JudikaturJustiz6Ob142/17a

6Ob142/17a – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2017

Kopf

D er Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wels zu FN ***** eingetragen gewesenen R***** GmbH in Liquidation mit dem Sitz in W*****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Rechtsanwalt in Marchtrenk, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers Ing. K***** E*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Blümke Schöppl OG in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. Mai 2017, GZ 6 R 66/17v 10, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 13. März 2017, GZ 27 Fr 4060/16m 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben .

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben , dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die R***** GmbH in Liquidation hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die R***** GmbH in Liquidation war im Firmenbuch des Erstgerichts zu FN ***** eingetragen. Am 22. 9. 2016 wurde diese Gesellschaft infolge beendeter Liquidation gelöscht.

Der Antragsteller beantragt die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die gelöschte Gesellschaft gemäß § 40 Abs 4 FBG. Bereits im Zuge der Liquidation habe er Ansprüche aus dem Titel der Produkthaftung gegen die (nunmehr) gelöschte Gesellschaft geltend gemacht. Eine Vollbeendigung der Gesellschaft habe nicht stattgefunden, weil noch verwertbares Vermögen, nämlich ein Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung der Gesellschaft und Regressansprüche der Gesellschaft gegen Mithaftende aufgrund eines Unfalls, den der Antragsteller am 7. 12. 2013 mit einem von der Gesellschaft in den europäischen Wirtschaftsraum eingeführten und in den Verkehr gebrachten Kamin der Marke „R*****“ erlitten habe; diesen Kamin habe die Lebensgefährtin des Antragstellers im Jahr 2007 erworben, in deren Haus er auch eingebaut worden sei. Er sei im Zeitpunkt der Übergabe mit einem Produktionsfehler behaftet gewesen. Als Bescheinigungsmittel bot der Antragsteller an: „Erklärung Kläger [ = Antragsteller ], Aktenvermerk des Beklagtenvertreters [ = Vertreter der Gesellschaft ], [ jederzeit stellig zu machende ] PV Kläger und Zeugin [ Lebensgefährtin des Antragstellers ], E Mailschreiben B***** M***** [ = früherer Liquidator ], Zeuge B*****M*****, Besichtigungsbericht des Kamins vom 26. März 2014, Entlassungsbericht AKH Linz, Lichtbild zeigend die Hand des Klägers nach Erstversorgung, Klage an das Landesgericht Linz im Entwurf“. Tatsächlich dem Antrag angeschlossen waren der Entlassungsbericht des AKH, ein Besichtigungsbericht, der Klagsentwurf, eine Erklärung des Antragstellers und das E Mail Schreiben des früheren Liquidators.

Die gelöschte Gesellschaft sprach sich – vertreten durch den früheren Liquidator – erkennbar gegen diesen Antrag aus. Es spreche Vieles dafür, dass es keine Haftung der Gesellschaft gebe, sei doch durch nichts geklärt, dass tatsächlich ein berechtigter Schadenersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft bestehe. Es sei durch nichts belegt, dass tatsächlich ein „R*****“-Produkt in den behaupteten Vorfall involviert gewesen sei. Man wisse bis heute nicht, über welchen Ofenbauer der Antragsteller beziehungsweise dessen Lebensgefährtin das Gerät, wenn es denn wirklich ein Kamineinsatz von „R*****“ gewesen sein sollte, erworben habe. Die Gesellschaft habe ausschließlich an das Handwerksgewerbe verkauft, nicht an Endkunden. Es sei auch durch nichts geklärt, ob dieser Kamineinsatz, wenn er denn ein „R*****“-Produkt sei, von einem Hafner eingebaut worden sei.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Der Antragsteller habe keine „sachverhaltsbezogene Deckungszusage“ der Haftpflichtversicherung vorgelegt; eine bloße Bestätigung des früheren Liquidators über das seinerzeitige Bestehen einer Haftpflichtversicherung reiche nicht aus.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Ein Anspruch der Gesellschaft gegen eine Haftpflichtversicherung oder dessen Deckungszusage stellten zwar ein Vermögen der Gesellschaft dar, welches einer Vollbeendigung der Gesellschaft entgegenstehe, der Antragsteller habe aber nicht dargetan, dass diese Forderung werthaltig sei. Vielmehr habe er die von der gelöschten Gesellschaft ins Treffen geführten „anspruchsvernichtenden Umstände“ unbestritten gelassen; seine Angaben zum konkret eingebauten Produkt seien widersprüchlich.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind auch (Deckungs )Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Haftpflichtversicherer Vermögen, das einer Nachtragsliquidation zu unterziehen ist (2 Ob 166/08p; 6 Ob 265/11f; 6 Ob 28/16k). Voraussetzung für die Bestellung eines Nachtragsliquidators ist dabei die Bescheinigung, dass diese Forderung werthaltig ist, wobei verbleibende Zweifel und Unklarheiten zu Lasten desjenigen gehen, der die Bestellung des Nachtragsliquidators beantragt (6 Ob 28/16k).

2. Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren hinsichtlich seiner eigenen Ansprüche gegen die Gesellschaft, die ja letztlich zur Deckungspflicht des Versicherungsunternehmens führen sollen, mit seiner gegen die Gesellschaft einzubringenden Klage, einem Besichtigungsbericht, einem Entlassungsbericht des Krankenhauses und einem (eigenen) Aktenvermerk über den Unfallshergang bescheinigt, dass er sich am 7. 12. 2013 im Zuge des Hantierens mit dem Sichtfenster eines im Haus seiner Lebensgefährtin befindlichen Kamins verletzte; unbestritten ist weiters, dass die Gesellschaft damals über eine Haftpflichtversicherung verfügte.

3. Dem Einwand der Gesellschaft in ihrer Äußerung vom 27. 12. 2016, es sei keineswegs belegt, dass es sich bei diesem Kamin überhaupt um eines ihrer Produkte gehandelt bzw wer diesen Kamin eingebaut habe, die Gesellschaft habe ausschließlich an das Handwerksgewerbe, nicht aber an Endkunden verkauft, trat der Antragsteller im Verfahren erster Instanz zwar nicht entgegen; er hat auch weder in seinem Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators noch in seinem Klagsentwurf objektive Beweis- oder Bescheinigungsmittel über den Ankauf des Kamins bzw dessen Sichtfensters genannt. Diese ablehnende Äußerung der Gesellschaft wurde dem Antragsteller von dieser direkt zugestellt, das Erstgericht entschied erst mit Beschluss vom 13. 3. 2017; dem Antragsteller wäre somit tatsächlich ausreichend Zeit verblieben, zu den Ausführungen der Gesellschaft seinerseits Stellung zu nehmen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs weist allerdings zutreffend darauf hin, dass der Antragsteller bereits in seinem Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators für seine Behauptung, er habe sich durch ein „R*****“-Produkt verletzt, als Bescheinigungsmittel seine eigene Einvernahme und jene seiner Lebensgefährtin angeboten hat. Diese Bescheinigungsmittel hat das Erstgericht nicht aufgenommen, sondern die (unrichtige) Rechtsansicht vertreten, Voraussetzung für die Bestellung eines Nachtragsliquidators sei das Vorliegen einer Deckungszusage der Haftpflichtversicherung. Erst das Rekursgericht hielt dem Antragsteller auf Sachverhaltsebene vor, er habe gar nicht bescheinigt, dass es sich um ein „R*****“-Produkt gehandelt habe.

Auch wenn die Überlegungen des außerordentlichen Revisionsrekurses, das Erstgericht hätte den Antragsteller gemäß § 17 FBG auffordern müssen, zu den Behauptungen der Gesellschaft in ihrer Äußerung Stellung zu nehmen, verfehlt sind – § 17 FBG bezieht sich auf die Verbesserung von Eintragungsbegehren und ist deshalb nicht einschlägig –, so ist es doch richtig, dass ein Antragsteller, der Bescheinigungsmittel für seine Behauptungen angeboten hat, nach Bestreitung der Behauptungen durch den Antragsgegner nicht gehalten ist, diese Bestreitungen seinerseits zu bestreiten und seine Behauptungen zu wiederholen. Es ist vielmehr Aufgabe des Gerichts in einer solchen Konstellation, die angebotenen Bescheinigungsmittel aufzunehmen und zu bewerten. Dem wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nunmehr nachzukommen haben.

4. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.