JudikaturJustiz6Ob139/06v

6Ob139/06v – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gudrun O*****, 2. Beate T*****, beide vertreten durch Dr. Roland Kometer und Dr. Esther Pechtl-Schatz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, und die auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. Ingrid H*****, 2. Mag. Heinz H*****, beide vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Nichtigerklärung von Gesellschafterbeschlüssen (Streitwert 14.534,56 EUR) und Feststellung (Streitwert 7.267,28 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. März 2006, GZ 1 R 51/06v-50, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Dezember 2005, GZ 11 Cg 197/04z-42, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Komplementärgesellschaft der zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen F***** GmbH Co KG. Die Klägerinnen und die Nebenintervenienten sind zu je 25 % Gesellschafter der Beklagten, Geschäftsführerin ist die Erstnebenintervenientin. Die Kommanditgesellschaft betreibt das M*****kino in *****, die Erstnebenintervenientin führt auch deren Geschäfte. An der Kommanditgesellschaft halten die Erstklägerin 33 %, die Zweitklägerin 28 % und die Erstnebenintervenientin 39 % der Kommanditeinlagen. Am 9. 7. 2001 fand in den Räumlichkeiten des öffentlichen Notars Dr. Helge M***** in ***** eine Generalversammlung statt. Daran nahmen die Klägerinnen, die Nebenintervenienten und der Ehegatte der Zweitklägerin, Franz T*****, sowie der Klagevertreter Dr. Roland K*****, der Nebenintervenientenvertreter und der frühere Beklagtenvertreter Dr. Klaus H***** teil. Es wurde über insgesamt 5 Tagesordnungspunkte abgestimmt.

Die Klägerinnen beantragten dabei, allfällig erteilte Einwilligungen (der Erstnebenintervenientin gegenüber) im Zusammenhang mit dem Konkurrenzverbot (Beteiligungen bzw leitende Positionen in anderen Unternehmen des gleichen Geschäftszweigs) zu widerrufen und weiters zu beschließen, dass es die Erstnebenintervenientin als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Beklagten zu unterlassen habe, (bestimmte) Tätigkeiten, insbesonders die Beteiligung und Geschäftsführung bei der Kino ***** GmbH in ***** und *****, bei der *****-Cinemas ***** GmbH, bei der Hueber-Kino Beteiligungsverwaltungs GmbH, bei der *****-Kinomanagement GmbH und bei der G*****-Kino***** GmbH, zu entfalten und alles den gemeinsamen Geschäftsinteressen Abträgliche zu unternehmen. Da die Klägerinnen für diese Anträge stimmten, die Nebenintervenienten jedoch dagegen, fanden sie keine Mehrheit. Daraufhin gaben die Klägerinnen einen Widerspruch zu Protokoll und begründeten diesen damit, dass der Erstnebenintervenientin kein Stimmrecht zugestanden habe. Die Klägerinnen beantragen, diese Beschlüsse für nichtig zu erklären und festzustellen, dass ihre anlässlich der Generalversammlung gestellten Anträge die Mehrheit gefunden hätten, weshalb die Beschlüsse in diesem Sinn als gefasst festgestellt würden. Sie hätten ihre Zustimmung zu Wettbewerbstätigkeiten der Erstnebenintervenientin nicht erteilt, diese Tätigkeiten seien ihnen bis April 2001 mit einer einzigen Ausnahme auch nicht bekannt gewesen. Die Beklagte erleide durch diese Tätigkeiten der Erstnebenintervenientin insofern einen Nachteil, als diese Filmkopien von Filmverleihanstalten, die nur begrenzt vorhanden sind, nicht im M*****kino, sondern in ihren Großkinos in Ostösterreich spiele. Die Erstnebenintervenientin verstoße damit gegen das Wettbewerbsverbot und ihre Treuepflichten als Gesellschafter der Beklagten. Dies sei der Grund für die Einberufung der Generalversammlung vom 9. 7. 2001 gewesen. Gemäß § 39 Abs 4 GmbHG wäre der Erstnebenintervenientin ein Stimmrecht hinsichtlich der von den Klägerinnen gestellten Anträge nicht zugestanden, weil sie als befangen anzusehen gewesen sei. Auch der Zweitnebenintervenient wäre als ihr Ehegatte vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen; im Übrigen sei er ihr Hintermann und ebenfalls an den konkurrierenden Unternehmen beteiligt. Im Übrigen hätten die Anträge der Klägerinnen der Vorbereitung eines Wettbewerbsprozesses gegen die Nebenintervenienten gedient; der Gesellschafter-Geschäftsführer sei aber auch vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn gegen ihn Ansprüche aus seiner Geschäftsführungstätigkeit geltend gemacht werden sollen. Die Beschlüsse über den Widerruf allfällig erteilter Zustimmungen zu Konkurrenztätigkeiten und das Verbot derartiger Tätigkeiten stünden in einem untrennbaren Zusammenhang.

