JudikaturJustiz6Ob656/89

6Ob656/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Zehetner und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach der am 11. Januar 1989 gestorbenen Edeltraud Maria B***, zuletzt Pensionistin, Pasching, Kirchenstraße 1, wegen Herausgabe von Typenschein und Wagenschlüssel zu einem in die Verlassenschaft gefallenen Kraftfahrzeug, infolge Revisionsrekurses der Gewahrsamsinhaberin V***- und V*** mbH, Linz, Waldeggstraße 51, vertreten durch

Dr. Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 20. Juli 1989, GZ. 19 R 43/89-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 13. Juni 1989, GZ. A 34/89-28, in dessen Punkt 1/ bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß und Punkt 1/ des erstinstanzlichen Beschlusses vom 13. Juni 1989 werden unter gleichzeitiger Zurückweisung des Antrages der Verlassenschaftskuratorin, der Rechtsmittelwerberin die Herausgabe des Typenscheines und des Fahrzeugschlüssels zu dem auf die Erblasserin zugelassenen Personenkraftwagen an den Gerichtskommissär aufzutragen, als nichtig aufgehoben.

Text

Begründung:

Der Nachlaß nach der am 11. Januar 1989 im 66. Lebensjahr gestorbenen, zuletzt schwerst gehbehinderten Pensionistin ist hoch verschuldet. Die Tochter der Erblasserin hat die Erbschaft ausgeschlagen. Für die Verlassenschaft ist eine Notariatskandidatin zur Kuratorin bestellt. Die Erblasserin war Zulassungsbesitzerin eines am 2. April 1986 erstmals zum Verkehr zugelassenen Personenkraftwagens. Regelmäßige Lenkerin (und möglicherweise auch Mithalterin) des Fahrzeuges war ihre Tochter. Gegen die Erblasserin waren in ihrem letzten Lebensjahr wiederholt Fahrnisexekutionen geführt worden. Eine Gesellschaft erwarb teils im Zuge gerichtlicher Verwertungsverfahren, teils außerhalb solcher Verfahren durch Kauf wiederholt Fahrnisse der Erblasserin und überließ diese Gegenstände mietweise wieder der Erblasserin und deren Tochter. Die Erblasserin und ihre Tochter haben der Gesellschaft gegenüber am 19. September 1988 die schriftliche Erklärung abgegeben, daß sie der Gesellschaft "als Sicherstellung des Mietrückstandes" den erwähnten Personenkraftwagen "verpfänden". In diesem Zusammenhang übernahm die Gesellschaft den Typenschein und einen Wagenschlüssel zum Fahrzeug, das weiterhin von der Erblasserin und deren Tochter benützt wurde. Eine Verlassenschaftsgläubigerin wies den Gerichtskommissär auf das Vorhandensein des Personenkraftwagens als mögliches Verlassenschaftsaktivum hin. Einer gemeinsamen Anregung des Gerichtskommissärs und der Verlassenschaftskuratorin gemäß verbot das Abhandlungsgericht der Tochter der Erblasserin mit Beschluß vom 30. März 1989 die weitere Benützung des Fahrzeuges und forderte sie auf, die Autopapiere und Autoschlüssel dem Gerichtskommissär zu übergeben. Im Sinne einer abhandlungsgerichtlichen Anordnung vom 11. April 1989 wurden der Tochter der Erblasserin am 17. April 1989 durch Gendarmeriebeamte die Kennzeichentafeln, der Zulassungsschein, die Bescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern Linz und ein Wagenschlüssel abgenommen. Diese "eingezogenen" Gegenstände wurden dem Gerichtskommissär ausgefolgt. Nach einer schriftlichen Erklärung der Tochter der Erblasserin vom 12. April 1989 seien der Typenschein und der zweite Wagenschlüssel bei der Gesellschaft, der das Fahrzeug der Erblasserin verpfändet worden sei, "hinterlegt" worden. Der Verkehrswert des Fahrzeuges wurde im Zuge der Abhandlung auf 81.000 S geschätzt. Mit anwaltlich verfaßtem Schreiben vom 10. März 1989 hatte die Gesellschaft aus vier zwischen dem 15. Januar und dem 9. September 1988 abgeschlossenen Mietverträgen einen Rückstand von rund 27.500 S zur Verlassenschaft angemeldet. Dabei hatte die Gesellschaft auf die schriftliche Verpfändungserklärung Bezug genommen und dazu ausgeführt: "Die Sicherstellung ist zur Abdeckung der Mietrückstände erfolgt, wobei auch der Typenschein an ..... ausgefolgt wurde.". In diesem Zusammenhang forderte die Gesellschaft abgesonderte Befriedigung aus dem PKW-Verkaufserlös und schlug eine rasche Verwertung in diesem Sinne vor.

Der Gerichtskommissär und die Verlassenschaftskuratorin vertraten dagegen die Auffassung, daß das Fahrzeug nicht wirksam an die Gesellschaft verpfändet worden sei, und ersuchten das Abhandlungsgericht unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach unwirksame Fahrzeugverpfändung, der Gesellschaft aufzutragen, Typenschein und Wagenschlüssel dem Gerichtskommissär zur Verwahrung zu übergeben; gleichzeitig ersuchten sie um ehestmögliche Bewilligung des Fahrzeugverkaufes.

Mit Beschluß vom 13. Juni 1989 forderte das Abhandlungsgericht die Gesellschaft auf, den Typenschein und den oder die Reserveschlüssel zum Personenkraftwagen dem Gerichtskommissär herauszugeben (Punkt 1/). Gleichzeitig ersuchte das Abhandlungsgericht die Verlassenschaftskuratorin, das Fahrzeug nach Herausgabe des Typenscheines und des Reserveschlüssels zu verkaufen (Punkt 2/).

Die Gesellschaft erhob gegen den ihr vom Abhandlungsgericht erteilten Auftrag Rekurs. Sie wies darauf hin, daß sie mit ihrer Forderungsanmeldung auch ihre Sicherungsrechte geltend gemacht habe. Dazu vertrat sie die Auffassung, daß sie im Falle einer sachenrechtlich unwirksamen Verpfändung zumindest ein obligatorisches Zurückbehaltungsrecht am Typenschein und dem Wagenschlüssel erworben hätte, der abhandlungsgerichtliche Auftrag daher jedenfalls in solche Rechte eingriffe und ein derartiger Auftrag "im Außerstreitverfahren nicht erteilt werden dürfte". Das Rekursgericht bestätigte Punkt 1/ des abhandlungsgerichtlichen Beschlusses. Es teilte die erstinstanzliche Rechtsansicht, daß nach der Aktenlage kein Pfandrecht wirksam begründet worden sei. Die Rekursausführungen über die Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechtes am Typenschein und am Wagenschlüssel bezeichnete das Rekursgericht als eine auch im Außerstreitverfahren unzulässige Neuerung, weil in der Forderungsanmeldung vom 10. März 1989 ausschließlich von einer Verpfändung, mit keinem Wort aber von einem vereinbarten Zurückbehaltungsrecht die Rede gewesen sei. Die Befugnis des Abhandlungsgerichtes, einem Dritten die Rückstellung oder den Erlag von Nachlaßgegenständen aufzutragen, bejahte das Rekursgericht unter Berufung auf die Entscheidung RZ 1988/20.

Die Gewahrsamsinhaberin ficht die bestätigende Rekursentscheidung wegen nichtigkeitsbegründenden Verstoßes gegen § 10 AußStrG, wegen (nichtigkeitsbegründender) Qualifizierung der erstinstanzlichen Aufforderung zur Herausgabe von Typenschein und Wagenschlüssel durch das Rekursgericht in einen vollstreckbaren Leistungsbefehl sowie wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit der materiellrechtlichen Beurteilung mit einem Antrag auf Aufhebung der Rekursentscheidung zur neuerlichen Entscheidung und einem hilfsweise gestellten Auftrag zur ersatzlosen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinne des Hilfsantrages berechtigt. Die Erblasserin hatte Monate vor ihrem Ableben als Zulassungsbesitzerin eines Kraftfahrzeuges im Zuge einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung Typenschein und Wagenschlüssel einem ihrer Gläubiger "zur Sicherstellung" seiner Forderung aus Rechtsgeschäften, die mit dem als verpfändet bezeichneten Fahrzeug in keinem Zusammenhang standen, übergeben, das Fahrzeug selbst aber zu ihrer weiteren Benützung in ihrer alleinigen oder in ihrer und ihrer Tochter gemeinsamen tatsächlichen Verfügungsmacht behalten. Die nach dem Erbfall ausgeübte tätliche Verfügungsmacht der Tochter der Erblasserin wurde letztlich durch Vollzugsakte im Auftrag des Abhandlungsgerichtes aufgehoben. Die Inhaberin der Gewahrsame am Typenschein und am zweiten Wagenschlüssel verweigerte eine - ohne mit einer Anerkennung der von ihr beanspruchten Rechte auf abgesonderte Befriedigung aus dem Fahrzeug verbundene - Herausgabe der ihr noch von der Erblasserin ausgefolgten Gegenstände. Die Erblasserin hätte den von ihr gegenüber ihrer Rechtsgeschäftspartnerin behaupteten Anspruch auf Rückausfolgung des Typenscheins und des Wagenschlüssels im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen gehabt. An dieser gesetzlich vorgeschriebenen (§ 1 AußStrG) Rechtsdurchsetzungsart für einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch (§ 1 JN) vermöchte weder die Einleitung eines Abhandlungsverfahrens noch auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Verlassenschaft etwas zu ändern. Durch eine erbrechtliche Verschiebung der Rechtszuständigkeit vom Erblasser auf einen Rechtsnachfolger ändert sich grundsätzlich nichts an der rechtlichen Eigenart einer gegebenen sachenrechtlichen oder schuldrechtlichen Beziehung zwischen dem Erblasser und einem Dritten.

