JudikaturJustiz6Ob18/21x

6Ob18/21x – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin G*****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Antragsgegner 1. Mag. A*****, 2. Ö***** Verband ***** – Revisionsverband, beide *****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen einer Entscheidung nach § 11 GenRevG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 23. November 2020, GZ 4 R 132/20v 9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 22. Juli 2020, GZ 6 Nc 3/20m 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern deren mit 2.157,75 EUR (darin enthalten 359,62 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist eine im Firmenbuch des Landesgerichts ***** zu FN ***** eingetragene gemeinnützige Bau , Wohnungs und Siedlungsgenossenschaft. Zu ihren Aufgaben zählen Errichtung, Erhaltung und Verwaltung von Wohnungen, Garagen, Geschäftslokalen und Eigenheimen in *****.

[2] Die Zweitantragsgegnerin ist ein gesetzlich anerkannter Revisionsverband gemäß § 19 GenRevG. Der Erstantragsgegner ist ein dort tätiger Verbandsprüfer und Revisor. Er wurde von der Zweitantragsgegnerin bestellt, bei der Antragstellerin für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 die gesetzliche Revision durchzuführen.

[3] Gegenstand des Verfahrens ist die bilanzrechtliche Behandlung von Gebäudeabbruchkosten.

[4] Die Antragstellerin errichtete im Jahr 1954 auf einer vor 1954 erworbenen Grundstücksfläche in ***** eine Wohnanlage in der G*****gasse/L*****straße. Im Jahr 1959 errichtete sie auf einer vor 1959 erworbenen Grundstücksfläche eine Wohnanlage in der A*****straße. Diese Wohnanlagen wurden in der Folge an die Genossenschaftsmitglieder vermietet.

[5] Im Jahr 2010 errichtete die Antragstellerin auf dem Grundstück G*****gasse/L*****straße neben der alten Wohnanlage einen Neubau, weil die alte Bausubstanz nicht mehr als sanierungsfähig erachtet wurde. 2016 errichtete sie einen Neubau einer Wohnanlage neben der alten Wohnanlage im Grundstück A*****straße. Die jeweiligen Altgebäude wurden bis zur Fertigstellung der Neubauten von den Altmietern bewohnt. Nach Übersiedlung der Altmieter in die fertig gestellten Neubauten wurden die Altbauten abgerissen.

[6] Die Restbuchwerte der Wohnanlagen wurden jeweils im Jahr des Abbruchs außerplanmäßig aufwandswirksam zur Gänze abgeschrieben. Die Abbruchkosten der Altgebäude wurden als Grundstücksnebenkosten auf die Wertansätze des Grund und Bodens der jeweiligen Liegenschaft aktiviert. In den Erläuterungen zur Bilanz im Jahresabschluss zum 31. 12. 2017 führte die Antragstellerin aus, die Kosten des Abbruchs der Altgebäude würden als Kosten der Herstellung bebauungsfähiger Grundstücke auf den Wertersatz des Grund und Bodens der jeweiligen Liegenschaften aktiviert, soweit sie im Verkehrswert der Grundstücke Deckung fänden.

[7] Im Rahmen der Revision des Jahresabschlusses 2017 verlangten die Antragsgegner, die Bilanz der Antragstellerin dahin zu berichtigen, dass die aktivierten Abbruchkosten der Jahre 2010 und 2016 aufwandswirksam im prüfungsgegenständlichen Jahr verrechnet werden. Die Antragsgegner vertraten auch im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses 2018 die selbe Position zur Aktivierung von Abbruchkosten.

[8] Nachdem darüber in der Schlussbesprechung am 22. 10. 2019 keine Einigung erzielt worden war, wurde im Prüfbericht nur ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk für das Geschäftsjahr 2017 erteilt. Die Frage der Bilanzierung von Abbruchkosten ist auch für den Jahresabschluss 2018 wesentlich, weil in diesem Jahr Abbruchkosten für ein anderes Altobjekt aktiviert sind; es droht deshalb neuerlich die Erteilung eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks.