Die Beklagten streben die Abweisung des Klagebegehrens an. Hinsichtlich des Widerrufs allfällig erteilter Zustimmungen hätten die Klägerinnen keinen formellen Widerspruch zu Protokoll erhoben, die Anordnung einer Unterlassungsverpflichtung sei nicht Sache der Generalversammlung, sondern eines Gerichts. Gegen die Stimmrechtsausübung des Zweitnebenintervenienten richte sich der Widerspruch zu Protokoll nicht, hinsichtlich der Erstnebenintervenientin lägen die Stimmrechtsausschlussgründe des § 39 Abs 4 GmbHG nicht vor. Die Vorbereitung eines Wettbewerbsprozesses gegen die Nebenintervenienten sei nicht Gegenstand der Generalversammlung gewesen, vielmehr hätten die Klägerinnen eine Einigung angestrebt. An einer Beschlussfassung, mit der ein bislang erlaubtes bzw zumindest toleriertes Verhalten eines Gesellschafters von der Generalversammlung untersagt werden sollte, dürfe „selbstverständlich" der betroffene Gesellschafter mitwirken. Die Nebenintervenienten verwiesen darauf, dass § 39 Abs 4 GmbHG kein generelles Stimmverbot in allen Fällen einer möglichen Interessenkollision vorsehe. Im Übrigen treffe die Erstnebenintervenientin auch kein Konkurrenzverbot, weil ihr nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft Konkurrenztätigkeiten erlaubt seien; diese Regelung sei „inhaltlich auch auf die Tätigkeit der Geschäftsführerin" der Beklagten anzuwenden. Die Tätigkeiten der Erstnebenintervenientin seien den Klägerinnen bekannt gewesen bzw hätten ihnen aufgrund der Eintragungen im Firmenbuch und aus Kinozeitschriften bekannt sein müssen; sie hätten diese Tätigkeiten somit - zumindest konkludent - zugestimmt. Die Erstnebenintervenientin erfülle ihre Verpflichtungen als Geschäftsführerin der Beklagten auch ordnungsgemäß. Am 27. 3. 2003 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf ein Verfahren betreffend die behauptete Verletzung des Konkurrenzverbots; es sei beabsichtigt, die Beweisergebnisse dieses Verfahrens auch im vorliegenden Verfahren zu verwerten. Am 13. 9. 2004 beantragten die Beklagte und die Nebenintervenienten die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens und wendeten nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens durch die Klägerinnen ein; die Ansprüche seien somit verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus der Monatsfrist des § 41 Abs 4 GmbHG lasse sich ableiten, dass innerhalb möglichst kurzer Zeit nach Beschlussfassung der Generalversammlung Rechtssicherheit über die zum Gegenstand des Beschlusses gemachten Themen bestehen soll. Dieser Zweck sei auch bei Beurteilung der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens zu beachten. Zwischen den Parteien seien zwar Vergleichsgespräche geführt worden, die hier angefochtenen Gesellschafterbeschlüsse seien aber nie Thema derselben gewesen. Es sei auch nie vereinbart gewesen, sämtliche Beweisergebnisse des zum Thema Konkurrenzverbot geführten Verfahrens abzuwarten. Die Erstnebenintervenientin habe am 11. 7. 2003 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter und am 13. 8. 2003 ausdrücklich erklärt, ihre Gesellschaftsanteile an der Beklagten nicht verkaufen zu wollen; anschließend seien nur mehr „allgemeine Gespräche" geführt worden. Dennoch hätten die Klägerinnen eine Fortsetzung des ruhenden Verfahrens nicht begehrt. Das geltend gemachte Begehren sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig ist; es bestehe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein Gesellschafter im Hinblick auf § 39 Abs 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wenn eine Interessenkollision besteht. In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, § 39 Abs 4 GmbHG erfasse zwar auch jene Vorbereitungshandlungen, die zur erfolgreichen Durchführung eines Rechtsstreits unabdingbar sind; Beschlüsse, die erst die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs komplettieren sollen, gehörten allerdings nicht dazu. Mit den von der Generalversammlung gefassten Beschlüssen sollten nur die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, im Fall einer weiteren Verletzung des Konkurrenzverbots gegen die Erstnebenintervenientin gerichtlich vorgehen zu können. Zwischen der Erstnebenintervenientin und der Beklagten bestehe infolge erteilter Einwilligungen zur Ausübung ihrer Tätigkeiten eine entsprechende Vertragsbeziehung; ein einseitiges Abgehen davon sei nicht zulässig, eine Beschlussfassung darüber bedürfte daher auch der Zustimmung desjenigen, dessen Rechte aus der Vertragsbeziehung verkürzt werden sollten. Und schließlich sehe § 39 Abs 4 GmbHG ein generelles Stimmverbot bei Interessenkollisionen nicht vor, sondern ordne ein solches nur bei bestimmten Konstellationen an. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verjährt; die Ablaufhemmung der Verjährung trete auch ein, wenn Parteien einverständlich den Ausgang eines anderen Verfahrens abwarten wollten. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn die Beklagte und die Nebenintervenienten Verjährung einwendeten, obwohl zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Beweisaufnahmen im zum Thema Konkurrenzverbot geführten Verfahren „allenfalls noch nicht abgeschlossen" waren. Die Revision der Klägerinnen ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte und die Nebenintervenienten greifen auch im Revisionsverfahren die Verjährungsfrage auf.

