JudikaturJustiz6Ob13/08t

6Ob13/08t – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Olga L*****, vertreten durch Dr. Hanspeter Pausch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Thomas P*****, 2. Dieter P*****, vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, wegen 29.665,26 EUR sA (Streitwert im Revisionsverfahren 19.083,12 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. August 2007, GZ 3 R 30/07i 87, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz Ost vom 4. Jänner 2007, GZ 6 C 116/01m 80, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Erstgericht als zu Recht bestehend erkannte Bestandzinsforderung der Klägerin von 19.083,12 EUR samt 12 % Zinsen seit 8. 3. 2001. Die Beklagten wendeten gegen die Höhe der aushaftenden Bestandzinsforderung (ua) ein, die Klägerin hätte die 1997 von ihnen erlegte Kaution entgegen der im Bestandvertrag getroffenen Vereinbarung verzinsen müssen. Die dem entgegenstehende Vereinbarung im Bestandvertrag sei gemäß § 27 Abs 1 Z 1 MRG unzulässig. Die Klägerin hätte überdies die Kaution mit Ende des Bestandvertrags 30. 9. 2000 und nicht erst zum 31. 12. 2000 auf den Mietzinsrückstand anrechnen müssen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erlegten die Beklagten die im Bestandvertrag vom 1. 4. 1998 vereinbarte Kaution in zwei Teilbeträgen, und zwar 70.000 ATS am 27. 10. 1997 und 80.000 ATS am 19. 12. 1997. Die Beklagten verzichteten im Mietvertrag auf eine Verzinsung. Vereinbart war, dass die Rückzahlung der Kaution und die Abrechnung der Schäden innerhalb von drei Monaten ab zulässiger Räumung des Bestandgegenstands fällig werden. Der Bestandvertrag endete mit 30. 9. 2000. Bei Berechnung des Mietzinsrückstands berücksichtigte die Klägerin - dem Mietvertrag entsprechend - die bei ihr erliegende Kaution ohne Zinsen mit Stichtag zum 31. 12. 2000. Bestandzinse für die Monate Oktober bis Dezember 2000 verrechnete sie nicht. Zum 31. 12. 2000 hafteten nach Berücksichtigung der rückzahlbaren Kaution Mietzinse von 19.941,06 EUR aus.

Beide Vorinstanzen gingen davon aus, dass das Bestandverhältnis nur dem Teilanwendungsbereich nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG unterliegt. Dementsprechend sei § 27 Abs 1 Z 1 MRG - er gelte nur im Vollanwendungsbereich des MRG - hier nicht, auch nicht analog, anzuwenden. Der vertragliche Verzicht des Mieters auf eine Verzinsung seiner Kaution sei daher ebenso zulässig und wirksam wie die drei Monate nach Räumung der Liegenschaft hinaus geschobene Fälligkeit der Kautionsrückzahlung.

Das Berufungsgericht sprach - nach Antrag gemäß § 508 ZPO - aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob Vereinbarungen eines Verzichts auf Verzinsung der Kaution und/oder eines nach dem Zeitpunkt der Rückstellung der Bestandsache liegenden Fälligkeitstermins für die Rückzahlung der Kaution außerhalb des Geltungsbereichs des MRG wirksam geschlossen werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts - nicht zulässig.

1. Die Revisionswerber stellen nicht in Abrede, dass ihr Mietvertrag nur in den Teilanwendungsbereich des MRG nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG fällt und § 27 Abs 1 Z 1 MRG demnach nicht unmittelbar anzuwenden ist. Sie vertreten jedoch die Auffassung, § 27 Abs 1 Z 1 MRG sei auf Bestandverhältnisse im Sinn des § 1 Abs 4 Z 1 MRG analog anzuwenden. Demnach sei der im Mietvertrag vereinbarte Verzicht auf eine Verzinsung der Kaution nicht wirksam. Gegen die Höhe der vereinbarten Kaution wenden sich die Beklagten nicht.

2. Nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG gelten für Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel aufgrund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, die §§ 14, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstücks. Es gelten somit nur die den „Kündigungsschutz" regelnden Bestimmungen. Die „zinsrechtlichen" Vorschriften, somit jene Vorschriften des MRG, die sich mit dem Entgelt für die Überlassung des Bestandobjekts befassen (und die in § 1 Abs 4 MRG nicht ausdrücklich angeführt sind), sind nach der insoweit eindeutigen Gesetzeslage nicht anzuwenden. Auch die dem Vermieter geleistete Kaution und die von ihm lukrierte (dem Mieter entgangene) Verzinsung ist als entgeltliche Leistung des Mieters anzusehen.

Nach dem Zweck des § 27 Abs 1 Z 1 MRG, jeglichen Ablösewucher durch Zahlungen neben dem Mietzins zu verhindern und auch alle Umgehungsversuche - gleich wie sie benannt oder rechtlich konstruiert werden - zu sanktionieren (RIS Justiz RS0105973), besteht kein Zweifel, dass § 27 Abs 1 Z 1 MRG jenen Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zuzurechnen ist, die sich mit einem ausgewogenen Entgelt für die Überlassung des Bestandobjekts befassen. Sie ist demnach als „zinsrechtliche" Vorschrift zu verstehen. Entgelt ist nämlich alles, was der Mieter als Gegenleistung für die Überlassung des Bestandobjekts erbringt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der analogen Anwendung mietzinsbildender Vorschriften auf Neubauten im Sinn des § 1 Abs 4 Z 1 MRG bereits befasst. In einem § 12a MRG betreffenden Fall hat er eine analoge Anwendung dieser den zinsrechtlichen Vorschriften zuzurechnenden Bestimmung auf Objekte im Sinn des § 1 Abs 4 Z 1 MRG aus der Überlegung verneint, der Gesetzgeber habe § 1 Abs 4 Z 1 MRG als „geschlossenes System" geschaffen, das für derartige Objekte nur die dem Kündigungsschutz dienenden (und damit zusammenhängende) Bestimmungen in Wirksamkeit setzen sollte (5 Ob 192/00x = SZ 74/39 = RIS Justiz RS0114724).

Die Auffassung der Vorinstanzen steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.

3. Im Übrigen stellt die Rechtsprechung einer Kaution die vom Vermieter zu tragende Gefahr eines Forderungsausfalls aus dem Mietverhältnis als Gegenleistung gegenüber (9 Ob 160/02y; RIS Justiz RS0105973). Gesetzliche Vorschriften über die zulässige Höhe einer Mieterkaution bestehen nicht einmal im Vollanwendungsbereich des MRG. Ob daher eine konkrete Kaution gegen das Ablöseverbot des § 27 Abs 1 Z 1 MRG verstößt, könnte aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nur von Fall zu Fall beurteilt werden (RIS Justiz RS0105974). Selbst wenn man daher § 27 Abs 1 Z 1 MRG auch im vorliegenden Fall - der Auffassung der Beklagten folgend - anwenden wollte, so bedeutete dies keineswegs, dass die Kaution zuzüglich einer Verzinsung zu Gunsten des Vermieters für drei Jahre im Verhältnis zu seinem Sicherstellungsinteresse inadäquat gewesen wäre. Anhaltspunkte für eine Inadäquanz der Gesamtleistung bestehen im vorliegenden Fall nicht, zumal die Beklagten die vereinbarte Höhe der Kaution selbst nicht als unangemessen anfechten.

4. Die in der Revision relevierte Frage der Wirksamkeit einer Vereinbarung, wonach die Forderung auf Rückzahlung der Kaution (erst) drei Monate nach Räumung des Bestandobjekts fällig wird, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Nach den Berechnungen des Sachverständigen wäre der offene Saldo, hätte die Klägerin die Kaution schon mit Beendigung des Bestandverhältnisses zum 30. 9. 2000 abgerechnet und nur bis zu diesem Zeitpunkt Verzugszinsen verlangt, höher gewesen als der tatsächlich zugesprochene Betrag.

5. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO musste die Revision der Beklagten zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen, ihre Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich.

Rechtssätze
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