[9] Bis einschließlich des Prüfungsjahres 2016 wurden durch den jeweiligen Revisor bzw den Prüfungsverband gegen die Bilanzierungsmethoden der Antragstellerin keine Einwendungen erhoben und jeweils uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt.

[10] Die Antragstellerin begehrt, gestützt auf § 11 GenRevG, die Feststellung, dass in ihrem Jahresabschluss 2018 Aufwendungen für den Abbruch von (abbruchreifen) Altgebäuden bei schon lange in Bestand befindlichen Grundstücken (iSd § 203 UGB) als nachträgliche Herstellungskosten des neuen Vermögensgegenstands „Grund und Boden“ zu aktivieren seien. Es handle sich dabei nicht um Anschaffungsnebenkosten, weil die Kosten hier nicht bis zum Zeitpunkt des Erreichens des erstmaligen betriebsbereiten Zustands angefallen seien, sondern um nachträgliche Herstellungskosten. Solche seien jene Aufwendungen iSd § 203 Abs 3 Satz 1 UGB, die durch die Erweiterung eines Vermögensgegenstands oder durch eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstünden. Durch den Abriss sei das Nutzungspotential der Grundstücke gesteigert worden, weil es durch die Errichtung von Neugebäuden zu einer (geringfügigen) Erweiterung der Nutzflächen, zu einer qualitativen Verbesserung der Wohnanlagen und zu einer Verlängerung der Nutzungsdauer der Wohnanlagen gekommen sei. Die Aktivierung entspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, weil diese Anschaffungskosten nicht den realen Marktwerten entsprächen. Das von den Antragsgegnern geforderte Vorgehen stehe im Widerspruch zu ihrer bisherigen, unbeanstandeten Bilanzierungspraxis. Die Aktivierung der Abbruchkosten entspreche auch den Einkommenssteuerrichtlinien 2000, dem Wohnungs-gemeinnützigkeitsgesetz und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

[11] Die Antragsgegner erachten die Aktivierung der Abbruchkosten als unzulässig; diese sie seien vielmehr sofort als Aufwand zu erfassen, und zwar unabhängig davon, ob die abgebrochenen Gebäude baufällig oder gut erhalten gewesen waren. Die Abbruchkosten seien keine nachträglichen Herstellungskosten, weil die Antragstellerin ursprünglich unbebaute Grundstücke erworben und erst zu einem späteren Zeitpunkt die Wohnanlagen errichtet habe. Damit seien Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits nicht als Einheit, sondern getrennt voneinander zu beurteilen. Durch den Abbruch der Gebäude habe die Antragstellerin lediglich den ursprünglichen Zustand von Grund und Boden vor Errichtung der Altgebäude (unbebauter Baugrund) wieder hergestellt; es sei kein neuer Vermögensgegenstand mit einer abweichenden Verkehrsgängigkeit geschaffen worden. Die von der Antragstellerin angestrebte Aktivierung der Abbruchkosten widerspreche den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchhaltung, weil dadurch ein zu hohes Eigenkapital ausgewiesen würde. Bei Unsicherheit über die Aktivierbarkeit wären die Abbruchkosten schon aufgrund des Vorsichtsprinzips als Aufwand zu erfassen gewesen. Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit komme nicht zur Anwendung, wenn die angewendeten Methoden falsch oder fehlerhaft seien; das sei hier der Fall. Darüber hinaus habe eine maßgebliche Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stattgefunden, sodass jedenfalls kein Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzstetigkeit vorliege. Weder aus den Einkommenssteuerrichtlinien noch aus dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sei die von der Antragstellerin vertretene Rechtsansicht abzuleiten.