Das Erstgericht nahm eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens an und warf den Klägerinnen vor, sie hätten nicht unverzüglich nach der ausdrücklichen Erklärung der Erstnebenintervenientin, ihre Anteile an der Beklagten nicht verkaufen zu wollen, die Fortsetzung des Verfahrens beantragt; die Gesellschafterbeschlüsse seien nie Thema von Vergleichsgesprächen gewesen. Das Berufungsgericht teilte diese Auffassung, meinte aber, Verjährung könne nur angenommen werden, wenn in dem zum Thema Konkurrenzverbot geführten Verfahren bereits alle Beweise aufgenommen worden waren; die Parteien hätten ja einverständlich den Ausgang dieses Verfahrens abwarten wollen. Es bedürfte somit konkreter Feststellungen, ob bzw wann alle Beweisergebnisse vorhanden gewesen waren.

Die Klägerinnen wehren sich in der Revision gegen diese Überlegungen des Berufungsgerichts nicht. Die Beklagte und die Nebenintervenienten verweisen jedoch auf Feststellungen des Erstgerichts, wonach bei Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens am 27. 3. 2003 nicht angedacht gewesen sei, sämtliche Verfahrensergebnisse in dem zum Thema Konkurrenzverbot geführten Verfahren abzuwarten und erst dann das gegenständliche Verfahren fortzusetzen; es sei lediglich vereinbart worden, dass - um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden - im erwähnten Verfahren erarbeitete Verfahrensergebnisse im gegenständlichen Verfahren verlesen werden sollten; nicht beabsichtigt sei jedenfalls gewesen, den Abschlusses des erwähnten Verfahrens abzuwarten und das gegenständliche Verfahren bis dahin ruhen zu lassen. Nach dem Protokoll der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27. 3. 2003 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens, nachdem die Parteienvertreter mitgeteilt hatten, dass in dem zum Thema Konkurrenzverbot geführten Verfahren Beweise aufgenommen werden und dass beabsichtigt sei, diese Beweisergebnisse im gegenständlichen Verfahren zu verwerten. Dies lässt aber - ebenso wenig wie die erwähnten Feststellungen des Erstgerichts zu den Absichten der Parteienvertreter - keine Rückschlüsse darauf zu, welche Beweisergebnisse nun im anderen Verfahren vorliegen müssten, um die Klägerinnen zur Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens zu veranlassen. Der Verlauf dieses anderen Verfahrens wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Es lässt sich daher auch nicht überprüfen, ob die Klägerinnen in Anbetracht der dortigen Verfahrenssituation mit einer Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens tatsächlich noch zuwarten durften oder ob sie das gegenständliche Verfahren tatsächlich nicht gehörig fortsetzten. Damit kann aber die Verjährungsfrage aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen noch nicht endgültig beantwortet werden. Eine Verfahrensergänzung ist unumgänglich. Im Übrigen hat das Erstgericht entschieden, „zunächst die Frage der gehörigen Fortsetzung des [Verfahrens] einer Überprüfung zuzuführen" (AS 149). Eine sofortige Klagsstattgebung, wie dies die Revision anstrebt, käme unter diesem Gesichtspunkt somit ohnehin nicht in Betracht.

