JudikaturJustiz6Ob234/20k

6Ob234/20k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon. Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen N*****, geboren am ***** 2013, und T*****, geboren am ***** 2017, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter M*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch, Mag. Michael Damitner, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 21. Oktober 2020, GZ 1 R 228/20m 24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. Die Eingabe der Mutter vom 25. 1. 2021, eingelangt am 29. 1. 2021, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Seit der Haushaltstrennung und Scheidung der Eltern der beiden Minderjährigen wurde von den Eltern vor Gericht keine Vereinbarung über die Obsorge oder die hauptsächliche Betreuung der Kinder im Sinn des § 179 ABGB getroffen.

[2] Das Rekursgericht bestätigte die vom Erstgericht über Antrag des Vaters vorgenommene Zuweisung der alleinigen Obsorge an den Vater, wobei die Mutter mit ihrem Antrag auf Belassung der gemeinsamen Obsorge und Festlegung der hauptsächlichen Betreuung in ihrem Haushalt auf diese Entscheidung verwiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter. Darin wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.

[4] Die Mutter macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Rekursgericht verkenne, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs jede Obsorgeentziehung, auch die Zuteilung der Alleinobsorge nach Auflösung der Ehe nach § 180 ABGB, eine Gefährdung des Kindeswohls voraussetze, die hier nicht vorliege.

[5] Die Entscheidung nach § 180 Abs 2 ABGB, welchem Elternteil nach Ende der Ehe die Obsorge endgültig zu übertragen ist, hat sich allein am darin genannten Kindeswohl zu orientieren (1 Ob 250/14t), und zwar ohne, dass es – anders als in den hier nicht relevanten Fällen der §§ 181 f ABGB) – einer Kindeswohlgefährdung bedarf, um die alleinige Obsorge anzuordnen (3 Ob 128/14s; vgl Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB 5 § 181 Rz 3). Für die Entscheidung, ob eine Alleinobsorge eines Elternteils oder eine Obsorge beider Eltern anzuordnen ist, kommt es daher darauf an, welche Regelung dem Wohl des Kindes besser entspricht (6 Ob 41/13t EF Z 3013, 164 [ Beck ] = EvBl 2013, 963 [ Gottschamel ]; RS0128812).

[6] Der Oberste Gerichtshof ist daher der im außerordentlichen Revisionsrekurs angeführten Lehrmeinung ( Heinrich/Pendl , Entziehung der Obsorge ohne Kindeswohlgefährdung?, EF Z 2013, 248 ff), wonach auch die Änderung der Obsorgeverhältnisse nach § 180 ABGB hin zu einer Alleinobsorge eines Elternteils die Gefährdung des Kindeswohls voraussetze, nicht gefolgt.

[7] Die Entscheidung des Rekursgerichts steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung.

[8] Die Frage, ob die Obsorge beider Eltern dem Kindeswohl entspricht (RS0128812 [T8]), sowie die Frage, welchem Elternteil die Kindesobsorge übertragen werden soll, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, sofern auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RS0007101 [T8]).

[9] Eine Überschreitung des den Vorinstanzen eingeräumten Ermessensspielraums oder eine Außerachtlassung des Kindeswohls bei der Zuteilung der Alleinobsorge an den Vater wird im Rechtsmittel der Mutter nicht aufgezeigt, weil nach den Feststellungen bei der Mutter nur eine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit vorliegt, aus der sich das erhöhte Risiko einer kindlichen Fehlentwicklung ergibt.

[10] Auch die Frage, ob das Wohl des Kindes es erfordert, nach § 180 Abs 1 ABGB eine vorläufige Regelung der elterlichen Verantwortung zu treffen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründet (RS0128813 [T1]).

[11] Hier sahen die Vorinstanzen von der Anordnung einer Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung aufgrund der strittigen Situation, aber auch aufgrund von psychischen Risikofaktoren für das Wohlergehen der Kinder auf Seiten der Mutter ab. Angesichts dessen wird mit dem Hinweis auf die von der Sachverständigen für möglich gehaltene zukünftige Verbesserung der Kommunikationsbasis der Eltern noch nicht dargetan, dass die Vorinstanzen die Voraussetzungen für eine endgültige Obsorgeregelung gravierend verkannt hätten.

[12] Mangels einer Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

[13] Die Eingabe der Mutter vom 25. 1. 2021 widerspricht dem auch im außerstreitigen Verfahren geltenden Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels. Nachträge sind daher prinzipiell unzulässig (RS0007007 [T10, T12]).

Rechtssätze
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