Im Abhandlungsverfahren kommen dem Gericht unterschiedliche Aufgaben zum Zwecke einer geregelten Besitzeinweisung am Nachlaß und seinen einzelnen Teilen im Sinne der konkreten erbrechtlichen Übertragung der Rechtszuständigkeiten zu. Soweit es sich aber um die materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche Stellung eines Dritten in Ansehung seiner Rechtsbeziehung zum Erblasser handelt, tritt wegen der auf die Person des Erblassers beschränkten Rechtsnachfolge und ihrer Regelung keine Änderung ein. Wer mit dem Erblasser in einer besonderen Rechtsbeziehung stand, behält gegenüber dem Erben und während der Abhandlungspflege gegenüber der Verlassenschaft und den Personen, die diese zu vertreten haben, grundsätzlich die materiellrechtliche, aber auch die verfahrensrechtliche Stellung, die ihm gegenüber dem Erblasser zugekommen war. Kommt es auch dem Abhandlungsgericht nach den Vorschriften des Außerstreitgesetzes zu, im Sinne des im Verfahren festzustellenden konkreten erbrechtlichen Überganges der Rechtszuständigkeiten einen Rechtsnachfolger in den vom Erblasser ausgeübten Besitz einzuweisen, so fehlt es dem Abhandlungsgericht doch an der Zuständigkeit, dem Rechtsnachfolger des Erblassers durch Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Dritten eine Inhabung zu verschaffen, die der Erblasser selbst nur im streitigen Verfahren hätte durchsetzen können. Der erkennende Senat hält daher an der in EFSlg 37.442, RZ 1968 Seite 110 und anderen Entscheidungen (zuletzt in 6 Ob 616/88) zugrundegelegten Auffassung fest. Eine "Eigenmacht", die in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung RZ 1988/20 als entscheidendes Kriterium für eine angenommene Zuständigkeit des Abhandlungsgerichtes zur Erteilung von Aufträgen an einen Dritten gesehen wurde, ist im vorliegenden Verfahren nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt auszuschließen.

In der Verfolgung von Ansprüchen der Verlassenschaft gegen Dritte kommt es dem Abhandlungsgericht nicht zu, sich Aufgaben anzumaßen, die vor dem Erbfall bei einer Anspruchsverfolgung durch den Erblasser und nach Beendigung der Abhandlung bei einer Anspruchsverfolgung durch den Erben oder den Vermächtnisnehmer nach der Art des Anspruches dem Streitrichter zugefallen wären. Durch einen Leistungsbefehl - wie im vorliegenden Fall durch den keinesfalls bloß als Aufforderung zur Vermeidung eines Rechtsstreites aufzufassenden Auftrag zur Gewahrsamsaufgabe - an einen Vertragspartner des Erblassers überschreitet das Abhandlungsgericht die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit (§ 2 Abs 2 Z 1 AußStrG) und setzt damit einen nichtigen Verfahrensakt. Von diesem, der Sache nach auch im Revisionsrekurs geltend gemachten Nichtigkeitsgrund sind die Rekursentscheidung und Punkt 1/ des erstinstanzlichen Beschlusses in gleicher Weise betroffen. Beide vorinstanzlichen Entscheidungen waren unter gleichzeitiger Zurückweisung des Antrages der Verlassenschaftskuratorin mangels Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens als nichtig aufzuheben.