Es erscheint aber zweckmäßig, zu den vom Berufungsgericht dargelegten Rechtsansichten in der Sache selbst, die in der Revision bekämpft werden, Stellung zu nehmen, um weiteren Verfahrensaufwand durch ein neuerliches Rechtsmittelverfahren für den Fall zu vermeiden, dass das Erstgericht eine Verjährung nicht (mehr) annehmen sollte.

2. Die Klägerinnen vertreten weiterhin den Standpunkt, die Erstnebenintervenientin unterliege der Beklagten gegenüber einem Wettbewerbsverbot. Da sie gegen dieses verstoßen habe wäre sie nach § 39 Abs 4 GmbH nicht stimmberechtigt gewesen; diese Bestimmung erfasse alle Fälle, in denen derjenige, um dessen Stimmbefugnis es geht, befangen sei. Im Übrigen habe die Nichtannahme des Beschlusses, die Erstnebenintervenientin habe Konkurrenztätigkeiten zu unterlassen, einen Vorteil für sie dargestellt; schon allein dies schließe sie vom Stimmrecht aus.

2.1. § 39 Abs 4 GmbHG verweigert demjenigen, der durch die Beschlussfassung von einer Verpflichtung befreit oder dem ein Vorteil zugewendet werden soll, sowohl im eigenen als auch im fremden Namen ein Stimmrecht. Das Gleiche gilt für eine Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Gesellschafter oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft betrifft.

Nach der Lehre (Koppensteiner, GmbHG² [1999] § 39 Rz 31 mwN) umschreibt § 39 Abs 4 GmbHG Fälle der Interessenkollision zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Sie zu neutralisieren, sei Zweck der Vorschrift. Dieser lasse sich in zwei Unterzwecke aufspalten: Zum einen gehe es um eine Variation der Regeln über das In-Sich-Geschäft, zum anderen um die Durchsetzung des Gedankens, dass niemand Richter in eigener Sache sein soll. Entgegen dem sonst geläufigen Prinzip teleologischer Extension dürfe sich die Auslegung der Bestimmung indes nicht ohne Weiteres vom Zweck der Vorschrift lenken lassen. Der Gesetzgeber habe aus Gründen der Rechtssicherheit bewusst von einer Generalklausel Abstand genommen. Analogien seien daher nur zulässig, wo es entsprechend den starren Schranken der Bestimmung gelingt, eine formalisierte Regel mit zureichendem Eindeutigkeitsgrad aufzustellen. Dies entspricht grundsätzlich auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dieser hat etwa in der Entscheidung 1 Ob 510/95 (= SZ 68/193) unter Hinweis auf Reich-Rohrwig (Das österreichische GmbH-Recht [1983] 349) klargestellt, dass das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein generelles Stimmverbot nicht kenne.

2.2. § 39 Abs 4 GmbHG erfasst im Wesentlichen Beschlüsse betreffend die Befreiung eines Gesellschafters von einer Verpflichtung, den Entlastungsbeschluss, Beschlüsse, mit denen einem Gesellschafter ein Vorteil zugewendet werden soll, und Beschlüsse über die Vornahme von Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, über die Einleitung oder Erledigung von Rechtsstreiten zwischen ihnen sowie über die Kaduzierung oder Ausschließung eines Gesellschafters (s Koppensteiner, aaO Rz 39 bis 46; Gaggl/Sigari-Majd, Abänderung von Stimmverboten durch den Gesellschaftsvertrag, ecolex 2003, 338). Es ist zwischen den Parteien dieses Verfahrens unstrittig, dass Beschlüsse über den Widerruf allfällig erteilter Einwilligungen einem Gesellschafter gegenüber im Zusammenhang mit dem Konkurrenzverbot sowie darüber, ob ein Gesellschafter es zu unterlassen habe, bestimmte, gegen das Konkurrenzverbot verstoßende Tätigkeiten zu entfalten und alles den gemeinsamen Geschäftsinteressen Abträgliche zu unternehmen, keinem der erwähnten Anwendungsfälle unmittelbar unterstellt werden kann. Dem ist zuzustimmen: Es soll der Gesellschafter ja weder von einer Verpflichtung befreit noch soll ihm ein Vorteil zugewendet werden.

