JudikaturJustiz6Ob16/16w

6Ob16/16w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mag. Karin Sonntag, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, wegen 132.751,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2015, GZ 6 R 196/15h 31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Kläger, Inhaber eines Forstbetriebs, ließ im September 2012 einen Motorschaden seines Traktors in der Werkstätte der Beklagten reparieren.

Am 28. 9. 2012 holte der Kläger den reparierten Traktor ab und fuhr zu einer Forststraße, um dort mit einer angeschlossenen Hackmaschine samt Kran zu arbeiten. Dabei fing der Traktor unterhalb der Kabine zu brennen an und brannte mitsamt Hackmaschine und Kran vollkommen ab. Der Bereich unter der Fahrerkabine war vor dem Brand sehr stark verschmutzt. Zwischen dem Getriebe und der Kabine befanden sich Reste von Holzabfällen und Staubniederschläge. Auch im Bereich des Getriebeblocks unter den Hydraulikventilen hatte sich Schmutz aus dem Wald abgelagert. Ein elektrischer Defekt setzte den Metallmantel der Hydraulikleitungen unter Spannung. An zwei Hydraulikleitungen unterhalb der Fahrerkabine entstand ein Lichtbogen mit einer Temperatur von 1.000 Grad Celsius, der den getrockneten Schmutz unter der Fahrerkabine und unter den Leitungen entzündete. Ohne die Schmutzablagerungen wäre nur ein Elektronikschaden, jedoch kein Brand entstanden. Warum und an welchen Elektroleitungen der elektrische Defekt auftrat, konnte nicht festgestellt werden. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der elektrische Defekt im Bereich des Motorblocks entstanden ist. Nach dem Ausbau des Motors waren die Verschmutzungen unterhalb der Fahrerkabine, ohne die es zu keinem Brand gekommen wäre, sichtbar geworden. Dass diese Verschmutzungen gefährlich werden könnten, war weder für den Kläger noch für die Beklagte vorhersehbar. Das Brandgeschehen ist auf eine Verkettung von unglücklichen Umständen zurückzuführen. Wäre der Lichtbogen nur etwa 20 cm entfernt aufgetreten, wäre es nicht zum Brand gekommen. Die Beklagte hatte dem Kläger eine Reinigung des Traktors unterhalb der Fahrerkabine angeboten, der Kläger hatte jedoch den Auftrag hiezu nicht erteilt. Für die Reinigung hätte der Traktor auf einem Waschplatz aufgebockt und die Hinterräder demontiert werden müssen. Auf die Notwendigkeit einer solchen Reinigung wies der Mitarbeiter der Beklagten H***** nicht hin; er hatte die Notwendigkeit einer solchen Reinigung nicht erkannt.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht das das Schadenersatzbegehren des Klägers abweisende Urteil des Erstgerichts. Selbst nach dem gehobenen Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB würden keine überragenden Spitzenleistungen geschuldet, sondern nur der Leistungsstandard der jeweiligen Berufsgruppe. Die Verschmutzung sei für sich allein ohne den durch den elektrischen Defekt aufgetretenen Lichtbogen unschädlich gewesen. Das Auftreten eines 1.000 Grad Celsius heißen Lichtbogens sei bei einem großen Traktor nicht auszuschließen, doch lege auch der Kläger nicht dar, was im vorliegenden Fall darauf hingedeutet hätte, dass es zu einem solchen Defekt kommen werde. Vor allen theoretisch denkbaren Gefahren müsse auch der Fachmann nicht warnen. Es wäre eine überragende Spitzenleistung gewesen, wenn die Leute der Beklagten ohne konkreten Hinweis auf einen bevorstehenden elektrischen Kurzschluss Sicherheitsbedenken gegen das Belassen des Schmutzes unter der Kabine gehabt hätten. Die Verschmutzungen unter der Kabine seien erst nach dem Ausbau des Motors sichtbar geworden. Daraus folge, dass ohne Motorschaden und ohne Motorausbau die Verschmutzungen nicht zutage getreten und folglich dort verblieben wären. Daraus folge, dass bei Forsttraktoren dieses Typs, solange sie keinen den Ausbau des Motors erforderten Motorschaden hätten, der betreffende Bereich in aller Regel über Jahre hinweg ungereinigt bleiben werde und eine Verschmutzung den zu erwartenden Normalzustand darstelle. Dass es in solchen normalen Fällen in der Regel oder zumindest öfter als nur in seltenen Ausnahmefällen zu Brandschäden käme, behaupte der Kläger nicht. Inhalt eines Werkvertrags über eine Motorreparatur sei die Motorreparatur und nicht die Herstellung eines den normalen Zustand übertreffenden Zustands anderer Baugruppen. Dass eine regelmäßige Reinigung dieses Bereichs zu dem vom Hersteller des Traktors vorgeschriebenen Wartungsprogramm oder zu einer Brandschutzvorschrift gehörte, sei weder behauptet worden noch hervorgekommen. Gemäß § 1311 ABGB müsse der Kläger seinen Schaden selbst tragen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf.

1. Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels aus, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wäre es keine überragende Spitzenleistung gewesen, wenn die Leute der Beklagten ohne konkreten Hinweis auf einen bevorstehenden elektrischen Kurzschluss Sicherheitsbedenken gegen das Belassen des Schmutzes unter der Kabine gehabt hätten. Es bleibe unklar, weshalb Spitzenleistungen notwendig gewesen wären. Die Verschmutzungen seien der Beklagten bekannt gewesen. Nach den Angaben des Sachverständigen komme es immer wieder vor, dass Forsttraktoren aufgrund von Verschmutzungen zu brennen beginnen. Der Beklagten sei durchaus bekannt gewesen bzw hätte ihr bekannt sein müssen, dass Forsttraktoren aufgrund von Verschmutzungen unterhalb der Fahrerkabine immer wieder zu brennen begännen.

2. Dass Forsttraktoren aufgrund von Verschmutzungen unterhalb der Fahrerkabinen immer wieder zu brennen beginnen und die Beklagte dies wusste, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Das Berufungsgericht führte aus, die Aussage des Sachverständigen sei im Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen so zu verstehen, dass solche Brände Ausnahmefälle seien.

3.1. Nach § 1299 ABGB muss sich ein Sachverständiger, der sich öffentlich zu einem Amt, einer Kunst, einem Gewerbe oder Handwerk bekennt oder der ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, den Mangel dieser besonderen Voraussetzungen zurechnen lassen.

3.2. Durch § 1299 ABGB wird der Sorgfaltsmaßstab auf den Leistungsstandard der jeweiligen Berufsgruppe erhöht (RIS Justiz RS0026541). Dabei geht es um den durchschnittlichen Fachmann des jeweiligen Gebiets, wobei der Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden darf (RIS Justiz RS0026535). Maßstab ist nicht die spezifische individuelle Erfahrung eines Mitglieds einer bestimmten Untergruppe eines Berufszweigs, sondern das durchschnittlich in der Branche zu erwartende Wissen (RIS Justiz RS0026535 [T13]; 10 Ob 50/15y). Aufgrund des objektiven Verschuldensmaßstabs hat der Sachverständige für die typischen Fähigkeiten seines Berufsstands einzustehen (1 Ob 35/87 SZ 60/236; Karner in KBB 4 § 1299 ABGB Rz 2 mwN). Außergewöhnliche Fähigkeiten innerhalb seiner Gruppe sind nicht gefordert (2 Ob 376/61 SZ 34/153; RIS Justiz RS0026489).

3.3. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht begründet, weshalb Sicherheitsbedenken eine überragende Spitzenleistung gewesen wären. Mit dieser Begründung setzt sich die Revision nicht auseinander. Von den Erwägungen des Berufungsgerichts ausgehend ist seine Beurteilung, dass der Beklagten nach den Umständen des Falls auch nach dem Maßstab des § 1299 ABGB nicht vorgeworfen werden kann, die Möglichkeit irgendeines schädlichen Erfolgs von der Art des wirklich eingetretenen Schadens nicht erkannt zu haben, jedenfalls vertretbar.