[12] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab; das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob Abbruchkosten von nach Ankauf eines Grundstücks errichteten Gebäuden, die bis zum Abbruch noch bewohnt wurden, bei gleichzeitiger Errichtung eines Neubaus bilanzrechtlich als Aufwand oder als Herstellungskosten für Grund und Boden zu verbuchen seien. Rechtlich schloss sich das Rekursgericht im Wesentlichen der Argumentation der Antragsgegner an.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

[14] 1. Zur Anrufung des Gerichts :

[15] 1.1. Gemäß § 11 GenRevG entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Revisor oder dem Revisionsverband und der Genossenschaft über die Auslegung und Anwendung von gesetzlichen Vorschriften über die Revision auf Antrag (unter anderem) des Revisors oder des Revisionsverbands das Gericht im außerstreitigen Verfahren (§ 30 GenRevG).

[16] Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 840 BlgNR 20. GP 27) handelt es sich bei § 11 GenRevG um die Übernahme der entsprechenden Bestimmung des § 276 UGB. Aus diesem Grund sind für die Auslegung des § 11 GenRevG auch die Lehre und Rechtsprechung zu § 276 UGB sinngemäß heranzuziehen (RS0130324 = 6 Ob 142/15y).

[17] Die vom Gericht zu beurteilende Meinungsverschiedenheit muss sich auf einen konkreten Sachverhalt im Zuge der Revision beziehen und dabei Auslegungsfragen über gesetzliche Vorschriften oder Satzungsbestimmungen des Revisionsverfahrens betreffen. Rein abstrakte und vom jeweiligen Sachverhalt losgelöste Rechtsfragen können nicht unter dieser Bestimmung behandelt werden. Auch Meinungsverschiedenheiten über reine Tatsachenfeststellungen sind nicht Gegenstand des in § 11 GenRevG geregelten Verfahrens. Nach dieser Bestimmung zu lösen sind aber unterschiedliche Ansichten über die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften auf unstrittige Sachverhalte (6 Ob 142/15y).

[18] 1.2. Im vorliegenden Verfahren wurde dem Gericht eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Revisor und dem Revisionsverband einerseits und der Genossenschaft andererseits zur Beurteilung vorgelegt, die sich darauf bezieht, ob Kosten des Abbruchs bereits lange im Betriebsvermögen vorhandener Gebäude in der Bilanz als nachträgliche Herstellungskosten von Grund und Boden aktivierbar sind.

[19] Der Antrag selbst enthält zwar keine Präzisierung der Meinungsverschiedenheit durch Angabe der damit angesprochenen Liegenschaften. Die Antragstellerin hat aber – unbestritten – vorgebracht, die im Jahresabschluss 2017 enthaltenen Posten (gemeint: betreffend die Liegenschaften G*****gasse/L*****straße und A*****straße) seien auch in der Bilanz 2018 im Anlagevermögen aktiviert; darüber hinaus seien in der zu prüfenden Bilanz 2018 Abbruchkosten von 177.172,54 EUR für ein konkret bezeichnetes weiteres Altobjekt (*****, S***** Straße) enthalten. Damit ergibt sich aus dem Antrag im Zusammenhalt mit dem Vorbringen (vgl RS0037432) ausreichend deutlich, dass dem abstrakt formulierten Antrag eine konkrete Meinungsverschiedenheit zwischen den Parteien des Verfahrens zugrunde liegt.

[20] Ob die beantragte Feststellung im Hinblick auf ein aus dem materiellen Recht entspringendes Bestimmtheitserfordernis ausreichend konkret gefasst ist (vgl Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG² [2019] § 36 Rz 19), kann hier schon deshalb dahinstehen, weil der Antrag von den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen wurde.

[21] 2. Herstellungskosten nach § 203 Abs 3 UGB :

[22] 2.1. Gemäß § 23 Abs 2 WGG hat die Rechnungslegung gemeinnütziger Bauvereinigungen unabhängig von ihrer Größe und Rechtsform grundsätzlich in Anwendung der Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuchs und des § 260 AktG zu erfolgen ( Zehetner in Dellinger , GenG² [2014] § 23 GenG Rz 111 ff). Aus diesem Verweis folgt die Maßgeblichkeit der §§ 201 bis 211 UGB für die hier zu beurteilende Bilanzierungsfrage.

