JudikaturJustiz6Ob1/91

6Ob1/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Graf und Dr. Schiemer in der Firmenbuchsache betreffend die ***** Gesellschaft mbH *****, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 6.November 1990, GZ 6 R 101/90-39, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 1.August 1990, GZ 7 HRB 25.262-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Gerichtes erster Instanz werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Gesellschaft unter Abstandnahme vom gebrauchten Ablehnungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Im Handelsregister (jetzt Firmenbuch) des Erstgerichtes ist seit 14. Februar 1980 die ***** Gesellschaft mbH (im folgenden Gesellschaft) mit dem Sitz in W***** eingetragen.

Unternehmensgegenstand ist die Betriebsberatung ua. Einziger Geschäftsführer und Gesellschafter (seit 2.November 1989) iste Peter S*****, Personalberater in Düsseldorf, Deutschland.

Unter Vorlage des Protokolls über die am Amtssitz des öffentlichen Notars Wolf Dieter T***** in Düsseldorf, Deutschland, abgehaltene außerordentliche Generalversammlung der Gesellschaft vom 10.Mai 1990 samt dem eine Beilage des Protokolls bildenden geänderten (neugefaßter) Fassung beschlossenen Gesellschaftsvertrag (ON 30) beantragte die durch ihren Geschäftsführer vertretene Gesellschaft am 21.Mai 1990 die Eintragung der Änderung der Firma in ***** Gesellschaft mbH", des Unternehmensgegenstandes und der Neufassung des Gesellschaftsvertrages im Handelsregister. Den erstgerichtlichen Verbesserungsaufträgen kam die Gesellschaft in jetzt nicht mehr relevanten Punkten nach, lehnte aber die notarielle Beurkundung der Satzungsänderungen durch einen österreichischen Notar ab.

Das Erstgericht lehnte daraufhin die Eintragung der Änderung der Firma, des Unternehmensgegenstandes und der Neufassung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister (jetzt Firmenbuch) ab, weil die gesellschaftsvertragliche Festsetzung des Versammlungsortes im Ausland unzulässig sei. Soweit aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen Handelsregistereintragungen vorgenommen werden sollen, für die die notarielle Beurkundung Voraussetzung sei, sei aus Gründen der Rechtssicherheit und der eindeutigen Überprüfbarkeit die Generalversammlung im Inland abzuhalten und zu beurkunden. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Beurkundung seien jedenfalls Kenntnisse der entsprechenden Rechtsordnung. Hätte der Gesetzgeber ausländische Bekundungsformen die gleiche Kraft beilegen wollen, so hätte er dies in einer den §§ 293 Abs 2 ZPO, 31 Abs 3 und Abs 4 GBG ähnlichen Weise zum Ausdruck gebracht. So sei anzunehmen, daß der Gesetzgeber, der auch für die zweckmäßigste Gestaltung der Rechtspflege verantwortlich sei, durch die Lösung im dargestellten Sinn die leichte und verläßliche Prüfung der Einhaltung der Formvorschrift habe sichern wollen. Von diesen Grundsätzen abzuweichen scheine iS der leichten und sicheren Überprüfbarkeit nicht sinnvoll, weil die Frage der Gleichwertigkeit als Vorfrage gelöst werden müßte. Gerade im Zuge der weitgehenden Internationalisierung der Wirtschaft stünde das Registergericht wiederholt vor der Aufgabe, Vorfragen in diesem Sinne auf Grund verschiedenster ausländischer Rechtsordnungen lösen zu müssen, was eine sichere und rasche Prüfung fallweise nicht mehr möglich mache.

Schließlich wäre eine Eintragung einer Änderung der Firma in "***** Gesellschaft mbH" aus Gründen der Firmenwahrheit unzulässig, weil es keinen Gesellschafter dieses Namens gebe.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist zulässig und gerechtfertigt.

