JudikaturJustiz6Ob111/22z

6Ob111/22z – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei E*, wegen Unterlassung und 3.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 1. Juni 2022, GZ 4 R 73/22s 6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt die Unterlassung konkret angeführter Äußerungen unter Nennung seines Namens sowie 3.000 EUR als Ersatz des ihm aus den Äußerungen entstandenen immateriellen Schadens. Er bewertete seinen Unterlassungsanspruch mit 32.000 EUR.

[2] Nach Zustellung der Klage und des Auftrags zur Klagebeantwortung an die Beklagte sprach das angerufene Landesgericht Linz mit Beschluss vom 29. 4. 2022 aus, der Streitwert der „gegenständlichen Klage“ übersteige 15.000 EUR nicht, das Erstgericht sei unzuständig und die Rechtssache werde an das konkret bezeichnete, in der selben Gemeinde liegende Bezirksgericht abgetreten.

[3] Das Rekursgericht wies den Rekurs des Klägers zurück, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Es begründete die Rekurszurückweisung mit dem Rechtsmittelausschluss des § 45 JN, der auch auf die Streitwertherabsetzung nach § 60 JN zur Anwendung komme. Eine Ausnahme von diesem Rechtsmittelausschluss setze das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 60 JN voraus. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall, in dem der Kläger die Unterlassungsklage nach § 59 JN frei zu bewerten habe, nicht erfüllt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig .

[6] 1. Auf die Zurückweisung eines Rekurses ist § 519 Abs 1 Z 1 Fall 2 ZPO im Regelfall nicht analog anzuwenden ( Musger in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze³ § 519 ZPO Rz 71 mwN; 6 Ob 178/21a), weshalb die Zurückweisung durch die zweite Instanz nur mit Revisionsrekurs nach den Voraussetzungen gemäß § 528 ZPO anfechtbar ist (RS0044501 [T18, vgl T4, T8]); es bedarf also der Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO.

[7] Eine solche wird im außerordentlichen Revisionsrekurs aber nicht aufgezeigt.

[8] 2.1. Gemäß § 45 JN sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, unanfechtbar, solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat.

[9] 2.2. Die Entscheidung über die Herabsetzung des Streitwerts samt Abtretung der Rechtssache an das Bezirksgericht stellt einen Bestandteil der Entscheidung über die sachliche Unzuständigkeit dar und ist demnach grundsätzlich den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN unterworfen (2 Ob 169/02w), ohne dass es auf die Begründung der Entscheidung ankommt (RS0103687). Ein Rekurs ist dabei selbst dann unzulässig, wenn Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender verfahrensrechtlicher Verstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts geltend gemacht werden (RS0046318 [T2]; 4 Ob 43/19f).

[10] 2.3. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Gesetzesstelle nicht gegeben waren (2 Ob 169/02w; 2 Ob 128/11d; 4 Ob 43/19f; 6 Ob 61/20v). Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Gerichtshof bei einer Verbandsklage gemäß §§ 28 bis 30 KSchG, die gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands vor ein Handelsgericht gehört, gestützt auf eine Streitwertherabsetzung nach § 60 JN die Klage dem Bezirksgericht abtritt (2 Ob 169/02w). Auch in einem Fall, in dem das angerufene Bezirksgericht nach einer Klageausdehnung, auf die sich der Beklagte eingelassen hatte, die Klage zurückwies und die Rechtssache an das Landesgericht überwies, anstatt nach § 235 ZPO vorzugehen, wurde die Anwendung des Rechtsmittelausschlusses des § 45 JN verneint (2 Ob 128/11d).

[11] 2.4. § 45 JN bezweckt zwar nicht, ohne gesetzliche Grundlage ergangene Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit unanfechtbar zu machen (2 Ob 169/02w). Bei der Annahme des Vorliegens einer Ausnahme vom Anfechtungsausschluss des § 45 JN ist jedoch Zurückhaltung geboten, weil der Gesetzgeber es nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung in Kauf genommen hat, dass selbst schwere Verstöße gegen das Verfahrensrecht im Interesse der Verfahrensökonomie nicht aufgegriffen werden können (6 Ob 61/20v; 4 Ob 43/19f; vgl Schneider in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze³ § 45 JN Rz 14).

[12] 3.1. Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO geltend, das Rekursgericht habe verkannt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Anwendung des § 60 Abs 1 JN gefehlt hätten, weil die vom Kläger vorgenommene Bewertung des Streitgegenstands nicht übermäßig hoch gegriffen, sondern gemessen an § 10 Abs 6 lit a RATG und § 5 Z 14 AHK sowie den Wertungen des Hass-im Netz Bekämpfungs Gesetzes (HiNG, BGBl I 2020/148) angemessen sei.

[13] 3.2. Mit diesem Vorbringen wird aber nur das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der Herabsetzung des Streitwerts gemäß § 60 JN angesprochen, nicht hingegen die – vorgelagerte – Frage der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Es wird auch nicht dargetan, dass die Herabsetzung und die darauf basierende Abtretung an das Bezirksgericht ohne gesetzliche Grundlage erfolgt wären. Ein Abweichen von der Rechtsprechung zu den Ausnahmen vom Rechtmittelausschluss des § 45 JN wird daher nicht aufgezeigt.

[14] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.