JudikaturJustiz6Ob214/22x

6Ob214/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Mag. Wessely Kristöfel Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, Deutschland, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, *, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, wegen 2.404.803,39 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. September 2022, GZ 11 R 18/22d 60, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Eine Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten, die Tatsacheninstanzen ihren Entscheidungen zu Grunde legten, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nach ständiger Rechtsprechung nur insoweit möglich, als dabei dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder gegen objektiv überprüfbare Gesetze sprachlichen Ausdrucks unterlaufen oder erkennbar ist, dass der Sachverständige erheblichen Verhandlungsstoff außer Acht gelassen und dies die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge hat (RS0043168 [T7, T8]; vgl RS0043404).

[2] 1.2. Die Klägerin hat zum Beweis der von ihr als Schadenersatz begehrten, von der Beklagten ausdrücklich auch der Höhe nach bestrittenen Mehrkosten für die Überarbeitung der von der Beklagten im Auftrag der Klägerin (mit )entwickelten, aber nicht den Anforderungen entsprechenden (Kraftfahrzeug )Luftklappenkonstruktion zahlreiche Urkunden (großteils selbst erstellte Aufstellungen) vorgelegt. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige konnte in seinem ergänzten und mündlich erörterten Gutachten nur einen Teil dieser Kosten nachvollziehen und legte dar, dass die Mehrkosten stark davon abhingen, ob die echten Probleme erkannt werden oder nicht, wie schnell sie erkannt werden, wie schnell eine passende sichere Lösung gefunden wird und wie viele sogenannte „Konstruktionsloops“ letztlich notwendig waren. Er schätzte daher die Höhe der angemessenen Mehrkosten der Klägerin aufgrund seiner Sachkunde ab. Darin ist weder ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze zu erkennen noch die Außerachtlassung wesentlichen Verhandlungsstoffs.

[3] 1.3. Die Vorinstanzen erachteten das Gutachten des Sachverständigen für schlüssig und stützten darauf die Feststellungen zur Höhe der angemessenen Mehrkosten der Klägerin für die Überarbeitung der Luftklappenkonstruktion. Die Beurteilung der Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und der allfälligen Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fällt dabei in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643 [T3]). Indem die Revision die Plausibilität der Schätzung durch den Sachverständigen in Frage stellt, bekämpft sie daher unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

[4] 2. Das Berufungsgericht hat die Urteilsfeststellungen vertretbar (vgl RS0118891 [T4, T5]) dahin ausgelegt, dass die Materialumstellung des ursprünglich geeigneten Werkstoffs der Luftklappenkomponenten nur aufgrund einer vom Auftraggeber der Klägerin während der Arbeiten der Beklagten nachträglich geforderten zusätzlichen Funktion notwendig wurde. Ausgehend davon war das Berufungsgericht der Auffassung, die damit einhergehenden Kosten der Materialumstellung könnten der Beklagten selbst bei Qualifikation des Vertragsverhältnisses der Streitteile als Werkvertrag nicht angelastet werden.

[5] Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die Revision mit ihrem nicht näher ausgeführten bloßen Hinweis, die Beklagte hätte die Klägerin vor der Untauglichkeit des ursprünglich angedachten Materials warnen müssen, nicht auf. Soweit damit gemeint sein sollte, der Werkstoff sei bereits ursprünglich untauglich gewesen, entfernt sich die Revision von den Feststellungen. Weshalb diese Materialumstellungskosten durch die geforderte Warnung vermieden worden wären, legt die Revision nicht dar.