JudikaturJustiz6Ob21/14b

6Ob21/14b – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in den Firmenbuchsachen 1. der im Firmenbuch des Landesgerichts Ried im Innkreis zu FN ***** eingetragenen N***** GmbH, mit dem Sitz in O*****, 2. der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN ***** eingetragenen A***** GmbH mit dem Sitz in S*****, über den Revisionsrekurs der beiden Gesellschaften, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. Dezember 2013, AZ 6 R 201/13s, 6 R 202/13p, womit die Beschlüsse des Landesgerichts Salzburg vom 18. November 2013, GZ 24 Fr 4375/13z 2 und 24 Fr 4226/13f 10, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die A***** GmbH (in der Folge: übernehmende Gesellschaft) ist im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN *****, die N***** GmbH (in der Folge: übertragende Gesellschaft) ist im Firmenbuch des Landesgerichts Ried im Innkreis zu FN ***** eingetragen. Die übernehmende Gesellschaft ist Alleingesellschafterin der übertragenden Gesellschaft. Die B***** GmbH ist Alleingesellschafterin der übernehmenden Gesellschaft.

In der Generalversammlung vom 1. 7. 2013 fasste die Alleingesellschafterin der A***** GmbH folgende

Generalversammlungsbeschlüsse:

1. Die Gesellschaft wird als übernehmende Gesellschaft mit der N***** GmbH, FN *****, als übertragende Gesellschaft mit Wirkung zum 31. 12. 2012 verschmolzen.

2. Das Vermögen der N ***** GmbH geht mit Wirkung zum 31. 12. 2012 als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Inanspruchnahme der umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Artikel 1 Umgründungssteuergesetz auf die Gesellschaft über. Auf die Liquidation der N***** GmbH wird verzichtet.

3. Die Verschmelzung der Gesellschaften gemäß Punkt 1. erfolgt aufgrund des Jahresabschlusses (Bilanz) zum 31. 12. 2012, der diesem Protokoll als Beilage ./1 beigeschlossen ist, und gemäß dem diesem Protokoll als Beilage ./2 beigeschlossenen Verschmelzungsvertrag vom 1. 7. 2013, der hiermit genehmigt wird.

In der Generalversammlung vom 1. 7. 2013 fasste die Alleingesellschafterin der N***** GmbH folgende

Generalversammlungsbeschlüsse:

1. Die Gesellschaft wird als übertragende Gesellschaft mit der A***** GmbH, FN *****, als übernehmende Gesellschaft mit Wirkung zum 31. 12. 2012 verschmolzen.

2. Das Vermögen der Gesellschaft geht mit Wirkung zum 31. 12. 2012 als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Inanspruchnahme der umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Artikel 1 Umgründungssteuergesetz auf die A***** GmbH über. Auf die Liquidation der Gesellschaft wird verzichtet.

3. Die Verschmelzung der Gesellschaften gemäß Punkt 1. erfolgt aufgrund des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2012, der diesem Protokoll als Beilage ./1 beigeschlossen ist, und gemäß dem diesem Protokoll als Beilage ./2 beigeschlossenen Verschmelzungsvertrag vom 1. 7. 2013, der hiermit genehmigt wird.

4. A***** GmbH stimmt als Alleingesellschafterin der N***** GmbH und als übernehmende Partei ausdrücklich zu.

Den jeweils notariell beurkundeten Generalversammlungsbeschlüssen sind jeweils der Jahresabschluss der übertragenden Gesellschaft zum 31. 12. 2012 und ein von W***** H***** unterfertigter Verschmelzungsvertrag vom 1. 7. 2013 angeschlossen. Mit Anträgen je vom 4. 7. 2013 und unter Vorlage jeweils der angeführten Urkunden beantragte W***** H***** als Geschäftsführer der übertragenden Gesellschaft die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft infolge Verschmelzung mit der übernehmenden Gesellschaft und als Geschäftsführer der übernehmenden Gesellschaft die Eintragung der Verschmelzung mit der übertragenden Gesellschaft aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 1. 7. 2013.