[23] 2.2. Die Antragstellerin geht von der Qualifikation von Gebäudeabbruchkosten als nachträgliche Herstellungskosten des Vermögensgegenstands „Grund und Boden“ gemäß § 203 UGB aus.

[24] 2.3. § 203 (und § 204) UGB kommen zur Anwendung, wenn Immobilien dem Anlagevermögen zuzurechnen sind. Das ist der Fall, wenn der Unternehmensgegenstand – wie hier – die unternehmerische Vermietung von Immobilien umfasst ( Keppert , Die Bilanzierung von Immobilien nach den Bestimmungen des HGB [UGB], SWK 2006, W 131, W 132).

[25] 2.4. Herstellungskosten sind nach § 203 Abs 3 Satz 1 UGB die Aufwendungen, die für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

[26] Die Herstellungskosten und die (in § 203 Abs 2 UGB definierten) Anschaffungskosten bilden die zentralen Wertmaßstäbe, die für die Zugangsbewertung von Vermögensgegenständen zur Verfügung stehen ( Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ [2019] § 203 UGB Rz 4, 6).

[27] Mit der Definition der Begriffe der Anschaffungs und der Herstellungskosten strebte der Gesetzgeber eine Schranke für eine zu extensive Auslegung der beiden Wertmaßstäbe und für eine zu weitreichende Aktivierung im Jahresabschluss an (ErläutRV 1270 BlgNR 17. GP 50; Fattinger/Patloch-Kofler in Bertl/Mandl , Handbuch Rechnungslegung [21. Lfg 2017] § 203 Abs 1–4 UGB Rz 2).

[28] Die Aktivierung der Herstellungskosten dient dazu, den Herstellungsvorgang in der Periode der Herstellung erfolgsneutral darzustellen ( Konezny in U. Torggler , UGB³ [2019] § 203 Rz 25; Fattinger/Patloch-Kofler in Bertl/Mandl , Handbuch Rechnungslegung § 203 Abs 1–4 UGB Rz 53); abgebildet werden soll eine Vermögensumschichtung ( Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ [43. Lfg 2016] § 203 Rz 6, 67).

[29] 2.5. Der Zugang eines Vermögensgegenstands durch Herstellung liegt dann vor, wenn der Vermögensgegenstand als solcher noch nicht bestanden hat oder wenn zwar ein Vermögensgegenstand vorlag, der Herstellungsprozess aber dessen Nämlichkeit ändert. Dies ist nach den Kriterien der Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit zu prüfen. Die Nämlichkeit hat sich daher verändert, wenn ein neuer Verkehrsgegenstand mit anderer Funktions oder Verkehrsgängigkeit entstanden ist ( Konezny in U. Torggler , UGB³ § 203 Rz 30 ua).

[30] Die Herstellungskostendefinition umfasst aber nicht nur erstmalige, sondern auch nachträgliche Herstellungsvorgänge ( Erweiterung und wesentliche Verbesserungen über den ursprünglichen Zustand hinaus), die mit der späteren Veränderung eines bereits existierenden (angeschafften oder hergestellten) Vermögensgegenstands verbunden sind ( S. Lang in Zib/Dellinger , UGB § 203 Rz 94; Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 69; Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 79; Konezny in U. Torggler , UGB³ § 203 Rz 31; Fattinger/Patloch-Kofler in Bertl/Mandl , Handbuch Rechnungslegung § 203 Abs 1–4 UGB Rz 53 f).

[31] Eine Erweiterung iSd § 203 Abs 3 UGB ist die Mehrung der Substanz an einem vorhandenen Vermögensgegenstand ( S. Lang in Zib/Dellinger , UGB § 203 Rz 96; Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 70). Eine Erweiterung liegt vor, wenn über die bloße Instandsetzung hinaus ein zusätzliches Nutzenpotential (etwa durch eine Anlagevergrößerung, Aufstockung oder Zubau) geschaffen wird ( Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 79). Auch bei Hinzufügen neuer Funktionen (etwa dem erstmaligen Einbau einer Liftanlage) liegt eine Erweiterung vor ( S. Lang in Zib/Dellinger , UGB § 203 Rz 100).