2.3. Die Erstnebenintervenientin ist auch Geschäftsführerin der Beklagten. Nach § 24 Abs 1 GmbHG unterliegen die Geschäftsführer gegenüber ihrer Gesellschaft einem Wettbewerbsverbot. Ohne Zustimmung der Gesellschaft dürfen sie in ihrem Geschäftszweig keine Geschäfte betreiben. Sie können von dieser Verpflichtung allerdings entbunden werden (Abs 2).

Es ist herrschende Auffassung, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beschlussfassung über die Entbindung von diesem Wettbewerbsverbot gemäß § 39 Abs 4 GmbHG nicht stimmberechtigt sind (Wünsch, Das Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers, GesRZ 1982, 273; ders, Kommentar zum GmbHG [1988] Rn 33; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht² [1997] Rz 2/293; Koppensteiner, GmbHG² [1999] § 24 Rz 9). Nach Reich-Rohrwig soll es sich dabei um die Zuwendung eines Vorteils handeln; näher liegt allerdings die Annahme, der Gesellschafter-Geschäftsführer werde dadurch von einer Verpflichtung (der Einhaltung des gesetzlich angeordneten Wettbewerbsverbots) befreit.

2.4. Die ausdrückliche generelle, im Einzelfall erteilte oder vermutete Zustimmung zur konkurrenzierenden Tätigkeit oder Beteiligung ist im Hinblick auf § 24 Abs 2 letzter Satz GmbHG jederzeit durch einfachen Gesellschafterbeschluss widerruflich (Reich-Rohrwig, aaO; Koppensteiner, aaO Rz 10; in diesem Sinn wohl auch bereits Skerlj, Gesellschaften mit beschränkter Haftung [1909] 33). Wurde die Befreiung vom Wettbewerbsverbot als Sonderrecht bereits im Gesellschaftsvertrag eingeräumt, bedarf der Widerruf jedoch entweder der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters oder eines wichtigen Grundes (Koppensteiner, aaO).

Es ist in der Literatur (Rechtsprechung besteht zu dieser Frage nicht) umstritten, ob der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer bei Beschlussfassung über einen (allfälligen) Widerruf der Zustimmung zur konkurrenzierenden Tätigkeit oder Beteiligung gemäß § 39 Abs 4 GmbHG stimmberechtigt ist oder nicht. Reich-Rohrwig (aaO Rz 2/295) bejaht dies ohne nähere Begründung oder weitere Zitate. Wünsch (GesRZ 1982, 274) hingegen lehrt, der betroffene Geschäftsführer sei nicht stimmberechtigt; es sei davon auszugehen, dass der contrarius actus nicht unter anderen Bedingungen zustandekommen darf als der seinerzeitige Akt und dass der allgemein herrschende Grundsatz, niemand dürfe über sich selbst oder in eigenen Angelegenheiten Richter sein, auch hier gelten muss.

2.5. Den Feststellungen der Vorinstanzen lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Erstnebenintervenientin die Befreiung vom Wettbewerbsverbot als Sonderrecht bereits im Gesellschaftsvertrag der Beklagten eingeräumt worden wäre. Derartiges behaupten im Revisionsverfahren auch weder die Beklagte noch die Nebenintervenienten; sie weisen lediglich darauf hin, dass die Klägerinnen selbst von einem „vertraglich normierten Konkurrenz- bzw Wettbewerbsverbot" ausgingen. Darauf kommt es aber ebenso wenig an wie auf Überlegungen zur Änderung des Wettbewerbsverbots bei der Kommanditgesellschaft. Beachtlich wäre nur dessen Einräumung im Gesellschaftsvertrag der Beklagten.