Mit Beschluss vom 5. 7. 2013 übertrug das Landesgericht Ried im Innkreis die Zuständigkeit gemäß § 120 Abs 7 JN auf das Landesgericht Salzburg als das für die übernehmende Gesellschaft zuständige Gericht.

Mit Beschluss vom 11. 7. 2013, GZ 24 Fr 4226/13f 2, trug das Erstgericht dem Antragsteller unter anderem die Vorlage des der Anmeldung nicht angeschlossenen Verschmelzungsvertrags auf, worauf der Antragsteller neuerlich den von ihm als Geschäftsführer der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft unterfertigten Verschmelzungsvertrag vom 1. 7. 2013 vorlegte.

Mit Beschluss vom 9. 10. 2013, AZ 24 Fr 4226/13f, forderte das Erstgericht den Antragsteller nochmals zur Vorlage des Verschmelzungsvertrags auf, dies unter Hinweis darauf, dass dieser gemäß § 222 AktG der notariellen Beurkundung bedürfe, was allgemein als Pflicht zur Errichtung eines Notariatsakts mit dem Inhalt gemäß § 220 Abs 2 AktG verstanden und als Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen werde. Der Antragsteller legte am 30. 10. 2013 einen am 28. 10. 2013 in Notariatsaktsform errichteten Verschmelzungsvertrag vor.

Das Erstgericht wies mit den angefochtenen Beschlüssen die Anträge des W***** H***** mit der Begründung ab, der gemäß § 220 Abs 2 Z 5 AktG festzulegende Verschmelzungsstichtag müsse gemäß § 220 Abs 3 AktG mit dem Stichtag der Schlussbilanz übereinstimmen und dürfe höchstens neun Monate vor dem Tag der Anmeldung der Verschmelzung liegen. Weise die Anmeldung einen verbesserungsfähigen Mangel auf, sei die Frist gewahrt, wenn der Mangel innerhalb der Verbesserungsfrist behoben werde. Bei Mängeln, die ein Verbesserungsverfahren ausschlössen, beispielsweise im Falle des Fehlens des Verschmelzungsvertrags, sei der Eintragungsantrag abzuweisen.

Unter der in § 222 AktG angeführten „notariellen Beurkundung“ werde im Allgemeinen die Notwendigkeit der Errichtung eines Notariatsakts verstanden und als Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen. Ein nicht in Notariatsaktsform errichteter Verschmelzungsvertrag sei unwirksam. Mangels rechtswirksamer Errichtung des Verschmelzungsvertrags innerhalb der Neunmonatsfrist seien die Anträge des W***** H***** abzuweisen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach herrschender Auffassung sei die Formulierung „notarielle Beurkundung“ in § 222 AktG im Sinne einer Notariatsaktspflicht zu verstehen. Die bekämpften Entscheidungen des Erstgerichts entsprächen daher der herrschenden Lehre. Da der Rekurswerber einen erst nach Ablauf der Neunmonatsfrist des § 220 Abs 3 AktG wirksam abgeschlossenen Verschmelzungsvertrag vorgelegt habe und das Fehlen des Verschmelzungsvertrags nicht verbesserungsfähig gewesen sei, habe das Erstgericht die Anträge zu Recht abgewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 222 AktG im Sinne der herrschenden Lehre als Anordnung einer Notariatsaktspflicht zu verstehen sei und ob die Anmeldung der Verschmelzung durch Nachreichen eines erst nach Ablauf der Neunmonatsfrist des § 220 Abs 3 AktG in Notariatsaktsform errichteten Verschmelzungsvertrags verbessert werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Gemäß § 96 Abs 2 GmbHG sind, soweit in der Folge nichts Abweichendes bestimmt ist, die §§ 220 bis 233 AktG auch auf die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sinngemäß anzuwenden.

3. Der Auffassung des Rekurswerbers, das Erstgericht sei bei seiner Beurteilung von einer gesetzlich nicht normierten Neunmonatsfrist ausgegangen, kann nicht gefolgt werden.

3.1. Gemäß § 220 Abs 1 AktG haben die Vorstände der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften zur Vorbereitung der Verschmelzung einen Verschmelzungsvertrag abzuschließen oder einen schriftlichen Entwurf aufzustellen. Gemäß § 220 Abs 2 Z 5 AktG muss der Vertrag oder dessen Entwurf unter anderem den Stichtag benennen, von dem an die Handlungen der übertragenen Gesellschaften als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft vorgenommen gelten (Verschmelzungsstichtag). Gemäß § 220 Abs 3 AktG hat jede übertragende Gesellschaft auf den Verschmelzungsstichtag eine Schlussbilanz aufzustellen. Die Schlussbilanzen müssen auf einen höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung liegenden Stichtag aufgestellt werden. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass der Verschmelzungsstichtag höchstens neun Monate vor der Anmeldung liegen darf ( Kalss , Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung 2 § 220 AktG Rz 38, § 225 Rz 10; Szep in Jabornegg/Strasser , Aktiengesetz 5 § 220 Rz 15; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG 2 § 220 Rz 21; 6 Ob 111/02w).

3.2. Gemäß § 225 Abs 1 AktG ist der Anmeldung der übernehmenden Gesellschaft unter anderem in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift der Verschmelzungsvertrag anzuschließen. Die Anmeldung darf daher nicht vor Abschluss des Verschmelzungsvertrags vorgenommen werden.

3.3. Für die Wahrung der Frist ist keine vollständige Anmeldung erforderlich, sofern die fehlenden Unterlagen nachgereicht werden können. Sofern ein Verbesserungsauftrag gemäß § 17 FBG möglich und die Anmeldung daher nicht abzuweisen ist, bleibt der Zeitpunkt der unvollständigen Anmeldung der für die Fristenberechnung maßgebliche Zeitpunkt. Möglich ist etwa das Nachbringen von Unterlagen (zB Veröffentlichungshinweis; Wertgutachten). Nur bei Mängeln, die ein Vorgehen gemäß § 17 FBG ausschließen, ist der Eintragungsantrag abzuweisen und die Verschmelzung muss gegebenenfalls mit Schlussbilanz auf einen anderen Stichtag und daher auch mit einem geänderten Verschmelzungsvertrag (Verschmelzungsstichtag) neu angemeldet werden ( Kalss aaO § 225 AktG Rz 10 mwN; 6 Ob 111/02w; RIS Justiz RS0117286). Zu diesen Mängeln, die eine Verbesserung ausschließen, zählt etwa das Fehlen des Verschmelzungsvertrags ( Kalss, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung 2 § 225 AktG Rz 10 mwN; 6 Ob 111/02w; RIS Justiz RS0117286).

4. Die Beurteilung der Frage, ob für die Einhaltung der Neunmonatsfrist auf den 4. Juli 2013 oder den 30. Oktober 2013 abzustellen ist, hängt wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannten davon ab, ob bereits am 4. Juli 2013 oder allenfalls erst am 30. Oktober 2013 ein rechtswirksamer Verschmelzungsvertrag vorgelegt wurde.

4.1. Gemäß § 222 AktG bedarf der Verschmelzungsvertrag der „notariellen Beurkundung“. Die völlig herrschende Auffassung versteht unter dem auf das Aktiengesetz 1937 zurückgehenden Terminus „notarielle Beurkundung“ Notariatsaktspflicht ( Szep aaO § 222 AktG Rz 3; Kalss, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung 2 § 222 AktG Rz 4; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG 2 § 222 Rz 3; Hügel , ecolex 1996, 527 [532 FN 25]; Umfahrer , GesRZ 1997, 6; Koppensteiner/Rüffler , GmbHG 3 § 96 Rz 7; Umfahrer , GmbH 6 Rz 832; Reich Rohrwig , GmbH Recht, 738).

4.2. Dieses Verständnis ergibt sich aus dem Zweck des § 222 AktG. Der Zweck dieser Regelung liegt nämlich nach herrschender Auffassung darin, die Übereinstimmung von Verschmelzungsvertrag und Verschmelzungsbeschluss sicherzustellen und den Beteiligten die Tragweite der Entscheidung vor Augen zu führen. Dieser Zweck spricht dafür, unter “notarielle Beurkundung“ Notariatsaktspflicht zu verstehen ( Szep in Jabornegg/Strasser , AktG 5 § 222 Rz 1; vgl Kalss , Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung² § 222 AktG Rz 5).

4.3. Nach einer Mindermeinung bedarf der Verschmelzungsvertrag keines Notariatsaktes, sondern nur dem Wortlaut des § 222 AktG entsprechend einer notariellen Beurkundung iSd § 87 NO ( Schindler/Brix in Straube GmbH § 96 Rz 60, die aber ausdrücklich auf die ggt hM hinweisen; vgl auch Koppensteiner/Rüffler aaO, die die hM als „nicht ganz zweifelsfrei“ bezeichnen).

4.4. Der Gesetzgeber hat allerdings in den Materialien zu § 5 Abs 5 EU VerschG ausdrücklich klargestellt, dass § 222 AktG einen Notariatsakt meint. Gemäß § 5 Abs 5 EU VerschG bedarf der Verschmelzungsplan der „notariellen Beurkundung“. Nach den Materialien soll „zur Vermeidung von Missverständnissen“ die Notwendigkeit der notariellen Beurkundung ausdrücklich angeordnet werden. Dabei sei die Pflicht zur notariellen Beurkundung wie in § 222 AktG als Pflicht zur Errichtung eines Notariatsaktes zu verstehen (171 BlgNR 23. GP 36).

4.5. Damit ist aber der lediglich am isolierten Wortlaut des § 222 AktG haftenden Auslegung des Revisionsrekurses nicht zu folgen. Nicht stichhaltig ist auch das Argument des Revisionsrekurses, bei den Vertretern der Mindermeinung handle es sich um Notare, bei denen in besonderem Maße Kenntnis der NO vorausgesetzt werden könne. Abgesehen davon, dass der Umstand, dass ein Autor einem bestimmten Berufsstand angehört, keinen Rückschluss auf die Richtigkeit der von diesem Autor vertretenen Auffassung zu einem Detailproblem zulässt, ist dem Revisionsrekurs auch entgegenzuhalten, dass mit Umfahrer auch ein Vertreter der herrschenden Meinung dem Notariatsstand angehört.

4.6. In Hinblick auf diese in jüngster Zeit erfolgte Klarstellung durch den Gesetzgeber ist vielmehr der Auffassung der herrschenden Lehre zu folgen, wonach die „notarielle Beurkundung“ in § 222 AktG im Sinne einer Notariatsaktspflicht zu verstehen ist.

5.1. Die Errichtung eines Notariatsaktes ist Wirksamkeitsvoraussetzung des Verschmelzungsvertrags ( Kalss , Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung² § 222 AktG Rz 5). Die Unterfertigung eines Entwurfs ändert im Hinblick darauf, dass die Form Wirksamkeitserfordernis des Vertrags ist, nichts am Entwurfscharakter, sodass selbst der unterfertigte Verschmelzungsvertrag, solange er nicht in Notariatsaktsform errichtet ist, nur ein Entwurf ist ( Szep aaO § 222 AktG Rz 4). Die Form unterscheidet daher Vertrag und Entwurf ( Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG 2 § 222 Rz 2; siehe auch Umfahrer , GmbH 6 Rz 832, Umfahrer , GesRZ 1997, 6).

5.2. Damit lag aber innerhalb der Neunmonatsfrist des § 220 Abs 3 AktG wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten gar kein wirksamer Verschmelzungsvertrag vor.

6. Die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.