[32] Eine wesentliche Verbesserung liegt vor, wenn ohne eine Ausweitung der physischen Substanz ein zusätzliches Nutzenpotential geschaffen wird ( Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 78; S. Lang in Zib/Dellinger , UGB § 203 Rz 103), etwa durch Verbesserung der Kapazität eines Gegenstands, Verlängerung seiner Nutzungsdauer oder Rationalisierung der Leistungserstellung ( Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 71). Die Qualitätssteigerung muss allerdings über die im Rahmen laufender Modernisierungs und Reparaturarbeiten entstehenden Produktivitäts bzw Qualitätsgewinne hinausgehen ( Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 78; S. Lang in Zib/Dellinger , UGB § 203 Rz 100, 103). Wird hingegen nur das ursprüngliche Nutzungspotential wieder hergestellt, so handelt es sich um Instandsetzungsaufwendungen, nicht um aktivierungspflichtige Herstellungskosten ( Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 78).

[33] Vergleichsmaßstab für das Vorliegen einer wesentlichen Verbesserung ist der Zustand des Vermögensgegenstands zum Zeitpunkt der erstmaligen Bilanzierung im Unternehmen, modifiziert um nachträgliche Anschaffungs oder Herstellungskosten und außerplanmäßige Abschreibungen ( Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 71 mwN).

[34] 2.6. Alle Aufwendungen, die nicht von der Herstellungskostendefinition des § 203 Abs 3 UGB erfasst sind, die also nicht die Kriterien für die Herstellung, Erweiterung oder wesentliche Verbesserung erfüllen, stellen sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand dar ( Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 79; Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 71; S. Lang in Zib/Dellinger , UGB § 203 Rz 95); sie sind also nicht aktivierungsfähig ( Fattinger/Patloch-Kofler in Bertl/Mandl , Handbuch Rechnungslegung, § 203 Abs 1–4 UGB Rz 55).

[35] 3. Zur Aktivierung von Abbruchkosten :

[36] 3.1. Die hier zu beurteilende Meinungsverschiedenheit betrifft Liegenschaften, die von der Antragstellerin unbebaut erworben worden waren, auf denen sie in der Folge Gebäude errichtete und die Wohnungen im Rahmen des Genossenschaftszwecks vermietete.

[37] 3.2. Eine Aktivierung der Abbruchkosten von langjährig genutzten Gebäuden als nachträgliche Herstellungskosten des Vermögensgutes „Grund und Boden“ gemäß § 203 UGB wird in der Literatur einhellig abgelehnt (dazu unten).

[38] Hintergrund des Meinungsstands ist die ältere, seit 2005 nicht mehr aufrecht erhaltene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur steuerlichen Behandlung von Gebäudeabbruchkosten. Nach dieser Rechtsprechung sollten im Fall des Abbruchs eines noch verwendbaren Gebäudes, das nicht in Abbruchabsicht erworben wurde und schon längere Zeit zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehörte, die Abbruchkosten und der Restbuchwert des abgerissenen Altgebäudes zu den Herstellungskosten des Neugebäudes gehören (sogenannte „ Opfertheorie “; VwGH 0055/79; 89/14/0027; 93/14/0175; vgl dazu Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 75). Eine Behandlung der Abbruchkosten als nachträgliche Anschaffungs- bzw Herstellungskosten des nunmehr unbebauten Grundstücks (wie es die Antragstellerin hier nach unternehmensrechtlicher Beurteilung anstrebt) wurde für den Fall angenommen, dass nach dem Abbruch eines Altgebäudes auf dem Grundstück kein neues Gebäude errichtet wurde (VwGH 0923/66, zitiert nach Bertl/Hirschler , Abbruch eines zum Betriebsvermögen zählenden Gebäudes, RWZ 2005, 232).

