ist nicht zu genehmigen.

[3] 1. Wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder einer sonst schutzberechtigten Person gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium für die Zuständigkeitsübertragung nach dieser Gesetzesstelle ist das Kindeswohl (RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am Besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RS0047300).

[4] 2. § 111 Abs 1 JN sieht ausdrücklich vor, dass die Pflegschaftssache auch nur zum Teil an ein anderes Gericht übertragen werden kann. Mag es daher wegen der Eigenständigkeit der in einem gemeinschaftlichen Pflegschaftsakt zusammengefassten Verfahren (Ps, Pu, Pg; vgl § 142 AußStrG) grundsätzlich zulässig sein, nur einzelne der gemeinschaftlichen Akten an ein anderes Gericht zu übertragen, wird es im Allgemeinen doch im Interesse des Kindeswohls liegen und zweckmäßig sein, wenn für die Entscheidung über mehrere offene Anträge in diesen Verfahren ein und dasselbe Pflegschaftsgericht zuständig ist (2 Nc 6/11x; 2 Nc 1/15t; Gitschthaler in Gitschthaler/ Höllwerth , AußStrG² § 111 JN Rz 23).

[5] 3. Im vorliegenden Fall leben die Minderjährigen zwar seit September 2022 bei der Mutter in Feldkirch. Allerdings ist nach wie vor ein Obsorge und Kontaktrechtsverfahren anhängig, wobei das vorrangige Ziel des Vaters die Rückführung der Kinder nach Wien ist [vgl Protokoll ON 88, PS 2 im Ps Akt]. Die Minderjährigen haben überdies den Wunsch, wieder nach Wien zu übersiedeln, sowohl gegenüber der gerichtlichen Sachverständigen als auch im Wege des Kinderbeistands gegenüber dem Gericht artikuliert [vgl Gutachten ON 93, S 144 f und Schreiben ON 101 im Ps Akt]. Auch die Mutter teilte dem Pflegschaftsgericht mit, sie akzeptiere diesen Wunsch und sei unter gewissen Voraussetzungen bereit, den Minderjährigen den Umzug nach Wien zu ermöglichen [ON 103, S 3 im Ps Akt]. Im vorliegenden Fall steht daher noch keineswegs fest, dass sich der Lebensmittelpunkt der Minderjährigen in Zukunft im Sprengel des Gerichts, an das die Zuständigkeit übertragen wurde, befinden wird. Da somit die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN nicht vorliegen, ist sie nicht zu genehmigen.

Rechtssätze
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