JudikaturJustiz6Ob169/22d

6Ob169/22d – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1.) N*, 2.) C*, 3.) M*, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner Mag. Franz Lochbichler Rechtsanwälte – Strafverteidiger OG in Schwarzach im Pongau, wider die Antragsgegner 1.) R*, 2.) W*, 3.) G*, 4.) J*, Zweit bis Viertantragsgegner *, 5.) S*, alle vertreten durch Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH in Altenmarkt, wegen Einräumung eines Notwegs, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 28. Juli 2022, GZ 22 R 116/22w 38, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann nach ständiger Rechtsprechung keinen Revisionsrekursgrund bilden (RS0050037).

[2] 2. Soweit das Rechtsmittel releviert, das Geh und Fahrtrecht der Antragsteller sei nicht im Grundbuch eingetragen und das Begehren auf Einräumung einer Dienstbarkeit dürfe nicht durch ein Notwegeverfahren umgangen werden (vgl RS0070984), ist Folgendes zu entgegnen: Der bei den Vorinstanzen erfolgreiche Eventualantrag zielt darauf ab, die Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten über das Grundstück der Antragsgegner auch auf die anderen Nutzer des Grundstücks der Antragsteller, nämlich die liegenschaftsfremden Mieter der Parkplätze und die Mieter des Einfamilienhauses, dessen Errichtung im südlichen Bereich dieses Grundstücks geplant ist, auszuweiten. Dieses Begehren geht aber über die ersessene Dienstbarkeit hinaus. Es handelt sich somit um einen – zulässigen – Antrag auf Einräumung eines Notwegs durch Erweiterung einer bereits bestehenden Wegdienstbarkeit (RS0070984 [T4]; RS0123127 [T4]).

[3] 3. Zum grundsätzlichen Verhältnis der beiden Rechtsinstitute Dienstbarkeit einerseits und Notweg andererseits besteht – entgegen der Rechtsmittelbehauptung – ausreichend Rechtsprechung (vgl etwa RS0070984; RS0123127; RS0117575 [T1]; RS0070927). Dass das Rekursgericht davon abgewichen wäre, zeigt das Rechtsmittel nicht auf.

[4] 4. Das Rechtsmittel wirft dem Rekursgericht vor, von der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs abzuweichen, zitiert dazu aber keine Entscheidungen. Insoweit ist das außerordentliche Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043650).

[5] 5. Das Vorliegen einer auffallenden Sorglosigkeit iSd § 2 Abs 1 NWG ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RS0071136 [T2, T5, T7]).

[6] Nach den Feststellungen wäre eine ursprünglich andere Ausführung des Objekts der Antragsteller im Zuge der Errichtung im Sinne einer Vorrückung nach Westen nicht möglich gewesen. Das Anbringen eines Fassaden Dämmsystems entsprach dem Stand der Technik und war bei einer Fassadensanierung sogar obligatorisch.

[7] Sofern die Antragsgegner erneut zu argumentieren versuchen, den Antragstellern und ihren Rechtsvorgängern sei stets bekannt gewesen, dass keine hinreichende Wegeverbindung besteht, entfernen sie sich von den bindenden Feststellungen, wonach die Antragsteller davon ausgingen, zum Zu- und Abfahren über den gegenständlichen Asphaltbereich berechtigt zu sein. Dass in Bezug auf liegenschaftsfremde Personen die Schaffung eines Rechtstitels für die Nutzung dieses Bereichs erforderlich sein würde, war frühestens ab dem Jahr 2020 erkennbar.

[8] Die Verneinung einer auffallenden Sorglosigkeit der Antragsteller durch die Vorinstanzen ist somit nicht korrekturbedürftig.

[9] 6.  Die Entscheidungen 5 Ob 127/18i und 2 Ob 194/00v sind nicht einschlägig, weil sie sich nicht mit einem Antrag nach dem NWG befassen. Die übrige im Rechtsmittel allgemein zum NWG zitierte Judikatur (ua RS0070966; RS0071130; RS0071074) zeigt eine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht im vorliegenden Einzelfall nicht auf.