[39] Der Verwaltungsgerichtshof hat seine zu den Vorgängergesetzen des EStG 1988 vertretene Auffassung, wonach die Abbruchkosten und der Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes auf ein anderes Wirtschaftsgut (das neu errichtete Gebäude oder den Grund und Boden) zu aktivieren seien („Opfertheorie“), für den Geltungsbereich des EStG 1988 in der Folge jedoch nicht mehr aufrecht erhalten (VwGH 2012/15/0104 vom 28. 5. 2015). Nach der Entscheidung 2003/14/0107 (vom 25. 11. 2006) sind die Abbruchkosten und der Restbuchwert eines schon länger im Betriebsvermögen befindlichen Gebäudes nicht Teil der Herstellungskosten des neuen Gebäudes (so auch VwGH 2011/15/0088 vom 27. 11. 2014 für den Fall, dass ein noch verwendbares Gebäude erworben und zeitnah zum Erwerb abgerissen wird).

[40] Zu 2002/14/0011 (vom 7. 6. 2005) hat der Verwaltungsgerichtshof die Qualifikation von Abbruchkosten eines schon lange im Besitz befindlichen, nicht mehr verwendbaren Gebäudes als Anschaffungs bzw Herstellungskosten von Grund und Boden abgelehnt, wenn anstelle des Altgebäudes ein Neugebäude errichtet wurde. In einem solchen Fall hätten die Aufwendungen nicht dazu gedient, ein unbebautes Grundstück herzustellen (vgl Bertl/Hirschler , Abbruch eines zum Betriebsvermögen zählenden Gebäudes, RWZ 2005, 232 f).

[41] 3.3. Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Aktivierung von Abbruchkosten eines Gebäudes als Herstellungskosten von Grund und Boden gemäß § 203 UGB liegt nicht vor.

[42] 3.4. Die unternehmensrechtliche Literatur lehnt die Aktivierung von Abbruchkosten für einen Fall wie den vorliegenden durchwegs ab. Eine Aktivierung von Abbruchkosten eines Altgebäudes wird nur noch für den Fall des Erwerbs einer bebauten Liegenschaft zum Zweck des Abbruchs und der Neubebauung diskutiert (vgl Bertl/Hirschler , Abbruch eines zum Betriebsvermögen zählenden Gebäudes, RWZ 2005, 232: nur für einen solchen Fall sei der Grundgedanke der Opfertheorie „haltbar“; dies , Neues zum Ende der Opfertheorie, RWZ 2006, 173, 174, bezeichnen diesen Fall als „letzten effektiven Anwendungsfall der Opfertheorie“; vgl zur [steuerrechtlichen] Behandlung von Abbruchkosten eines abbruchreifen Gebäudes als Anschaffungskosten von Grund und Boden die Einkommenssteuerrichtlinien 2000, Rz 2618 sowie Grünberger , Das Ende der Opfertheorie?, SWK 2007, S 297, S 301).

[43] Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Erwerber beim Erwerb in Abbruchabsicht ein unbebautes Grundstück zwecks Neubebauung erwerben will, sodass es sich bei den Abbruchkosten um Aufwand für die „Herstellung“ des unbebauten Grundstücks und daher um Anschaffungsnebenkosten handle (vgl die Darstellung bei Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 75). Dass ein solcher Fall hier nicht zu beurteilen ist, hat die Antragstellerin in ihrem Antrag ausdrücklich klargestellt.

[44] Für den Fall des Erwerbs eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht fehlt hingegen der finale Zusammenhang zwischen dem Erwerb und dem Abbruch sowie dem später verfolgten Zweck der Neuerrichtung. Die Abbruchkosten können daher nicht dem neuen Gebäude zugeordnet werden, sondern sind als laufender Aufwand im Jahr des Abbruchs erfolgswirksam zu berücksichtigen (so Bertl/Hirschler , Abbruch eines zum Betriebsvermögen zählenden Gebäudes, RWZ 2005, 232; Hirschler , Schlägt der Opfertheorie die letzte Stunde?, SWK 2011, S 922, S 925 [auch für kürzlich erworbene Gebäude]; Janschek/Jung in Hirschler , Bilanzrecht I³ § 203 Rz 75 am Ende).

