JudikaturJustiz6Ob742/89

6Ob742/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 15. April 1988 verstorbenen Augusta E***, zuletzt in Wies 1, 4083 Haibach, wohnhaft gewesen, infolge Revisionsrekurses des erbl. Sohnes Erich E***, Beamter, Wachtelgasse 5, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 11. Oktober 1989, GZ R 799/89-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eferding vom 23. August 1989, GZ A 70/88-44, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht nahm die auf Grund von behaupteten mündlichen Testamenten der Erblasserin jeweils zum gesamten Nachlaß bedingt abgegebenen Erbserklärungen der erbl. Kinder Erich E*** und Auguste E*** zu Gericht an, wies infolge der widersprechenden Erbserklärungen dem erbl. Sohn die Klägerrolle zu und bestimmte ihm für die Erbrechtsklage eine Frist. Zur Begründung dieser Verfügungen führte es aus, bei der Errichtung der von den erbl. Kindern behaupteten außergerichtlichen mündlichen Testamente seien jeweils drei nicht ausgeschlossene Testamentszeugen anwesend gewesen, so daß der äußeren Form nach zwei mündliche Testamente vorlägen. Da das von der erbl. Tochter behauptete Testament das jüngere und damit der stärkere Titel sei, müsse der erbl. Sohn als Kläger im Erbrechtsstreit auftreten.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es führte aus, nach der Aktenlage stehe fest, daß die Erblasserin ohne Hinterlassung einer schriftlichen letztwilligen Verfügung verstorben sei. Ihre beiden Kinder hätten zur Dartuung der behaupteten außergerichtlichen mündlichen Testamente jeweils drei Testamentszeugen namhaft gemacht. Diese seien eidlich vernommen worden. Der erbl. Sohn datiere das zu seinen Gunsten errichtete Testament mit August 1987, die erbl. Tocher bezeichne als Zeitpunkt der Errichtung der zu ihren Gunsten getroffenen letztwilligen Verfügung den Oktober 1987. Die vom erbl. Sohn namhaft gemachten Testamentszeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, die Verstorbene habe in deren Beisein angegeben, daß er "das Haus bekommen" werde. Von jenen Testamentszeugen, auf die sich die erbl. Tochter berufe, hätten Elisabeth S*** und Elisabeth W*** übereinstimmend unter Eid ausgesagt, die Erblasserin habe sich vor den drei anwesenden Personen - neben ihnen noch Emil H*** - dahin geäußert, daß ihre Tochter "das Häusl kriegen" solle. Der 94jährige Emil H*** habe dagegen ausgesagt, er wisse nichts mehr, er wisse auch nicht mehr, was Schwören oder Eid bedeute, das habe er früher einmal gewußt. Der Richter, der den Zeugen im Rechtshilfeweg vernommen habe, habe deshalb im Protokoll festgehalten, seinem persönlichen Eindruck nach sei der Zeuge nicht in der Lage, die Bedeutung einer Beeidigung zu erfassen und dementsprechend zu handeln, weshalb hievon abgesehen worden sei.

Rechtlich meinte das Rekursgericht, bei der Entscheidung über die Annahme einer Erbserklärung komme es ebenso wie bei der Entscheidung über die Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit nur auf die Einhaltung der äußeren Form der letztwilligen Erklärung an. Deren Gültigkeit sei solange als gegeben anzunehmen, als nicht die Ungültigkeit im Rechtsweg erwiesen sei. Die Einhaltung der äußeren Form sei schon dann anzunehmen, wenn dargetan werde, daß bei der letztwilligen Erklärung drei fähige Zeugen gleichzeitig anwesend gewesen seien. Das seien Personen, die von der Funktion eines Testamentszeugen im Sinne der §§ 591 ff ABGB nicht offenbar ausgeschlossen seien. Weitere Voraussetzung sei, daß die Zeugen - wie im vorliegenden Fall - den Inhalt der letztwilligen Erklärung übereinstimmend wiedergäben. Die Angaben der von der erbl. Tochter namhaft gemachten Zeugen stimmten insoweit nicht überein, als der 94jährige Emil H*** mangels Erinnerungsvermögens zu keinerlei Angaben fähig gewesen sei. Er habe wegen seiner geistigen Verfassung nicht einmal eidlich vernommen werden können. Könne einer von drei fähigen Testamentzeugen eidlich nicht einvernommen werden, müßten wenigstens die beiden übrigen die mündliche letzte Anordnung bestätigen, widrigens die Erklärung unwirksam sei. Die eidliche Vernehmung sei unmöglich, wenn sie aus physischen oder rechtlichen Gründen - etwa Tod oder Geisteskrankheit - nicht möglich sei. Scheitere die eidliche Vernehmung des dritten Zeugen an seinem geistigen Zustand, also an der Unfähigkeit, die Bedeutung eines Eides überhaupt zu erfassen, so genügten, um die äußere Form der letztwilligen Erklärung darzutun, die übereinstimmenden Aussagen der beiden anderen Zeugen, soweit aus ihnen hervorgehe, daß bei der behaupteten Erklärung drei fähige Zeugen gleichzeitig anwesend gewesen seien. Da das von der erbl. Tochter behauptete mündliche Testament jüngeren Datums und Emil H*** - bezogen auf den Zeitpunkt der behaupteten Testamentserrichtung - nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen ausgeschlossen gewesen sei, habe das Erstgericht zu Recht dem erbl. Sohn die Klägerrolle zugeteilt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des erbl. Sohnes ist nicht zulässig. Da das Gericht zweiter Instanz den erstgerichtlichen Beschluß bestätigte, ist der erbl. Sohn bei der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung auf die im § 16 Abs 1 AußStrG in der hier noch geltenden alten Fassung genannten Anfechtungsgründe beschränkt. Er beruft sich auf Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit.