Damit geht es lediglich um einen Widerruf mittels einfachen Gesellschafterbeschlusses. War aber die Erstnebenintervenientin bei der Beschlussfassung der Generalversammlung der Beklagten über die Zustimmung zu konkurrenzierenden Tätigkeiten oder Beteiligungen nicht stimmberechtigt (2.3.), wäre es nicht zu verstehen, weshalb sie an der Willensbildung der Gesellschaft betreffend den Widerruf dieser Zustimmung beteiligt sein sollte. Gerade die vorliegende Konstellation zeigt, dass eine andere Sichtweise dazu führen würde, das sich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter Umständen gegen Konkurrenztätigkeiten ihres Gesellschafter-Geschäftsführers nicht mehr „wehren" könnte. Mit Wünsch (2.4.) ist daher auch für den gegenständlichen Fall zu betonen, dass ein contrarius actus nicht an strengere Voraussetzungen geknüpft werden kann als der ursprüngliche Akt. Auch wenn § 39 Abs 4 GmbHG keine Generalklausel enthält (2.1.), muss er daher im Wege der Analogie doch dahin ergänzt werden, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer bei einfacher Beschlussfassung betreffend den Widerruf einer ihm von der Gesellschaft erteilten Zustimmung zu konkurrenzierenden Tätigkeiten oder Beteiligungen nicht stimmberechtigt ist.

3. Auf die Frage, ob die Generalversammlung grundsätzlich berechtigt ist, den Gesellschafter-Geschäftsführer aufzufordern, konkurrenzierende Tätigkeiten zu unterlassen, kommen die Beklagte und die Nebenintervenienten im Revisionsverfahren nicht zurück. Gegen eine derartige Aufforderung bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Widerruf der Zustimmung zu derartigen Tätigkeiten beschlossen wird.

4. Die Beklagte und die Nebenintervenienten meinen, die Klägerinnen hätten zu Punkt 1. keinen Widerspruch zu Protokoll gegeben; insofern seien die Voraussetzungen einer Anfechtungsklage nach § 41 GmbHG gar nicht gegeben.

Anlässlich der Generalversammlung vom 9. 7. 2001 wurde festgestellt, dass folgende Anträge keine Mehrheit gefunden haben, nämlich zu Punkt 1. der Tagesordnung der Antrag, allfällig erteilte Einwilligungen (der Erstnebenintervenientin gegenüber) im Zusammenhang mit dem Konkurrenzverbot (Beteiligungen bzw leitende Positionen in anderen Unternehmen des gleichen Geschäftszweigs) zu widerrufen, und zu Punkt 2. der Tagesordnung zu beschließen, dass es die Erstnebenintervenientin als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Beklagten zu unterlassen habe, (bestimmte) Tätigkeiten, insbesonders die Beteiligung und Geschäftsführung bei bestimmten Gesellschaften mbH, zu entfalten und alles den gemeinsamen Geschäftsinteressen Abträgliche zu unternehmen.

Dem Protokoll Beilage ./1 ist weiters zu entnehmen, dass der Klagevertreter Dr. Roland Kometer lediglich zu Punkt 2. der Tagesordnung Widerspruch zu Protokoll gegeben hat; der Erstnebenintervenientin stehe das Stimmrecht nicht zu. Allerdings hat der Klagevertreter zu Punkt 2. der Tagesordnung ausdrücklich erklärt, dieser Punkt präzisiere Punkt 1.

Ein Widerspruch ist immer anzunehmen, wenn ein Gesellschafter deutlich macht, dass er die Beschlussfassung für unzulässig hält; Widerspruch kann auch bis zum Schluss der Verhandlung erklärt werden (Koppensteiner, GmbHG² [1999] § 41 Rz 46 mwN). Im Übrigen hält die Rechtsprechung die (ausdrückliche) Protokollierung des Widerspruchs für überflüssig; es genüge, wenn der Gesellschafter seinen Protest in so deutlicher Weise abgegeben hat, dass ein gewissenhafter Protokollführer sich verpflichtet fühlen müsse, die Erklärung in das Protokoll aufzunehmen (3 Ob 339/25 = SZ 7/180; zustimmend Koppensteiner, aaO). Diese Voraussetzungen sind hier aber (auch) hinsichtlich Punkt 1. der Tagesordnung gegeben.

5. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Beschluss, der unter Teilnahme eines nicht stimmberechtigten Gesellschafters an der Abstimmung zustandegekommen ist, gemäß § 41 GmbHG anfechtbar (1 Ob 573/85 = SZ 58/88 mwN; RIS-Justiz RS0059906; weitere Nachweise bei Koppensteiner, aaO § 39 Rz 7). Damit wären aber - in Entsprechung des Punktes 1. des Klagebegehrens und entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - die angefochtenen Beschlüsse als nichtig zu erklären, sollte nicht tatsächlich eine Verjährung der Ansprüche angenommen werden (1.).

