JudikaturJustiz6Ob100/00z

6Ob100/00z – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der N***** Gesellschaft mbH Co KG mit dem Sitz in Perg, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Geschäftsführers der Komplementärin der Gesellschaft, Franz W*****, vertreten durch Dr. Wilfrid Raffaseder und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 6. März 2000, GZ 6 R 30/00z-12, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 13. Dezember 1999, GZ 13 Fr 6007/98t-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist die N***** GmbH Co KG (im folgenden nur Gesellschaft) mit dem Sitz in Perg eingetragen. Komplementärin ist die - gleichfalls im Firmenbuch des Erstgerichtes eingetragene - N***** GmbH, Kommanditist ist Alois N*****. Gesellschafter der Komplementärin sind der Kommanditist der Gesellschaft Alois N***** (Stammeinlage 475.000 S) und der nunmehrige Rechtsmittelwerber Franz W***** (Stammeinlage 25.000 S); die Stammeinlagen sind jeweils zur Hälfte geleistet. Geschäftsführer sind die beiden Gesellschafter, seit 7. Mai 1994 vertritt Alois N***** die Komplementärin selbständig, der Rechtsmittelwerber gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer. Mit Beschlüssen des Landesgerichtes Linz vom 27. Mai 1999 wurden Anträge auf Konkurseröffnung über die Vermögen der Gesellschaft und ihrer Komplementärin gemäß § 71b KO abgewiesen, die entsprechenden Beschlüsse sind jeweils im Firmenbuch eingetragen, bei der Komplementärin überdies die daraus resultierende Auflösung der Gesellschaft.

Mit Strafandrohung vom 13. Juli 1999 forderte der Rechtspfleger des Erstgerichtes die beiden Geschäftsführer auf, die Unterlagen gemäß §§ 277 bis 279 HGB (Jahresabschluss und Bericht bzw Bilanz mit Anhang) mit dem allfälligen gesetzlich vorgesehenen Bestätigungsvermerk sowie die Merkmale für die Einordnung in die Größenklassen gemäß § 221 HGB für das Geschäftsjahr binnen 14 Tagen zur Offenlegung einzureichen oder innerhalb derselben Frist entgegenstehende Hindernisse bekanntzugeben, widrigens über sie eine Zwangsstrafe von je 10.000 S verhängt werde.

Das Erstgericht (sein Rechtspfleger) verhängte sodann über die beiden Geschäftsführer der Komplementärin der Gesellschaft die mit Beschluss vom 13. Juli 1999 angedrohte Zwangsstrafen von je 10.000 S und forderte sie neuerlich auf, der Offenlegungspflicht nachzukommen, widrigens weiteren Zwangsstrafen von je 15.000 S verhängt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Geschäftsführers Franz W***** mit eingehender Begründung nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Geschäftsführers Franz W*****, der angesichts der Höhe der verhängten Zwangsstrafe nur die Frage der Entscheidungskompetenz des Rechtspflegers (erstmals) releviert, ist entgegen der zweitinstanzlichen Auffassung zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach herrschender Meinung handelt sich bei von einem Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassenen Beschlüssen nicht um "Nichturteile" oder "Nichtbeschlüsse", vielmehr leiden diese Entscheidungen an einer Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO (SZ 47/37, SZ 56/189, SZ 70/269 ua; RIS-Justiz RS0007465; Fasching Lehrbuch2 Rz 1578; Mayr in Rechberger2 § 5 JN Rz 3). Ein solcher Beschluss ist daher im Falle seiner erfolgreichen Anfechtung aufzuheben. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie - anders als hier - im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen. Nach Rechtskraft einer Entscheidung kann diese Nichtigkeit freilich nicht mehr geltend gemacht werden (EvBl 1973/219 ua, zuletzt 3 Ob 349/97p).

§ 24 FBG (Art I des BGBl 1991/10) ist die maßgebliche Vorschrift zur Verhängung einer Zwangsstrafe über die Geschäftsführer der Gesellschaft, auch in den Fällen des § 283 HGB (6 Ob 226/99z; 6 Ob 5/00d; RIS-Justiz RS0113043). Die Bestimmung fasst als Fallgruppe des bisherigen § 132 FGG den Inhalt der Sanktionsregelungen der § 14 und § 37 Abs 1 HGB zusammen. Wer - Richter oder Rechtspfleger - zur Verhängung von 2.000 S übersteigenden Zwangsstrafen nach § 24 FBG zuständig ist, wird weder im Gesetz noch im JAB (23 BlgNR 18.GP) angesprochen.