Als aktenwidrig rügt der Rechtsmittelwerber die Ausführung im bekämpften Beschluß, "nicht fähige Testamentszeugen" seien nur solche Personen, die nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen im Sinne der § 591 ff ABGB ausgeschlossen seien, ein solcher Ausschluß treffe auf Emil H*** - bezogen auf den Zeitpunkt der behaupteten Testamentserrichtung - nicht zu (dort S 5). Aktenwidrigkeit liege auch vor, wenn eine Tatsachenfeststellung jeder Beweisgrundlage entbehre. Das treffe auf die zuvor angeführte "Feststellung" des Rekursgerichtes zu. Abgesehen von einem dem Gericht zweiter Instanz unterlaufenen Formulierungsfehler (es muß wohl - wie vorher auf S 3 des zweitinstanzlichen Beschlusses - auch auf S 5 "fähige Testamentszeugen" heißen), an den sich aber keinerlei tragende Schlußfolgerung knüpft, kann auch von Aktenwidrigkeit in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Das Rekursgericht hat aktenkonform festgehalten, daß zwei der von der erbl. Tocher namhaft gemachte Testamentszeugen im wesentlichen übereinstimmende Aussagen über den Inhalt der Erklärung der Erblasserin abgelegt haben, wogegen der dritte Zeuge - Emil H*** - infolge gänzlich mangelnden Erinnerungsvermögens zu keinerlei Angaben hierüber fähig war und der Rechtshilferichter wegen der geistigen Verfassung dieses Zeugen von dessen eidlicher Vernehmung Abstand nahm. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß der Zeuge infolge seines Zustandes im Zeitpunkt der behaupteten letztwilligen Erklärung außerstande gewesen wäre, diese wahrzunehmen, zu begreifen, zu behalten und wiederzugeben (vgl. Welser in Rummel, ABGB, §§ 591-596 Rz 2). Nichts anderes kann der vom erbl. Sohn bekämpften Ausführung des Rekursgerichtes entnommen werden. Es liegt zwar nahe, daß der Zeuge angesichts seines hohen Alters und des geringen zeitlichen Abstandes zwischen der behaupteten letztwilligen Verfügung und seiner Vernehmung als Testamentszeuge vor dem Rechtshilfegericht auch schon im Zeitpunkt der Erklärung der Erblasserin der gebotenen Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit entriet, doch beruht der - rechtliche - Schluß des Rekursgerichtes, Emil H*** sei bei der letztwilligen Erklärung nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen ausgeschlossen gewesen, zutreffend auf der Tatsache, daß Feststellungen über den psychischen Zustand des Zeugen im Zeitpunkt der (angeblichen) Testamentserrichtung fehlen. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor.

Der erbl. Sohn wiederholt seine Ausführungen zur behaupteten Aktenwidrigkeit aber auch unter dem Gesichtspunkt offenbarer Gesetzwidrigkeit. Diese liege darin, daß das Gericht zweiter Instanz die Bestimmung des § 586 ABGB über die - allenfalls eidliche - Bekräftigung einer mündlichen letztwilligen Anordnung durch die dabei anwesenden Testamentszeugen und die Vorschriften der §§ 591 ff ABGB über die Tauglichkeit der Testamentszeugen nicht genügend auseinandergehalten habe.

Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt, geschweige denn, daß der erbl. Sohn damit eine offenbare Gesetzwidrigkeit aufzeigt. Das Rekursgericht folgte der Rechtsprechung, wonach der Außerstreitrichter bei der Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit lediglich die Einhaltung der äußeren Form der behaupteten letztwilligen Erklärung zu prüfen hat (vgl. NZ 1984, 178; NZ 1975, 168; RZ 1975/17) und die äußere Form der außergerichtlichen mündlichen letztwilligen Verfügung schon dann eingehalten ist, wenn bei dieser drei fähige Zeugen - also Personen, die nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen im Sinne der §§ 591 ff ABGB ausgeschlossen sind - gleichzeitig zugegen waren (NZ 1981, 46; NZ 1971, 29; vgl. auch Welser, aaO, Rz 10). Nach den eidlichen bekräftigten Aussagen der Zeuginnen Elisabeth S*** und Elisabeth W*** waren sie und Emil H*** gleichzeitig anwesend, als die Erblasserin bekanntgegeben habe, daß ihre Tocher "das Häusl kriegen" solle. Damit ist der Vorschrift des § 586 ABGB jedoch Genüge getan. Nach der Aktenlage war Emil H*** zwar ganz offensichtlich bei der Vernehmung durch den Rechtshilferichter nicht mehr zeugnis- und eidesfähig, das Rekursgericht hat aber - mangels Beweisgrundlagen - angenommen, daß nicht feststehe, ob er sich auch schon bei der - behaupteten - Testamentserrichtung in diesem seine Zeugnisfähigkeit ausschließenden Zustand befunden habe. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt außerdem nur vor, wenn der Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103, SZ 46/98; EFSlg 55.638 uva). § 126 AußStrG verlangt für das Erfordernis des stärkeren Erbrechtstitels lediglich eine in der gehörigen Form errichtete (und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittene) letzte Willenserklärung. Was zur gehörigen Form bzw. ob die Untauglichkeit des Zeugen gemäß den §§ 591 ff ABGB zur Form oder zu den erst im Erbrechtsstreit zu prüfenden Gültigkeitserfordernissen der letztwilligen Erklärung zählt, ist dagegen im Gesetz ebenso wenig ausdrücklich geregelt, wie unter welchen Voraussetzungen die Untauglichkeit "offenbar" ist. Die Beurteilung des Sachverhaltes durch das Rekursgericht ist somit nicht offenbar gesetzwidrig.

Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.