[45] Wenn ein schon lange im Betriebsvermögen befindliches Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird, sind die Abbruchkosten und der Restbuchwert (auch) unternehmensrechtlich als Aufwand zu erfassen ( Grünberger , Das Ende der Opfertheorie?, SWK 2007, S 297, S 301).

[46] Fattinger/Patloch-Kofler qualifizieren die Abbruchkosten eines noch verwendbaren Gebäudes als durch das abgebrochene Gebäude verursachten (erfolgsmindernden) Aufwand. Nur dann, wenn ein Grundstück mit bereits im Anschaffungszeitpunkt für den beabsichtigten Gebrauch wertlosen Gebäuden erworben wird, zählen sie die die Abbruchkosten zu den (zu aktivierenden) Anschaffungskosten von Grund und Boden ( Fattinger/Patloch-Kofler in Bertl/Mandl , Handbuch Rechnungslegung, § 203 Abs 1–4 UGB Rz 46 f).

[47] Nach Beiser sind die Abrisskosten eines alten Gebäudes sowohl mit erschöpftem als auch mit noch vorhandenem Nutzungspotential nicht zu aktivieren (und zwar auch dann nicht, wenn der Erwerber ein Grundstück zum Zweck der Neubebauung erwirbt). Die Abriss- und Entsorgungskosten dienten der Herstellung des ursprünglich unbebauten Zustands des Grundes und stellten daher nur das ursprüngliche Nutzungspotential des Grundes wieder her; ein darüber hinausgehendes Nutzungspotential werde durch die Beseitigung des Altgebäudes nicht geschaffen. Die Abrisskosten des alten Gebäudes seien auch nicht Kosten, um das Grundstück iSd § 203 Abs 2 UGB in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Erst die Herstellung des neuen Gebäudes sei die Schaffung eines neuen Vermögensgegenstands; der Abriss beende bloß die Nutzung des alten Gebäudes. Eine Aktivierung der Abrisskosten sei daher nicht zulässig ( Beiser , Aktivierungspflicht bei Anschaffung und Abriss eines Gebäudes?, ÖStZ 2010, 507, 508 f).

[48] Urnik/Urtz sprechen sich ebenfalls für die Behandlung der Abbruchkosten als (erfolgswirksamen) Aufwand aus, und zwar unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Gebäudes und unabhängig davon, ob es in Abbruchabsicht erworben wurde oder nicht ( Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 20 am Ende).

[49] 4. Zur vorliegenden Meinungsverschiedenheit :

[50] 4.1. Die Antragstellerin leitet die Qualifikation als (nachträgliche) Herstellungskosten des Vermögensgegenstands „Grundstück“ daraus ab, dass dessen Nutzungspotential durch den Abriss der Altgebäude massiv gesteigert worden sei, und zwar konkret durch eine Mehrung der Substanz (die Nutzflächen der neuen Wohnanlagen lägen geringfügig über jenen des Altbestands) und weil die Wohnanlagen verbessert sowie die Nutzungsdauer verlängert worden seien, indem Wohnanlagen auf dem aktuellen Stand der Technik errichtet wurden.

[51] 4.2. Diese ins Treffen geführten Erweiterungen und wesentlichen Verbesserungen betreffen schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht den Vermögensgegenstand Grundstück, sondern den davon zu unterscheidenden ( Baumbach/Hopt , HGB 40 [2021] § 255 HGB Rz 12; Tiedchen in Münchener Kommentar zum Bilanzrecht [2013] § 252 HGB Rz 31; Winnefeld , Bilanz-Handbuch 5 [2015] Rz 555, jeweils zur vergleichbaren [ErläutRV 1270 BlgNR 18. GP 50] deutschen Rechtslage) Vermögens-gegenstand der darauf errichteten Gebäude.

[52] Die in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.

