JudikaturJustiz6Ob194/59

6Ob194/59 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 1959

Kopf

SZ 32/113

Spruch

Die Pflicht zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit begreift die Verbindlichkeit in sich, die erforderlichen Anlagen in gutem Stande zu erhalten.

Entscheidung vom 23. September 1959, 6 Ob 194/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Imst; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Mit dem Ersturteil wurden das Urteilsbegehren des Klägers, daß der Beklagte das Hineinschütten von Abwässern in den Ablauf des auf dem Grundstück Nr. 5563/1 KG. A. nächst dem Grundstück Nr. 53 stehenden Brunnens bis zur Wiederinstandsetzung der durch das Grundstück Nr. 53 KG. A. führenden Holzrinne sofort zu unterlassen habe, und das Eventualbegehren auf Feststellung, daß der Beklagte kein Recht habe, solange diese Holzrinne nicht wiederhergestellt sei, Abwässer in den Brunnenablauf zu schütten, kostenpflichtig abgewiesen.

Das Erstgericht stellte fest, der Kläger sei grundbücherlicher Eigentümer des Hofes EZ. 4 des Grundbuches über die KG. A., zu welchem Gutsbestand u. a. das Grundstück Nr. 103, Wohnhaus samt Wirtschaftsgebäude und Hofraum, sowie das anschließende Grundstück Nr. 53, Garten, gehöre. Diese Grundstücke schließen an die P.- Straße, Grundstück Nr. 5563/1, an, auf der ein der Gemeinde A. gehöriger Dorfbrunnen steht. Der Ablauf für das abfließende Brunnenwasser verlaufe vom Brunnentrog weg zunächst in einer betonierten Rinne zu einer noch auf der Straße befindlichen Sickergrube und von dort in einer Betonrinne von etwa 1 m Länge in das Grundstück Nr. 53 und anschließend in einer etwa 10 cm über dem Erdboden verlaufenden Holzrinne durch das Gartengrundstück Nr. 53 zu dem der Agrargemeinschaft A.-Dorf gehörigen Wasserbassin auf dem Grundstück Nr. 916. Da in A. keine Kanalisation bestehe, hätten der Beklagte und seine Rechtsvorgänger - so wie andere Bewohner in der Nachbarschaft des Brunnens - seit weit mehr als 30 Jahren die Abwässer in den Brunnenablauf geschüttet, ohne daß sie daran gehindert worden wären. Vor einiger Zeit sei die Holzrinne schadhaft geworden, so daß das abfließende Brunnenwasser und damit auch die in den Brunnenabfluß geschütteten Abwässer sich auf das Gartengrundstück Nr. 53 des Klägers ergossen hätten. Auf Grund von Beschwerden des Klägers sei durch die Gemeinde A. im Hochsommer 1958 der Wasserzufluß zum Brunnen gesperrt worden. Außerdem habe die Gemeinde auch das Verbot erlassen, Abwässer in den Brunnenauslauf zu schütten. Der Beklagte wolle sich aber an dieses von der Gemeinde erlassene Verbot nicht halten und habe dem Kläger erklärt, daß dieses Verbot von ihm nicht anerkannt werde. Aus diesem tatsächlichen Sachverhalt folgerte das Erstgericht, daß der Beklagte das Recht ersessen habe, die Abwässer seiner Hofstelle in die Ablaufrinne zu schütten, die durch den Garten des Klägers führe, und derart abzuleiten. Es fehle daher dem Klagebegehren und dem Eventualbegehren die Grundlage.

Das Berufungsgericht änderte auf Berufung des Klägers das Ersturteil dahin ab, daß es den Beklagten kostenpflichtig für schuldig erkannte, "das Hineinschütten von Abwässern bis zur Wiederinstandsetzung der durch das Grundstück Nr. 53 KG. A. führenden Holzrinne in den Ablauf des auf dem Grundstück Nr. 5563/1 KG. A. nächst dem Grundstück Nr. 53 stehenden Brunnens mit der Wirkung, daß diese Abwässer auf das Grundstück Nr. 53 KG. A. gelangen, sofort zu unterlassen". Es übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters und teilte auch dessen Auffassung, daß der Beklagte das Recht ersessen habe, die Abwässer seiner Hofstelle in die Ablaufrinne, die durch den Garten des Klägers führe, zu schütten und abzuleiten. Doch könne seinen rechtlichen Schlußfolgerungen nicht ohne Einschränkung gefolgt werden. Der Beklagte berufe sich zwar mit Recht auf den Ablauf der 30jährigen Ersitzungszeit (§ 1493 ABGB.). Er sei auch (§ 326 ABGB.) als redlicher Besitzer des hier in Betracht kommenden Rechtes anzusehen, weil seine Vorfahren in Ausübung des Rechtes in keiner Weise gehindert worden seien und er daher habe guten Glaubens sein können, berechtigt zu sein, die Abwässer in das abfließende Brunnenwasser zu schütten. Bei Abgrenzung des Umfanges des vom Beklagten ersessenen Rechtes aber sei davon auszugehen, daß während der Ersitzungszeit, als der Beklagte und seine Besitzvorgänger die Abwässer in den Brunnenablauf schütteten, der Dorfbrunnen in Betrieb gewesen sei, so daß die Abwässer mit dem abfließenden Brunnenwasser weggespült worden seien. Der Beklagte habe daher nur das Recht ersessen, die Abwässer seiner Hofstelle mit dem abfließenden Brunnenwasser über die Ableitungsrinne durch das Grundstück Nr. 53 abzuleiten. Seit dem Hochsommer 1958 sei der Brunnen gesperrt. Es würde eine unzulässige Erweiterung der von Beklagten ersessenen Dienstbarkeit bedeuten, wenn dieser weiterhin die Abwässer in den Brunnenablauf schütten wollte und mit Rücksicht auf die schadhafte Holzrinne damit verursachte, daß sich die Abwässer unverdünnt auf das Grundstück des Klägers ergießen. Der Kläger sei gemäß § 484 ABGB. berechtigt, diese unzulässige Erweiterung der ersessenen Dienstbarkeit zu untersagen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