6. Neben der Nichtigerklärung der angefochtenen (negativen) Beschlüsse streben die Klägerinnen die Feststellung der Beschlüsse im Sinn ihrer Anträge mittels Feststellungsklage an.

6.1. Der erkennende Senat hat erst jüngst in einer dieselben Parteien betreffenden Entscheidung (6 Ob 130/05v = GeS 2006/219) jene Rechtsprechung fortgeschrieben, wonach bei bloßen Mängeln des Beschlusses infolge unzutreffender Ergebnisfeststellung die Anfechtungsklage mit dem Begehren auf Feststellung des tatsächlich zustandegekommenen Beschlusses verbunden werden kann („positive Beschlussfeststellungsklage"); eine derartige Feststellungsklage könne erfolgreich sein, wenn strittig ist, ob die von den anwesenden Gesellschaftern oder ihren Vertretern abgegebenen Stimmen gültig oder wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche oder gesellschaftsrechtliche Stimmverbote ungültig gewesen seien (6 Ob 203/97i = wbl 1998, 269). Dem Protokoll der Generalversammlung vom 9. 7. 2001 ist zu entnehmen, dass alle Gesellschafter anwesend waren und die Generalversammlung beschlussfähig war. Zu den beiden verfahrensgegenständlichen Anträgen der Klägerinnen wurde festgehalten, dass die Klägerinnen dafür und der Zweitnebenintervenient dagegen gestimmt haben. In Anbetracht des Verhältnisses der Stimmrechte von 50 zu 25 % zugunsten der beiden Anträge wären diese somit zustandegekommen.

6.2. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, im Rahmen einer Prüfung der materiellen Berechtigung der von den Klägerinnen gestellten Anträge sei zu berücksichtigen, dass es als treuwidrig angesehen werden müsste, wenn einem Gesellschafter unter Berufung auf den Gesellschaftsvertrag ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot vorgeworfen wird, obwohl davon auszugehen wäre, dass dies mit Einwilligung der Gesellschaft geschieht.

Die Beklagte hat bereits im Verfahren erster Instanz vorgebracht, es bedürfe jedenfalls einer Überprüfung des Inhalts der von den Klägerinnen beantragten Beschlüsse; die Erstnebenintervenientin betreibe ihre Kinos im Osten Österreichs und konkurrenziere daher die Beklagte nicht; diese genieße vielmehr Synergieeffekte. Auch die Nebenintervenienten haben sich darauf berufen, dass einerseits die Klägerinnen von ihren Tätigkeiten gewusst hätten und andererseits die Beklagte von diesen profitiere.

Damit berufen sich die Beklagten und die Nebenintervenienten darauf, das die (festzustellenden) Beschlüsse rechtswidrig wären. Der erkennende Senat hat in der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 130/05v klargestellt, dass der Einwand, (angefochtene) Beschlüsse der Generalversammlung verstießen gegen materielles Recht oder gegen den Gesellschaftsvertrag oder seien treu- und sittenwidrig, beachtlich sein kann. Die Prüfung inhaltlicher Mängel (§ 41 Abs 1 Z 2 GmbHG) habe sich nicht nur auf die äußere Übereinstimmung des Beschlussinhalts mit der angeblich verletzten Norm zu beschränken. Neben Verstößen gegen § 1295 Abs 2 ABGB sei auch die treuwidrige Stimmabgabe anfechtbar; demnach seien Eingriffe in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter an den Kriterien von Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit zu messen. Diese Einwände können aber auch einer „positiven Beschlussfeststellungsklage" entgegen gehalten werden.

Im Hinblick auf die von den Vorinstanzen vertretenen, vom Obersten Gerichtshof jedoch nicht geteilten Rechtsansichten sowie die „Einschränkung" des Verfahrens auf die Verjährungsfrage durch das Erstgericht wurde der Themenkomplex der Inhaltskontrolle der von den Klägerinnen angestrebten Beschlüsse bislang mit den Parteien nicht näher erörtert; es wurden auch keine konkreten Feststellungen dazu getroffen. Dies wird das Erstgericht - sollte es nicht neuerlich zu einer Abweisung des Klagebegehrens infolge Verjährung kommen - im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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