Während die Errichtung des Gesellschaftsvertrages und die Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäftes unter Lebenden eines Notariatsaktes bedürfen (§ 4 Abs 3 erster Satz, § 76 Abs 2 erster Satz GmbHG), ist für eine Abänderung einschließlich der Neufassung (Reich-Rohrwig, Das österr. GmbH-Recht 423) des Gesellschaftsvertrages die notarielle Beurkundung erforderlich (§ 49 Abs 1 GmbHG). Das Gesetz selbst verlangt nicht die notarielle Beurkundung durch einen österr. Notar. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 6 Ob 525/89 (RdW 1989, 191 = GesRZ 1989, 225 = ZfRV 1989, 223 = IPRax 1990/46, 252) bei Beurteilung des Normzwecks des § 76 Abs 2 GmbHG bereits ausgesprochen, daß eine "notarielle Beurkundung" nach dem deutschen BeurkundungsG (dBeurkG), BGBl I S 1513 idgF, die nach § 76 Abs 2 GmbHG geforderte Notariatsaktsform ersetzt und damit abweichend von der bisherigen Rechtsprechung und einem Teil der Lehre (NZ 1978, 7 und EvBl 1960/335, womit das Verlangen der Vorinstanzen nach einem inländischen Notariatsakt nicht als offenbare Gesetzwidrigkeit iS des § 16 AußStrG aF beurteilt wurde; SZ 25/103; weitere Nachweise bei Wünsch, Kommentar zum GmbHG, § 4 Rz 48 und eingehend Schönherr, Kann ein deutscher Notar die Übertragung von Geschäftsanteilen einer österreichischen GmbH rechtswirksam beurkunden? in GesRZ 1985, 60 ff) die Substituierbarkeit dieser Formvorschrift bei Einschreiten eines deutschen Notars bejaht. Schwimann (Grundzüge des internationalen Gesellschaftsrechtes in GesRZ 1981, 142 ff,

148) vertrat schon bisher die Auffassung, die Maßgeblichkeit des Sitzrechtes für gesellschaftsrechtliche Formfragen schließe die Substitution durch Urkundspersonen (zB Notare) anderer Staaten nicht aus, wenn ihre Tätigkeit der dem Gesellschaftsstatut geforderten Funktion adäquat sei; dies werde etwa bei Beurkunden durch ausländische Notare regelmäßig der Fall sein. Schönherr (aaO) billigte im wesentlichen diese Ansicht. Kralik (Locus regit actum und die ausländische Beurkundung in Festschrift Schima 1969, 229 ff, 242) lehrte, daß eine nach dem Rechte des Beurkundungsortes mängelfreie Beurkundung ohne weitere Erfordernisse für die inländische Formvorschrift genüge und stimmte (IPRax 1990, 255) der E 6 Ob 525/89 zu. Auch Schwind (ZfRV 1989, 229) äußerte sich zustimmend.

Jedes Formgebot ist auf seinen Zweck zu prüfen, wenn seine Reichweite in Frage steht. Der wesentliche Zweck von gesetzlichen Formvorschriften ist der Schutz vor Übereilung, die Beweissicherung, der Schutz von Gläubigern und sonstigen Dritten durch Erschwerung von Scheingeschäften durch die Offenkundigkeit des Vorganges, die Sicherung fachmännischer Beratung, manchmal wohl auch rein fiskalische Interessen (Rummel in Rummel2, § 886 ABGB Rz 8). Die Substituierbarkeit einer Formvorschrift des GmbHG durch Erfüllung des Erfordernisses der notariellen Beurkundung nach österr. Recht durch eine "Niederschrift" eines deutschen Notars iS der §§ 36 f dBeurkG und nicht einer "notariellen Beurkundung" nach den §§ 6 ff dBeurkG (Ulmer in Hachenburg, dGmbHG7, § 53 Rz 42; Zimmermann in Rowedder, dGmbHG2, § 53 Rz 34;

Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG § 53 Rz 11;

Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit12, Teil B, § 36 dBeurkG Rz 5) - die Vorentscheidung 6 Ob525/89 betraf die Substituierbarkeit eines Notariatsaktes nach österr. Recht durch eine "notarielle Beurkundung" nach deutschem Recht - hat auch hier zu gelten, wo vom Gesetz kein Notariatsakt iS des § 52 NotO, in dem Rechtserklärungen und Rechtsgeschäfte bekundet, sondern eine notarielle Beurkundung iS der §§ 76 lit g, 87 NotO, in der rechtserhebliche (Wagner, NotO3 § 87 Anm 1 und 2) Tatsachen, welche sich vor dem Notar persönlich und unmittelbar abspielen, und Erklärungen, die in seiner Gegenwart abgegeben werden, beurkundet werden (Gellis-Feil Kommentar zum GmbHG-Gesetz2, § 49 Anm 14; Reich-Rohrwig aaO, 432 und FN 6), gefordert wird, Bei der vorliegenden Einmann-Gesellschaft ist die Beschlußfassung des einzigen Gesellschafters nach § 87 NotO zu protokollieren (Wagner aaO, § 87 Anm 3.2.). Dies ist in der als Protokoll bezeichneten "Niederschrift" des deutschen Notars hier geschehen. Worüber bei einer Einmanngesellschaft der beurkundende Notar Rat zu erteilen hätte, bleibt unklar. Reich-Rohrwig (aaO, 432 FN 6) lehnt eine Beratungsfunktion des Notars bei seiner beurkundenden Tätigkeit überhaupt ab. Die von den Vorinstanzen mit dieser Beratungsfunktion begründete Notwendigkeit der Beiziehung eines österr. Notars liegt jedenfalls hier nicht vor, abgesehen davon, daß eine Pflicht zur Belehrung nicht besteht, wenn die Parteien darauf verzichten, weil sie schon rechtskundigen Rat eigeholt haben, oder wenn feststeht, daß die Belehrung zwecklos wäre (Schönherr aaO, 63 mwN in FN 17). Auch Kralik (in Festschrift Schima 243 f) sieht in der Beratung durch den Notar keinen notwendigen Bestandteil der materiellen Formvorschrift oder der Beurkundung und überträgt das Risiko der fehlenden, unzureichenden oder unrichtigen Beratung auf den, der eine ausländische Urkundsperson auswählt. Der Ersatz der für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages erforderlichen Formvorschrift der notariellen Beurkundung nach den §§ 76, 87 NotO durch eine "Niederschrift" eines deutschen Notars nach den §§ 36 f dBeurkG ist jedenfalls nicht zu beanstanden, weil dessen durch das dBeurkG bestimmte Beurkundungstätigkeit der von der österr. Formvorschrift geforderten Funktion adäquat ist (Gellis-Feil aaO).

Denn die "Niederschrift" des deutschen Notars muß enthalten die Bezeichnung des Notars, seine einschlägigen Wahrnehmungen hinsichtlich des Beschlusses und der Beschlußfassung, Ort und Tag der Gesellschafterversammlung und der Errichtung der Urkunde. Als Mindestwahrnehmungen des Notars sind aufzunehmen, Bezeichnung der Gesellschaft und des beschlußfassenden Gremiums, Beschlußgegenstand - dazu gehört der Wortlaut der zur Abstimmung gestellten Satzungsänderung - und das zahlenmäßige Abstimmungsergebnis (Zöllner in Baumbach/Hueck/Hueck/Schulze-Osterloh/Zöllner, GmbHG15, § 53 Rz 38).

Zur § 49 Abs 1 GmbHG vergleichbaren Bestimmung des § 53 Abs 2 erster Satz dGmbHG vertritt im übrigen auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung jetzt fast einhellig die Auffassung, die Beurkundung durch eine ausländische Urkundsperson entspreche dem Formgebot, wenn diese nach ihrer Vorbildung und Stellung den Anforderungen in Deutschland gleichkomme, was jedenfalls für die Notare in der Schweiz und in Österreich anzunehmen sei (Ulmer aaO, § 53 Rz 47; Meyer-Landrut/Miller/Niehus aaO, Rz 12;

Zimmermann aaO, Rz 36; Zöllner aaO, Rz 40; alle mwN;

Fischer/Lutter/Hommelhoff, dGmbH-Gesetz12, § 53 Rz 8, die auch das gesamte sogenannte Lateinische Notariat einbeziehen wollen;

BGHZ 80, 76, 79 = NJW 1981, 1160; gegenteilig Priester in Scholz, GmbHG7, § 53 Rz 69 ff; Großfeld in Staudinger, BGB12, Internationales Gesellschaftsrecht Rz 303 ff).

Nach § 5 Abs 4 GmbHG kann als Sitz der Gesellschaft, an dem auch die Generalversammlung stattzufinden hat, wenn im Gesellschaftsvertrag - wie hier - nichts anderes bestimmt ist (§ 36 Abs 1 GmbHG), nur ein Ort im Inland bestimmt werden. Gegen die Abhaltung der Generalversammlung in Deutschland, somit im Ausland, und die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen bestehen jedenfalls dann keine Einwendungen (vgl Gellis-Feil aaO), wenn wie hier der einzige Gesellschafter der Gesellschaft mbH in Deutschland wohnhaft ist und somit Gründe des Schutzes inländischer Gesellschafter nicht in Betracht kommen.

Im fortzusetzenden Verfahren werden allfälligen Bedenken des Registergerichtes gegen die neue Firma der Gesellschaft vor einer Ablehnung der Eintragung durch einen Verbesserungsauftrag Rechnung zu tragen sein.

Demgemäß ist spruchgemäß zu entscheiden.