JudikaturJustiz6Ob15/07k

6Ob15/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verena G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Ges. m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.595,84 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1 1. Oktober 2006, GZ 39 R 228/06b 14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist für eine Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 3 MRG entscheidend, ob auf Mieterseite ein Machtwechsel in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht eingetreten ist. Dies ist etwa bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung der Fall, wenn es zum Kippen der Mehrheitsverhältnisse kommt (1 Ob 226/98m = SZ 71/157 = wobl 1999/43 [ Schauer ]; 5 Ob 76/02s = ecolex 2003/24; RIS Justiz RS0111167, RS0108983), das heißt wenn es dem Machtträger aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Position möglich ist, die Geschicke der Gesellschaft faktisch zu bestimmen, weil deren rechtliche Strukturen keine Handhabe bieten, ihn daran zu hindern. Dabei ist vor allem an die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführungsorgane zu denken (5 Ob 288/98h = NZ 2000, 310; 5 Ob 307/00h = SZ 74/109). Dieser Machtwechseltheorie hat sich der erkennende Senat erst jüngst ausdrücklich angeschlossen (6 Ob 88/06v) und dabei klargestellt, dass allerdings das Kippen der Mehrheitsverhältnisse eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten lediglich indiziert, seine konkreten Auswirkungen jedoch im Einzelfall zu prüfen seien; die entscheidenden Änderungen müssten sowohl die rechtlichen als auch die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten betreffen. Gegenstand dieser Entscheidung war die Einbringung von Gesellschaftsanteilen in eine Holding AG.

Die erörterten Grundsätze gelten aber auch für den Fall der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften; es liegt demnach zwar grundsätzlich ein Anwendungsfall des § 12a Abs 3 MRG vor, eine Mietzinsanhebung kommt aber nur in Betracht, wenn die Verschmelzung zu einer entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten führt ( Koppensteiner , GmbHG² [1999] § 61 Rz 24 mwN aus der Lehre). Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Gesamtrechtsnachfolge weder generell zu einer Mietzinsanhebung führe noch diese generell ausschließe; mit den mit einer Gesamtrechtsnachfolge verbundenen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen wie Verschmelzung und Spaltung würden die rechtlichen Einflussmöglichkeiten geändert; ob damit auch eine entscheidende Änderung der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten im Sinne des § 12a Abs 3 MRG verbunden ist, hänge von den jeweiligen Umständen ab (5 Ob 23/99i mwN).

2. Die Klägerin meint in ihrer außerordentlichen Revision, durch die Verschmelzung der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung sei ihre bisherige Mieterin „verschwunden" und an deren Stelle eine andere Gesellschaft getreten, die sowohl personell als auch hinsichtlich Betriebsgegenstand, Betriebssitz und des „eklatanten" Unterschieds im Stammkapital letztlich eine andere Gesellschaft sei, auch wenn Identität des Gesellschafters besteht; damit liege aber ein Anwendungsfall des § 12a Abs 3 MRG vor. Sie verweist dazu auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 161/04v, der ein identer Sachverhalt zugrunde gelegen habe.

In dieser Entscheidung hat es der 5. Senat im Zusammenhang mit der Verschmelzung zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung zwar tatsächlich als maßgeblich angesehen, dass die unternehmenstragende Mietergesellschaft durch die Verschmelzung einen neuen Mehrheitsgesellschafter erhalten hatte, der früher über keinerlei Gesellschaftsanteile verfügt hatte. Gerade dies ist hier aber nicht der Fall: Die Republik Österreich ist Alleingesellschafterin sowohl der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft (gewesen). Zu einem Machtwechsel ist es daher nicht gekommen.

3. Unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 11/02g (= wobl 2003/40 [ Vonkilch ]) wehrt sich die Klägerin dagegen, dass ihr nunmehr „ein anderer Mieter aufgedrängt" worden sei. Diese Entscheidung ist aber nicht einschlägig: Dort ging es um den Kauf des Unternehmens des einen Mitmieters durch einen anderen Mitmieter. Der 5. Senat führte dazu aus, Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs 1 (!) MRG sei unter anderem, dass dem Vermieter ein anderer Mieter aufgedrängt wird; dies sei hier aber nicht der Fall.

4. Schließlich weist die Klägerin noch darauf hin, dass zwar Umgehungsabsicht der „Person der Gesellschafterin" der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung (die Republik Österreich) „a priori nicht zu unterstellen" sei, dass das Protokoll der Generalversammlung der Beklagten aber einen Schluss in diese Richtung zulasse, werde darin doch ausgeführt, es sei nunmehr der optimale Zeitpunkt für die Verschmelzung der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegeben und „scheine" außerdem Identität der Geschäftsfelder gegeben.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des 12a Abs 3 MRG ist die Klägerin beweispflichtig, es sei denn das Rechtsgeschäft auf Mieterseite wäre zur Umgehung des der Klägerin als Vermieterin zustehenden Rechts auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen worden; Voraussetzung für die Beweislastumkehr des § 12a Abs 3 Satz 3 MRG wäre aber, dass eine solche Umgehungsabsicht zweifelsfrei feststeht (5 Ob 239/99d; 6 Ob 88/06v). Eine derartige Umgehungsabsicht wurde von den Vorinstanzen aber nicht festgestellt.

Rechtssätze
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