Gemäß § 2 Z 4 RPfG BGBl 1986/560 idgF kann ein Gerichtsbeamter ua für "Sachen des Firmenbuchs" zum Rechtspfleger bestellt werden. § 16 RPflG regelt zum Wirkungskreis des Rechtspflegers gemeinsame Bestimmungen. Nach Abs 1 leg.cit. umfasst jeder Wirkungskreis (§§ 16 bis 22) ... die Verhängung von Ordnungsstrafen bis zum Betrag von 2.000 S (Z 6). Diese Bestimmung ist seit der Stammfassung des RPflG (1. Jänner 1986) unverändert geblieben. In den dem Richter nach § 16 Abs 2 RPflG stets vorbehaltenen Materien findet sich zur Verhängung von Strafen nur der Hinweis auf die Anordnung der Haft und die Möglichkeit der Umwandlung von Geldstrafen in Haft (Z 5). Das FBG brachte keine Änderung des § 16 Abs 1 Z 6 RPflG, hat aber den Wirkungskreis in Firmenbuchsachen völlig neu gefasst (§ 22 RPflG). Nach § 22 Abs 1 leg.cit. umfasst dieser Wirkungskreis des Rechtspflegers "alle" mit der Führung des Firmenbuches zusammenhängenden Geschäfte, soweit sie nicht nach der erschöpfenden Aufzählung des § 22 Abs 2 RpflG dem Richter vorbehalten sind. Der JAB (aaO zu Art XVIII 35 f) verweist nur in Bezug auf die nicht in § 22 Abs 2 FBG genannte Anwendung ausländischen Rechtes mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Richters nach § 16 Abs 2 Z 6 RPflG, dass Sonderbestimmungen den allgemeinen Bestimmungen derogieren.

Der Auffassung von Eiselsberg/Schenk/Weißmann (Firmenbuchgesetz, § 24 Rz 3), dass der Beschluss über die Verhängung von Zwangsstrafen von mehr als 2.000 S dem Richter vorbehalten sei, weil die Zwangsstrafenbefugnis der Rechtspfleger (mit dem FBG) nicht erhöht worden sei, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Nach bisheriger Rspr (SZ 46/41, SZ 47/37, zuletzt RZ 1983/36; RIS-Justiz RS0072245) ist zwar allgemein die Aufzählung der Agenden des Rechtspflegers in § 16 Abs 1 RPflG taxativ, die des Richters in § 16 Abs 2 RPflG hingegen demonstrativ. Durch die Neuregelung des § 22 RpflG sind aber nunmehr nur die Ausnahmetatbestände (dem Richter weiterhin vorbehaltene Agenden) im Abs 2 erschöpfend aufgezählt (JAB aaO 35), es finden sich aber dort keine Regelungen zur Verhängung von Zwangsstrafen. § 22 Abs 1 RpflG ist somit gegenüber § 16 Abs 1 Z 6 RpflG die speziellere und jüngere Norm, der Vorrang zukommt. Der Gesetzgeber hat durch § 22 RpflG in Firmenbuchsachen die Kompetenzverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger zugunsten des Rechtspflegers verschoben. Wertungsmäßig spricht dafür auch, dass es sich bei der Einforderung der Vorlage der Unterlagen nach §§ 277 ff HGB um die Besorgung laufender und keineswegs ungewöhnlicher Agenden handelt. Ungeachtet einer fehlenden Änderung des § 16 Abs 1 Z 6 RpflG mit Art XVIII des BGBl 1991/10 fällt somit die Verhängung von Zwangsstrafen nach § 24 FBG iVm § 283 HGB auch dann in die Kompetenz des Rechtspflegers, wenn die Zwangsstrafe 2.000 S übersteigt.

Festzuhalten bleibt, dass die Anordnung der Haft und die Möglichkeit der Umwandlung von Geldstrafen in Haft weiterhin dem Richter vorbehalten bleibt.

Die vom Rechtsmittelwerber behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 15 FBG und § 2 AußStrG (vgl dazu EFSlg 76.330 uva) liegt somit nicht vor. Demnach kann dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein.