JudikaturJustiz6Ob197/18s

6Ob197/18s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. L*****, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. F*****, vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der Erstklägerin A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, über die Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Juli 2018, GZ 1 R 69/18z 34, womit über Berufung der erstklagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 12. März 2018, GZ 6 Cg 69/16b 28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.662,67 EUR (darin 443,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

I. Die Klage der Zweitklägerin wurde mit dem Urteil des Erstgerichts rechtskräftig abgewiesen.

II. Im Laufe der am 1. Juli 2016 stattgefundenen 26. ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten stellte die Nebenintervenientin einen Antrag auf Sonderprüfung, ob im Zusammenhang mit einer zum Zweck der Beendigung der Börsennotierung beschlossenen, letztlich aber gescheiterten Verschmelzung der Beklagten auf eine neu gegründete Aktiengesellschaft (s 6 Ob 221/16t) den Mitgliedern ihres Vorstands und Aufsichtsrats Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und daraus Schadenersatzansprüche der Gesellschaft im Geschäftsjahr 2015 entstanden sind. Der Antrag wurde mit einer Mehrheit von rund 95 % der Stimmen abgelehnt.

Ferner stellte die Erstklägerin im Zuge dieser Hauptversammlung einen Antrag auf Sonderprüfung, ob die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten ihren Pflichten im Zusammenhang mit der Ermittlung von Abschreibungen (Wertminderungen auf Firmenwerte von Cash-Generating-Units oder Einzelgesellschaften) im Geschäftsjahr 2015 verletzt haben und allenfalls Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Auch dieser Antrag wurde mit einer Mehrheit von ca 95 % der Stimmen abgelehnt.

Weiters wurden in dieser Hauptversammlung ein Mitglied des Vorstands und die Mitglieder des Aufsichtsrats entlastet, das zweite Vorstandsmitglied nicht entlastet. Kein einziger Entlastungsbeschluss ist mit den Stimmen aller Aktionäre der Beklagten zustande gekommen.

Im Rahmen der Hauptversammlung der Beklagten vom 14. August 2017 wurde gemäß § 1 Abs 1 GesAusG die Übertragung der Aktien aller Aktionäre der Beklagten – mit Ausnahme der Aktien der Hauptgesellschafterin der Beklagten, der Aktien der Zweitklägerin und der von der Beklagten gehaltenen eigenen Aktien – gegen Gewährung einer Barabfindung auf die Hauptgesellschafterin beschlossen. Der Gesellschafterausschluss wurde am 5. Oktober 2017 im Firmenbuch eingetragen. Am 13. September 2017 brachte die Erstklägerin eine Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterausschluss ein. Dieses Verfahren ist noch anhängig. Dem aufgrund von 77 Anträgen eingeleiteten, noch anhängigen Verfahren auf Überprüfung der gewährten Barabfindung schloss sich die Erstklägerin an.

Die Erstklägerin begehrt mit ihrer am 28. Juli 2016 eingebrachten Anfechtungsklage die Nichtigerklärung, in eventu die Feststellung der Nichtigkeit der beiden die beantragten Sonderprüfungen ablehnenden Hauptversammlungsbeschlüsse, da Stimmverbote der Zweitklägerin missachtet worden seien, und strebt zusätzlich die Feststellung entsprechender positiv zustande gekommener Beschlüsse an. Weiters bekämpfte sie die in der Hauptversammlung vom 1. Juli 2016 gefassten Entlastungsbeschlüsse wegen Verfahrensfehlern und Missachtung von Stimmverboten. Aufgrund des zwischenzeitig im Firmenbuch eingetragenen Gesellschafterausschlusses schränkte sie ihr Klagebegehren betreffend Nichtigerklärung der Entlastungsbeschlüsse auf Kosten ein.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts. Die ständige Rechtsprechung gehe davon aus, dass ein Aktionär seine Klagslegitimation verliere, wenn seine Mitgliedschaft etwa infolge eines Squeeze out erlösche und die angefochtenen Beschlüsse nicht geeignet seien, die Rechtsstellung des Klägers zu verschlechtern. Dass die Erstklägerin eine auf Nichtigerklärung ihres Gesellschafterausschlusses gerichtete Klage eingebracht habe, sei nicht entscheidend, weil es allein auf ihre Aktionärsstellung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz ankomme.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die verfahrensentscheidende Frage, ob die Rechtsstellung der Erstklägerin ungeachtet des Verlusts ihrer Aktionärseigenschaft durch die angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse beeinträchtigt und daher ein Interesse an der Aufhebung dieser Beschlüsse zu bejahen sei, von den Umständen des Einzelfalls abhänge.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund nicht zulässig.

1.1. Die Anfechtungsbefugnis ist ein materiell rechtliches Erfordernis für den Erfolg der Anfechtungsklage; fehlt im Anfechtungsprozess die Sachlegitimation des Klägers bei Verhandlungsschluss (§ 193 ZPO), so ist die Klage mit Urteil abzuweisen (RS0119153).

1.2. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass, wenn ein Anfechtungskläger nach Einbringung einer Anfechtungsklage infolge eines Spaltungsvorgangs gemäß § 1 Abs 1 Z 2 SpaltG die Mitgliedschaftsrechte an der spaltenden Aktiengesellschaft verliert und die angefochtenen Beschlüsse dieser Gesellschaft (konkret: Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat) darüber hinaus nicht geeignet sind, die Rechtsstellung des Klägers zu verschlechtern, dies zum Verlust seiner Klagslegitimation führt (RS0119155).

1.3. Die Frage, ob die Rechtsstellung des Anfechtungsklägers ungeachtet des Verlusts seiner Aktionärseigenschaft aufgrund der Spaltung durch die Hauptversammlungsbeschlüsse beeinträchtigt und daher ein Interesse an der Aufhebung dieser Beschlüsse zu bejahen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 287/06s).

1.4. Von dieser Judikatur abzugehen, besteht – wie zu zeigen sein wird – kein Anlass.

2. Die Erstklägerin hat bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens ihre Gesellschafterstellung durch Gesellschafterausschluss verloren. Der Umstand, dass sie den diesbezüglichen Gesellschafterbeschluss gerichtlich bekämpft, vermag daran nichts zu ändern. Aus der Natur der Anfechtungsklage als Rechtsgestaltungsklage (vgl Eckert/Schopper in Artmann/Karollus , AktienG 6 § 197 Rz 5) ergibt sich zwingend die vorläufige Wirksamkeit eines anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlusses. Solche Beschlüsse sind daher zunächst gültig und – vorbehaltlich einer einstweiligen Verfügung – zu beachten ( Eckert/Schopper aaO § 195 Rz 86). Aus diesem Grund ist auch das beim VfGH zu G 104/2019, G 105/2019 anhängige Verfahren, in dem die Erstklägerin die Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs 3 GesAusG behauptet, nicht präjudiziell.

3.1. In der Entscheidung 4 Ob 85/04k befasste sich der Oberste Gerichtshof erstmals näher mit dem Einfluss eines Verlusts der Aktionärsstellung während eines anhängigen Beschlussanfechtungsverfahrens. Diese Entscheidung betraf eine Abspaltung zur Neugründung (§ 1 Abs 2 Z 2 SpaltG), wobei dem Kläger nur Aktien der abgespaltenen (neu gegründeten) AG zugeteilt wurden.

3.2. Er berief sich darin auf die herrschende österreichische Lehre, wonach die Sachlegitimation des Klägers bei Verhandlungsschluss vorliegen müsse; andernfalls sei die Klage mit Urteil abzuweisen. Ob dies auch für den Fall der Veräußerung der Aktien gelte, ließ er ausdrücklich dahingestellt. Bei einem Spaltungsvorgang sei die Interessenlage der Beteiligten jener bei einem Veräußerungsvorgang nicht gleichzuhalten. Bei der Spaltung würden Teile des Vermögens der spaltenden (übertragenden) Gesellschaft auf andere Gesellschaften übertragen, wobei die Gesellschafter der spaltenden Gesellschaft dafür Anteile an den übernehmenden Gesellschaften erhielten. Die Spaltung sei auch gegen den Willen einer Minderheit erzwingbar und selbst im Falle einer erfolgreichen Anfechtung unumkehrbar (§ 14 Abs 3 SpaltG). Auch gebe es bei einer Spaltung – im Gegensatz zu einem Veräußerungsvorgang – keinen Erwerber, der in die Mitgliedschaftsrechte eines Vorgängers nachrücken und für diesen noch Rechte wahren könne. Der Kläger habe infolge der Spaltung die Mitgliedschaftsrechte an der spaltenden Gesellschaft verloren. Die angefochtenen Entlastungsbeschlüsse seien darüber hinaus nicht geeignet, die Rechtsstellung des Klägers zu verschlechtern; ihm persönlich könne kein rechtlicher Nachteil aus einem derartigen Beschluss entstehen, dass er damit auf eigene Ersatzansprüche verzichtet oder das Nichtbestehen solcher Ansprüche anerkannt hätte. Allfällige Ersatzansprüche der spaltenden Gesellschaft wären von deren Gesamtnachfolgerin geltend zu machen.

3.3. In der zu einer GmbH ergangenen Entscheidung 7 Ob 287/06s bekräftigte der Oberste Gerichtshof diese Auffassung und wies die außerordentliche Revision zurück. Für das Vorliegen gesicherter Judikatur des Obersten Gerichtshofs genüge nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen schon einer ausführlich begründeten, grundlegenden und veröffentlichten Entscheidung, der keine gegenteiligen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (RS0103384). Diese Voraussetzungen würden von der Entscheidung 4 Ob 85/04k erfüllt.

3.4. In der Literatur ist – soweit ersichtlich – unbestritten, dass im Fall der Gesamtrechtsnachfolge die Anfechtungsbefugnis ohne weiteres auf den Rechtsnachfolger übergeht ( Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss , AktienG² § 196 Rz 14 mwN; Eckert/Schopper in Artmann/Karollus , Aktiengesetz 6 § 196 Rz 11).

3.5. Unterschiedlich behandelt wird allerdings die Einzelrechtsnachfolge sowie der Verlust der Mitgliedschaft durch strukturändernde Beschlüsse. Auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtsfolge einer Übertragung der Mitgliedschaft vor Einbringung der Anfechtungsklage (dazu Diregger aaO § 196 Rz 15 f) ist im vorliegenden Fall mangels Relevanz nicht näher einzugehen.

3.6.1. Für den Fall, dass der klagende Aktionär seine Aktien noch während des Verfahrens 1. Instanz an einen Einzelrechtsnachfolger überträgt, vertritt Diregger (aaO § 196 Rz 17) in Anlehnung an deutsche Literatur, dass § 234 ZPO analog anzuwenden sei. Der Aktienbesitz könne daher spätestens ab Streitanhängigkeit veräußert werden. Um Legitimationsschwierigkeiten während des Anfechtungsverfahrens zu vermeiden, sollte bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz, allenfalls sogar bis zur Beendigung des Rechtsstreits, eine Aktie zurückbehalten werden.

3.6.2. Für den Verlust der Mitgliedschaft nach strukturverändernden Hauptversammlungsbeschlüssen (Verschmelzung, Spaltung, Umwandlungen, nicht verhältniswahrende Spaltungen, Squeeze-out) vertritt Diregger (aaO § 196 Rz 18) bei der verhältniswahrenden Abspaltung, der Fortbestand der Klagslegitimation ergebe sich schon daraus, dass die Mitgliedschaft modifiziert werde, jedoch weiterhin bestehen bleibe. Heikel seien vor allem jene Fälle, in denen der anfechtungsbefugte Aktionär im Zuge der Strukturänderung aus der Gesellschaft ohne Rechtsnachfolger ausscheide. Dabei komme es nach richtiger Ansicht darauf an, ob der Anfechtungskläger auch nach Eintragung der Umgründung noch ein rechtliches Interesse an der Einbringung oder Fortsetzung des Anfechtungsklageverfahrens haben könne. An diesem rechtlichen Interesse werde es in aller Regel fehlen, wenn sich die Beschlussanfechtung nicht unmittelbar gegen den strukturändernden Beschluss richtet (zB Gesellschafterausschluss), sondern die Beschlussmängelklage gegen andere Beschlussgegenstände gerichtet ist (zB Entlastungsbeschlüsse). Damit werde vermieden, dass Verbandsbeschlüsse durch Rechtsgestaltungsklage vernichtet werden, ohne dass der ausgeschiedene Aktionär davon unmittelbar betroffen sei.

3.7.1. Nach Eckert/Schopper (aaO § 196 Rz 11) liegt bei Übertragung der Mitgliedschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge ein Fall des § 234 ZPO vor. Die Sachlegitimation des Anfechtungsklägers beruhe auf einem aus der Mitgliedschaft (der „Sache“) resultierenden Anspruch, dem Anfechtungsrecht, und dieser Anspruch habe auch die von der Rechtsprechung zu § 234 ZPO geforderte grundsätzliche Eignung auf den Erwerber überzugehen. Daher sei der Einwand mangelnder Aktionärsstellung unbeachtlich, wenn der Kläger diese erst nach dem Eintritt der Streitanhängigkeit durch Übertragung seiner Aktien an einen Dritten verloren habe. Ein besonderes rechtliches Interesse des Veräußerers brauche, wie allgemein nach § 234 ZPO, nicht vorzuliegen.

3.7.2. Für den Fall des Verlusts der Mitgliedschaft durch Strukturänderungen einschließlich des Gesellschafterausschlusses richte sich die Anfechtung der Beschlussfassung über die Strukturmaßnahme selbst nach den dargestellten Regeln und werde durch das Wirksamwerden der Maßnahme nicht berührt. Soweit die Maßnahme kraft besonderer gesetzlicher Anordnung (insbesondere § 230 Abs 2 AktienG, § 14 Abs 3 SpaltG) auch im Fall eines stattgebenden Anfechtungsurteils nicht rückabgewickelt werden könne, habe der Kläger die Wahl, das Anfechtungsbegehren weiterzuverfolgen, auf Schadenersatz umzustellen oder auf Kosten einzuschränken. In den übrigen Fällen bleibe das Rechtsschutzziel der Anfechtungsklage vom Wirksamwerden der Maßnahme ohnedies unberührt. Für Anfechtungsklagen gegen andere Beschlüsse komme es bei Verlust der Aktionärsstellung durch strukturändernde Beschlüsse darauf an, dass der Anfechtungskläger auch nach Eintragung der Maßnahme ein rechtliches Interesse an der Einbringung und und auch Fortsetzung der Anfechtungsklage habe ( Eckert/Schopper aaO § 196 Rz 12). Ein solches rechtliches Interesse liege vor, wenn der angefochtene Beschluss geeignet sei, die Rechtsstellung des Klägers zu verbessern oder zu verschlechtern.

3.8. Nach Kalss (Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 5 GesAusG Rz 26) wirkt sich ein Verlust der Gesellschafterstellung durch Gesellschafterausschluss nicht auf eine bereits vorher erhobene Beschlussanfechtungsklage aus. Die ausgeschiedenen Minderheitsgesellschafter müssten aber ein gesellschaftsrechtliches Rechtsschutzbedürfnis an der Prozessfortführung haben (unter Berufung auf 4 Ob 85/04k sowie BGH II ZR 46/05). Diese Voraussetzung sei jedoch nicht prozessrechtlich zu verstehen, weil die ZPO das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeine Prozessvoraussetzung nicht kenne und § 234 ZPO das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht verlange. Voraussetzung für die Prozessführung sei nur das Vorliegen einer materiell rechtlichen Sachlegitimation. Diese liege vor, wenn der Ausgang der Klagsführung Auswirkungen auf die Höhe der Barabfindung haben könne. Als Beispiel nennt Kalss eine Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss zur Übertragung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens auf den Hauptgesellschafter oder eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss.

3.9. Auch in Deutschland entspricht es der herrschenden Auffassung, dass ein Aktionär nach Verlust der Aktionärsstellung einen bereits eingeleiteten Anfechtungsprozess nur bei Vorliegen eines entsprechenden rechtlichen Interesses fortsetzen könne (BGH II ZR 46/05; Grunewald in MüKo AktG 4 § 327e Rz 15; Grzimek in Angerer/Geibl/Süßmann , AktG³ § 327e Rz 38). Dieses Interesse sei gegeben, wenn die Zulässigkeit etwa des Squeeze out oder die Höhe der angemessenen Barabfindung betroffen sei.

3.10. Lediglich von einer Mindermeinung wird – in Fortführung des Gedankens, dass der Aktionär „Hüter von Gesetz und Satzung“ sei ( Ehmann in Grigoleit , AktG § 245 Rz 2) und eine Art „Polizeifunktion“ ( Hüffer/Schäfer in MüKo AktG 4 § 245 Rz 8) ausübe – die Auffassung vertreten, dem Aktionär müsse auch nach seinem Ausscheiden unabhängig von seinem rechtlichen Interesse ein Klagerecht zukommen ( Schwab in K. Schmidt/Lutter , AktG 4 § 245 Rz 27; Waclawik , ZIP 2007, 1 [5]).

4.1. Die Frage der Auswirkung eines Verlusts der Aktionärsstellung bei Veräußerung der Aktien braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend beantwortet zu werden, weil kein derartiger Fall vorliegt.

Für den Fall des Verlusts der Aktionärsstellung aufgrund von Strukturmaßnahmen einschließlich des Gesellschafterausschlusses nach dem GesAusG vertritt aber die herrschende Lehre im Einklang mit der Rechtsprechung zum Spaltungsgesetz, dass der ausgeschiedene Aktionär eine Beschlussanfechtungsklage nach Verlust seiner Aktionärsstellung nur erfolgreich fortsetzen kann, wenn der angefochtene Beschluss geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers zu verschlechtern. Dieser Auffassung ist (weiterhin) zu folgen. Der Umstand, dass eine Beschlussanfechtung auch im allgemeinen Interesse an der Rechtmäßigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen betrieben werden kann (6 Ob 169/16w ErwGr 3.9.) steht dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber bindet die Anfechtungsbefugnis an die Aktionärs- oder Organstellung. Durch die Voraussetzung, dass der angefochtene Beschluss geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers zu verschlechtern, wird verhindert, dass Verbandsbeschlüsse durch Rechtsgestaltungsklage vernichtet werden, ohne dass der ausgeschiedene Aktionär davon unmittelbar betroffen ist ( Diregger aaO § 196 Rz 18).

4.2. Ob die angeführte Voraussetzung im konkreten Fall erfüllt ist, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl schon zur Spaltung 7 Ob 287/06s). Die maßgeblichen Grundsätze sind durch die vorliegende Judikatur und Literatur bereits ausreichend klargestellt. Demnach besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse des ausgeschiedenen Aktionärs etwa fort, wenn ein Beschluss angefochten wird, der ohne seine Beseitigung auch einer Entscheidung über eine allfällige Barabfindung als konstitutiv zugrunde gelegt werden müsste, etwa bei einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss zur Übertragung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens auf den Hauptgesellschafter oder einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss (vgl Kalss aaO § 5 GesAusG Rz 26), nicht aber etwa bloß bei Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses (4 Ob 85/04k; 7 Ob 287/06s).

