JudikaturJustiz6Ob78/97g

6Ob78/97g – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Rudolf B*****, vertreten durch Dr.Gerhard Semotan, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Linda B*****, wegen 53.000 US-Dollar (556.500 öS), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18. November 1996, GZ 14 R 213/96p-6, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9.September 1996, GZ 25 Cg 201/96d-2, berichtigt mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.September 1996, GZ 25 Cg 201/96d-3, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit seiner am 14.8.1996 eingebrachten Klage begehrt der Kläger 50 % des Erlöses, den die Beklagte für die Veräußerung eines Hauses in den USA erzielt habe. Er sei mit der Beklagten verheiratet, ihr letzter gemeinsamer Aufenthalt habe sich in den USA befunden. Die Beklagte habe das im Miteigentum beider Ehegatten stehende Haus verkauft und den gesamten Erlös nach England mitgenommen.

Zur Begründung der Zuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS Wien berief sich der Kläger auf den Gerichtsstand des Vermögens. Er habe der Beklagten aufgrund eines gerichtlichen Unterhaltsvergleiches monatlich 20.000 S zu zahlen. Dieser Anspruch sei nach § 58 Abs 1 JN mit 720.000 S zu bewerten.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung, es handle sich um eine Streitigkeit aus dem Eheverhältnis, a limine zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Wenngleich der Klageanspruch nicht auf dem Eheverhältnis, sondern auf früherem gemeinsamen Miteigentum beruhe, sodaß die Zuständigkeit nach § 49 Abs 2 Z 2 lit c JN ausscheide, fehle es an der Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit. Nach den Angaben in der Klage sei wohl der Gerichtsstand nach § 99 JN gegeben, ausreichende, die inländische Gerichtsbarkeit begründende Anknüpfungspunkte fehlten jedoch. Wohnsitz des Klägers und Gerichtsstand des Vermögens allein könnten eine ausreichende Inlandsbeziehung nicht herstellen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beurteilung der inländischen Gerichtsbarkeit stelle im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage dar.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber macht geltend, die von der Rechtsprechung im Falle eines Vermögensgerichtsstandes geforderte zusätzliche Inlandsbeziehung werde durch die österreichische Staatsbürgerschaft des Klägers und seinen Wohnsitz hergestellt.

Es ist zwar richtig, daß Tatsachen und Beweismittel, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Umstände, wie Prozeßvoraussetzungen, betreffen, nicht dem Neuerungsverbot unterliegen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 482; Böhm zu JBl 1988, 386 [389]; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1731). Gemäß § 42 Abs 1 JN ist jedoch nur auf jene Tatsachen von Amts wegen Bedacht zu nehmen, aus denen der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit hervorgeht. Für das (positive) Vorliegen dieser Prozeßvoraussetzung fehlt hingegen eine entsprechende Vorschrift, weshalb Tatsachen, die im Rekurs gegen eine a limine-Zurückweisung der Klage zum Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit vorgebracht werden, dem Neuerungsverbot unterliegen (RZ 1996/25). Das ergänzende Vorbringen im Revisionsrekurs verletzt somit das Neuerungsverbot.

Auf das am 16.8.1996 eingeleitete Verfahren ist das Lugano-Übereinkommen, das für Österreich erst mit 1.9.1996 in Kraft getreten ist, nicht anzuwenden (Art 54 Abs 1 LGVÜ; Lechner/Mayr, Das Übereinkommen von Lugano 37).

Nach § 99 Abs 1 JN kann gegen Personen, die - wie die Beklagte - im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei jedem Gericht eine Klage eingebracht werden, in dessen Sprengel sich Vermögen dieser Personen befindet. Der Wert des im Inland befindlichen Vermögens darf jedoch nicht unverhältnismäßig geringer sein als der Wert des Streitgegenstandes. Vermögen im Sinn des § 99 Abs 1 JN sind Güter, die der beklagten Partei eine Verfügungsmacht gewähren, somit alle wirtschaftlich verwertbaren Güter und Rechte, zu denen auch Forderungen zählen (RdW 1993, 111; SZ 51/155; ZfRV 1996/25, Mayr in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 99 JN; Fasching, LB2 Rz 311). Aus § 99 Abs 2 JN, wonach bei Forderungen der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt des Drittschuldners als der Ort gilt, an welchem sich das Vermögen befindet, ergibt sich eindeutig, daß auch Forderungen der beklagten Partei zu ihrem Vermögen zählen.

Auch eine gegen den Kläger selbst bestehende Forderung der Beklagten kann - sofern der Kläger - wie hier - ihren Bestand nicht bestreitet - den Vermögensgerichtsstand begründen (ZfRV 1996/25 und 77).

Die inländische Gerichtsbarkeit im Sinn der inländischen Zuständigkeit ist eine selbständige allgemeine Prozeßvoraussetzung, deren Vorliegen primär (SZ 62/101; ecolex 1995, 887) und unabhängig von der Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist. Sie besteht nach herrschender Lehre und Rechtsprechung für alle Zivilrechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, völkerrechtliche Regelungen oder zufolge eines durch die inländische Verfahrensordnung anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland - zB einen inländischen Gerichtsstand - vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind (ZfRV 1996/46 und 198).

Liegt jedoch ein inländischer Gerichtsstand ohne hinreichende Nahebeziehung zum Inland vor, ist die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen (EvBl 1994/154; JBl 1994, 343; ZfRV 1994/46; ZfRV 1995/26, RdW 1996, 63; Mayr aaO Rz 4 zu § 28 JN).

Vermögen im Sinn des § 99 Abs 1 JN begründet die inländische Gerichtsbarkeit nur unter der Voraussetzung einer zusätzlichen berücksichtigungswürdigen Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien (EvBl 1993/93; EvBl 1995/145; Mayr aaO Rz 10 zu § 99 JN). Diese kann in einer Ortsgebundenheit der Parteien oder einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes gelegen sein und ist im gegenständlichen Fall zu bejahen. Der Wohnsitz des Klägers in Österreich schafft die geforderte Nahebeziehung, zumal die Streitteile noch verheiratet sind und sowohl das Ehescheidungsverfahren als auch das Pflegschaftsverfahren in Österreich anhängig sind und die geltend gemachte Forderung in einem allfälligen Aufteilungsverfahren relevant sein könnte. Der Gesetzgeber wollte es ja durch den Gerichtsstand des Vermögens insbesondere Inländern ermöglichen, andere Personen, für die zwar die inländische Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen ist, die aber im Inland weder einen allgemeinen noch einen besonderen Gerichtsstand haben, im Inland zu klagen (Fasching, Lehrbuch2 Rz 310; RdW 1993, 111; EvBl 1995/145 ZfRV 1996/25). Die zusätzliche Nahebeziehung reicht im vorliegenden Fall aus, die inländische Gerichtsbarkeit zu begründen.

Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben; dem Erstgericht ist die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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