JudikaturJustiz6Ob157/06s

6Ob157/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Feldkirch zu FN ***** eingetragenen M*****-Bau Liegenschafts GmbH Co KEG mit dem Sitz in A***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Gesellschafter 1. M*****-Baugesellschaft mbH, *****, 2. Dipl. Arch. Gerhard M*****, Geschäftsführer, *****, alle vertreten durch Dr. Manfred Umlauft, öffentlicher Notar in Dornbirn, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Mai 2006, GZ 3 R 56/06v-5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 6. April 2006, GZ 15 Fr 1114/06i-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die M*****-Baugesellschaft mbH ist seit Jahren im Firmenbuch eingetragen; Geschäftsführer ist Dipl.Arch. Gerhard M*****. Anfang des Jahres 2006 errichteten sie die M*****-Bau Liegenschafts GmbH Co KEG; Komplementär ist die GmbH, Kommanditist der Geschäftsführer. Der Konzern umfasst außerdem die M*****-Baugesellschaft mbH Co. Die GmbH und die GmbH Co sind im Baugewerbe tätig, die GmbH Co KEG befasst sich mit dem Erwerb, der Vermietung, der Verpachtung, der Veräußerung und der sonstigen Verwertung von Liegenschaften. Der Eintragung der GmbH Co KEG war der Versuch vorausgegangen, diese unter der Firma M***** Liegenschafts GmbH Co KEG im Firmenbuch einzutragen. Das Erstgericht hatte dies aber abgelehnt. Daraufhin wurde sie (offensichtlich wegen Zeitdrucks) unter der Firma M*****-Bau Liegenschafts GmbH Co KEG eingetragen. Die GmbH Co KEG und ihre Gesellschafter streben nunmehr die Änderung der Firma (wieder) auf M***** Liegenschafts GmbH Co KEG an. Die GmbH Co KEG entfalte keinerlei Bautätigkeiten, ihre Firma verstoße daher gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit. Die Vorinstanzen wiesen das Begehren ab. Die Firma einer GmbH Co KG (KEG) habe den zwingenden Firmenbildungsvorschriften des § 19 Abs 2 HGB zu entsprechen. Danach habe sie den Namen wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters zu enthalten; dies sei hier die GmbH. Das Weglassen von Bestandteilen der Firma der GmbH sei unzulässig. Das Rekursgericht sprach aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurses zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur „Problemstellung" einer Kollision der Anforderungen des § 19 Abs 2 HGB mit dem Grundsatz der Firmenwahrheit nach § 18 Abs 2 HGB in jenem Fall, in dem die Sachfirma der namensgebenden GmbH zum Unternehmensgegenstand der KG/KEG in Widerspruch steht. Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 19 Abs 2 HGB hat die Firma einer Kommanditgesellschaft den Namen wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatze zu enthalten. Nach § 5 Abs 1 GmbHG muss die Firma einer Gesellschaft mbH von dem Gegenstande des Unternehmens entlehnt sein oder die Namen aller Gesellschafter oder wenigstens eines derselben enthalten. Nach § 18 Abs 2 HGB darf grundsätzlich der Firma kein Zusatz beigefügt werden, der geeignet ist, eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbeizuführen; Zusätze, die zur Unterscheidung der Person oder des Geschäfts dienen, sind gestattet.

Der Revisionsrekurs verweist vor allem auf § 18 Abs 2 HGB, der den Grundsatz der Firmenwahrheit bzw ein Täuschungsverbot enthalte. Der Firmenbestandteil „Bau" sei bei der GmbH Co KEG irreführend, weil sie keinerlei Bautätigkeiten entfalte. Weder Rechtsprechung noch Lehre böten Lösungsansätze für den vorliegenden Wertungswiderspruch zwischen den Firmenbildungsvorschriften des § 18 Abs 2 HGB und dem Grundsatz der Firmenwahrheit nach § 19 Abs 2 HGB.

1. Nach Auffassung des Revisionsrekurses entspricht das Weglassen eines Bestandteils der Firma der GmbH - bei vergleichbarer Rechtslage - der Praxis in Deutschland. Er bezieht sich mit dieser Argumentation auf Rechtsprechung des BGH (BGHZ 80, 353 = NJW 1981, 2746). Danach können bei der Neubildung der Firma einer GmbH Co KG in der Firma der namensgebenden Komplementär-GmbH Firmenbestandteile (wie etwa „Verwaltungs-") weggelassen werden. Allerdings gilt dies nur für den Fall, dass es sich bei den verbleibenden Bestandteilen um „die wesentlichen und unterscheidungskräftigsten Teile der Firma" handelt und diese auch (gemessen an dem jeweiligen Gesellschaftstyp) allein als Firma zulässig wären; die Weglassung von Teilen ist also nur dann gerechtfertigt, wenn zumindest eine zulässige Personen-, Sach- oder gemischte Firma der namensgebenden Gesellschaft übrig bleibt (Bokelmann in MünchKHGB [2002] § 19 Rz 35).