4.3. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Seine Auffassung, die Voraussetzung, dass der angefochtene Beschluss geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers zu verschlechtern, sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, ist nicht korrekturbedürftig. Wenn es zu dem Ergebnis gelangte, dass die beim Sonderprüfungsantrag der Nebenintervenientin erhobenen – im Übrigen nicht weiter substanziierten – Vorwürfe gegen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der (gescheiterten) Beendigung der Börsenotiz der Gesellschaft und die ebenfalls nicht weiter substanziiert behaupteten Ansprüche im Zusammenhang mit der Ermittlung von Abschreibungen nicht geeignet sind, die Rechtsstellung der Erstklägerin zu beeinflussen, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Abgesehen davon, dass jedenfalls allfällige mit der gescheiterten Beendigung der Börsenotiz verbundene Kosten nur ganz minimal zu einer Erhöhung des Barabfindungsanspruchs der Erstklägerin führen könnten, bleibt es der Erstklägerin unbenommen, allfällige Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organe im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung zu substanziieren. Einer Sonderprüfung bedarf es hiezu nicht zwingend.

4.4. Soweit die Revision auf die des Landgerichts Frankfurt 3 5 O 71/04 (= DB 2004, 2742) verweist, ist ihr entgegenzuhalten:

Das Gericht führt aus, ein Antragsteller sei ohne Sonderprüfung zum Thema, ob im Zusammenhang mit einem Squeeze-out Ansprüche gegen den Hauptaktionär bestehen, häufig nicht in der Lage, dem Gericht im Spruchverfahren konkrete Ansatzpunkte für einen Schadenersatzanspruch und damit dessen Auswirkungen auf die Höhe des Abfindungsbetrags zu unterbreiten. Zudem erscheine fraglich, ob ein im Spruchverfahren vom Gericht bestellter Sachverständiger, gegebenenfalls lange nach dem die Aktienübertragung erfolgt ist, noch die selben Feststellungen treffen kann, die ein zeitnäher von der Hauptversammlung bestellter Sonderprüfer treffen könne.

Ob diese Voraussetzung erfüllt ist und der ausgeschiedene Aktionär die Sonderprüfung benötigt, um überhaupt entsprechend bestimmtes Vorbringen im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung erstatten zu können, ist aber wiederum eine Frage des Einzelfalls. Ein Grund, Anträge auf Sonderprüfung ganz generell gleich zu behandeln wie solche Beschlüsse, die nach dem Gesagten das Gericht bei Überprüfung der Barabfindung jedenfalls zugrunde zu legen hätte, ist nicht ersichtlich.

5. Da im vorliegenden Fall die Erstklägerin ihre Aktionärsstellung bereits während des Verfahrens erster Instanz verloren hat, bedarf es keines Eingehens auf die in der Literatur unterschiedlich beantwortete Frage, ob der Verlust der Aktionärsstellung im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht werden muss (in diesem Sinne 7 Ob 287/06s) oder – in gewissem Sinn vergleichbar dem rechtlichen Interesse an der Feststellungsklage nach § 228 ZPO – in jeder Lage des Verfahrens eingewendet werden kann (so Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss , Aktiengesetz² § 196 Rz 18; Eckert/Schopper aaO § 196 Rz 12 aE; Reich Rohrwig , ecolex 2006, 493).

6. Damit kommt es im vorliegenden Fall auf die Frage, ob der Zweitklägerin bei der Fassung der bekämpften Beschlüsse ein Stimmrecht zukam, nicht an. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf zu verweisen, dass der erkennende Senat zwischenzeitig in der Entscheidung 6 Ob 104/19s ausführlich zum Entfall des Stimmrechts Stellung genommen hat. Zur konkreten Situation zwischen den Streitteilen hat der erkennende Senat zu dem bereits in der Vorentscheidung 6 Ob 221/16t (insb ErwG 2.5.) ausführlich Stellung genommen.

7. Zusammenfassend war die Revision somit zurückzuweisen.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.