[53] 4.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die „Herstellung des unbebauten Zustands“ des Grundstücks durch den Abriss der Altgebäude nur den ursprünglichen Zustand dieses Vermögensgegenstands wieder herstellte, steht im Einklang mit der zitierten Literatur (vgl Beiser , Aktivierungspflicht bei Anschaffung und Abriss eines Gebäudes?, ÖStZ 2010, 507, 508 f). Soweit die Antragstellerin die bebaute Liegenschaft als Vergleichsmaßstab heranziehen will, lässt sie außer Acht, dass mit der Herstellung der Gebäude – nach der Anschaffung der Liegenschaften – neue, von der Liegenschaft verschiedene Vermögensgegenstände hergestellt wurden. Deren Restbuchwerte wurden im Jahr des Abbruchs jeweils außerplanmäßig aufwandswirksam abgeschrieben.

[54] Daraus, dass der Vergleichsmaßstab im Zustand des Vermögensgegenstands zum Zeitpunkt der erstmaligen Bilanzierung im Unternehmen modifiziert um nachträgliche Anschaffungs und Herstellungskosten oder außerplanmäßige Abschreibungen besteht (vgl Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 71), ergibt sich entgegen dem Vorbringen im Revisionsrekurs nicht, dass die Errichtung der Altgebäude im vorliegenden Fall (bloß) zu einer Modifikation des Vermögensgegenstands „Grundstück“ geführt hätte. Vielmehr besteht beim Erwerb einer unbebauten Liegenschaft mit nachträglicher Errichtung von Gebäuden von Vornherein eine klare Trennung zwischen den Anschaffungskosten des Grundstücks und den Herstellungskosten des Gebäudes ( Keppert , Die Bilanzierung von Immobilien nach den Bestimmungen des HGB [UGB], SWK 2006, W 131, 1250), das als neuer Vermögensgegenstand hergestellt wird.

[55] Der Vorwurf, das Rekursgericht habe den unrichtigen Vergleichsmaßstab herangezogen, trifft daher nicht zu.

[56] 4.4. Die vom Revisionsrekurs zur Stützung ihres Rechtsstandpunkts herangezogene Belegstelle ( Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/1³ § 203 Rz 20) betrifft den Sonderfall der Behandlung von Abbruchkosten beim Erwerb eines bebauten Grundstücks und dem zeitlich darauf folgenden Abriss des darauf befindlichen Gebäudes. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Auf den dazu vertretenen Meinungsstand ist daher nicht weiter einzugehen.

[57] 4.5. Mit ihrem Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 28. 4. 1967, 0923/66, lässt die Antragstellerin die seither stattgefundene Entwicklung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs außer Acht.

[58] 4.6. Im Übrigen trifft die von der Antragstellerin vertretene Rechtsansicht, die Abbruchkosten hätten der Herstellung eines neuen Vermögensgegenstands „unbebautes Grundstück“ gedient, auf die hier zugrunde liegenden Sachverhalte nicht zu. Der Abbruch der Altgebäude führte bei den von der Antragstellerin durchgeführten „Reconstructing“-Projekten nicht dazu, dass zu irgendeinem Zeitpunkt unbebaute Liegenschaften vorgelegen wären; dies war auch nicht das Ziel der mehr als 50 Jahre nach der Errichtung vorgenommenen Gebäudeabbrüche. Nach dem festgestellten Sachverhalt blieben die Altgebäude vielmehr (zumindest teilweise) bis zur Fertigstellung der Neubauten bestehen und wurden von den Altmietern bis zur Übersiedlung in die Neubauten bewohnt. Der Abriss erfolgte jeweils erst danach.

[59] Die Herstellung eines Vermögensgegenstands „unbebautes Grundstück“, wie von der Antragstellerin behauptet, scheidet daher bereits nach den zugrundeliegenden Sachverhalten aus .

[60] 5. Die hier zu beurteilenden Abbruchkosten von – nach dem Erwerb der Liegenschaft von der Antragstellerin errichteten und jahrelang vermieteten – Wohngebäuden sind nicht nach § 203 Abs 3 UGB als nachträgliche Herstellungskosten des Vermögensgegenstands „Grund und Boden“ zu qualifizieren.

[61] Dem Revisionsrekurs kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu.

[62] 6. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 1 AußStrG iVm § 30 GenRevG.