Abgesehen davon, dass etwa Schuhmacher (in Straube, HGB³ [2003] § 19 Rz 14) diese Vorgangsweise in Österreich für mit § 19 Abs 2 HGB unvereinbar hält, stellt sie nicht nur auf die Zulässigkeit der „übriggebliebenen" Komplementär-GmbH (hier wäre dies konkret nach § 5 Abs 1 GmbHG iVm § 19 Abs 3 HGB zu beurteilen [Müller-Gesellschaft mbH]) ab. Maßgeblich ist vielmehr insbesondere auch die Frage, ob die verbleibenden Firmenbestandteile zur Individualisierung der Komplementär-GmbH ausreichen (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch28 [1989] 109; vgl auch die Nachweise aus der deutschen Lehre bei Schuhmacher, aaO und bei Bokelmann, aaO). Gerade dies wäre im vorliegenden Fall aber zu verneinen. Im österreichischen Firmenbuch finden sich rund 260 Gesellschaften mbH, in deren Firma der Bestandteil „M*****" aufscheint; einige heißen überhaupt lediglich M***** GmbH. Das Weglassen des Firmenbestandteils „Bau" würde daher eine Individualisierung der Komplementär-GmbH nicht mehr zulassen. Erschwerend käme außerdem dazu, dass der Firmenwortlaut auf M***** Liegenschafts GmbH Co KEG geändert werden soll. Im Hinblick auf § 19 Abs 2 HGB wäre daraus aber zu schließen, dass Komplementär-GmbH eine M***** Liegenschafts GmbH ist. Eine solche gibt es aber nicht.

2. Dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Bildung einer Personenfirma gemäß § 5 GmbHG auf die Notwendigkeit der Beachtung des Grundsatzes der Firmenwahrheit hingewiesen hat, ist durchaus zutreffend (etwa 6 Ob 2/85 ua). Ein genereller „Vorrang" des Grundsatzes der Firmenwahrheit gegenüber den Firmenbildungsvorschriften ist daraus aber nicht ableitbar. So wurde etwa in der Entscheidung 6 Ob 15/85 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Firma einer GmbH nicht nur den Bestimmungen des § 5 GmbHG entsprechen „muss"; sie darf „darüber hinaus" auch nicht der Regelung des § 18 Abs 2 HGB zuwiderlaufen. Widerspricht der beabsichtigte Firmenwortlaut den einschlägigen Firmenbildungsvorschriften, kann dies also nicht durch eine Berufung auf den Grundsatz der Firmenwahrheit umgangen werden. Die Firma ist dann eben nicht eintragungsfähig.

3. Im Revisionsrekurs wird weiters auf die „verwandten" Bestimmungen über die Firmenfortführung verwiesen; auch diese sprächen für eine Vorgangsweise, wie sie in Deutschland Praxis sei. Der Oberste Gerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung zu § 24 HGB davon aus, dass ungeachtet der eingetretenen Veränderungen durch einen Gesellschafterwechsel die bisherige Firma fortgeführt werden könne; das interessierte Publikum könne ohnehin aus dem Firmenwortlaut die Gesellschafterzusammensetzung nicht erkennen und müsse bei Interesse im Firmenbuch nachsehen.

Hier wird allerdings verkannt, dass im Fall der Firmenfortführung trotz Gesellschafterwechsel der Gesetzgeber ausdrücklich die Durchbrechung des Grundsatzes der Firmenwahrheit zulässt und die fortgeführte Firma (ursprünglich) den Firmenbildungsvorschriften entsprochen hatte. Im vorliegenden Fall soll aber eine - vom Gesetz nicht gedeckte - Änderung der Firma der Komplementär-GmbH vorgenommen werden.

4. Die angestrebte Änderung der Firma widerspricht den einschlägigen Firmenbildungsvorschriften und wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend nicht eingetragen. Soweit der Revisionsrekurs bemängelt, dass weder Rechtsprechung noch Lehre Lösungsansätze für den vorliegenden Wertungswiderspruch böten, ist ihm entgegen zu halten, dass es nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs sein kann, eintragungswilligen Unternehmen einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Firmenwortlaut vorzuschlagen. Die Gerichte können vielmehr lediglich die Zulässigkeit von zur Eintragung im Firmenbuch angemeldeten Firmen prüfen.

Rechtssätze
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