§ 484 ABGB. enthält ein Verbot des Rechtsmißbrauches. Der Berechtigte muß nicht nur selbst auf tunlichste Schonung der dienstbaren Sache Bedacht nehmen, sondern sich auch alle Maßnahmen des verpflichteten Eigentümers gefallen lassen, welche die Ausübung der Dienstbarkeit nicht ernstlich erschweren oder gefährden (Klang 2. Aufl. II 565), wozu jedenfalls das berechtigte Verlangen des Eigentümers gehört, Abwässer ohne Abspülung durch abfließendes Brunnenwasser nicht durch eine beschädigte Leitung über sein Grundstück zu führen. Der Kläger zielt nicht etwa auf eine ständige Untersagung des Hineinschüttens von Abwässern in den Ablauf des Brunnens und einer Ableitung über sein Grundstück ab und macht im vorliegenden Rechtsstreit die Benützung der Holzrinne auch nicht einmal von einem gleichzeitigen Abfließen des Brunnenwassers abhängig. Er will nur die Benützung der schadhaften Holzrinne bis zu deren Wiederinstandsetzung verhindern. Dieses Begehren findet aus den zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes im § 484 ABGB. seine Deckung. Mag auch etwa schon während der Ersitzungszeit die Holzrinne schadhaft gewesen sein, wie der Beklagte im Verfahren vor dem Erstgericht behauptete und worüber Feststellungen fehlen, so hat er jedenfalls nicht das Recht ersessen, eine schadhafte Leitung zum Abfluß von Abwässern bei gesperrtem Brunnen zu benützen. Die Pflicht zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit begreift in sich die Verbindlichkeit, die erforderlichen Anlagen in gutem Stande zu erhalten (Klang a. a. O.). Im vorliegenden Fall ist es daher Sache des Beklagten und der anderen Berechtigten, anteilsmäßig die Holzrinne instandzusetzen (§ 483 ABGB.). Eine Mitbenützung seitens des Klägers wurde im übrigen nicht einmal behauptet. Auch könnte sich der Eigentümer, falls er einen etwa auf ihn entfallenden Anteil an den Erhaltungskosten nicht leisten wollte, davon durch Aufgabe seines Mitbenützungsrechtes befreien (Klang a. a. O. 563). Zieht man alle diese Erwägungen in Betracht, so grenzt das Verhalten des Beklagten gegenüber dem Kläger an Schikane.

Soweit schließlich noch ins Treffen geführt wird, der Beklagte habe vorgebracht und unter Beweis gestellt, daß er seit dem Verbot durch die Gemeinde nicht mehr Abwässer in die Ablaufvorrichtungen geschüttet habe, es sei deshalb das Klagebegehren wegen Erfüllung abzuweisen, so liegt auch in dieser Richtung kein Feststellungsmangel vor. Bei einer Unterlassungsklage ist Erfüllung nur anzunehmen, wenn der rechtswidrige Zustand dauernd beseitigt oder wenn den Umständen nach ein neues Zuwiderhandeln vernünftigerweise nicht zu erwarten ist (JBl. 1937 S. 169, 6 Ob 188/58, 6 Ob 277/58). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wenn nach den Feststellungen der Untergerichte will sich der Beklagte an das von der Gemeinde erlassene Verbot nicht halten und erklärte dem Kläger, daß dieses Verbot von ihm nicht anerkannt werde. Dies und das Verbringen des Beklagten in der mündlichen Streitverhandlung vom 18. November 1958, "er habe seit dem Verbot durch die Gemeinde A. nie mehr Abwässer in die genannten Ablaufvorrichtungen geschüttet, wobei dies aber nicht deshalb geschehen sei, um einen Verzicht auf sein Recht zum Ausdruck zu bringen", spricht deutlich für eine Wiederholungsgefahr.