JudikaturJustiz5Ob87/22p

5Ob87/22p – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers DI J*, gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG * als Antragsgegner, darunter 15. I*, 18. P*, 78. W*, 79. R*, 82. L*, 101. H*, 114. L*, 115. Ing. H*, 193. B*, alle *, und der P* GmbH, *, sämtliche vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bestellung eines vorläufigen Verwalters (§ 52 Abs 1 Z 8 WEG iVm § 23 WEG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 31. Jänner 2022, GZ 19 R 42/19s 33, mit dem der Antrag der genannten Antragsgegner, das Verfahren über ihren Rekurs fortzusetzen, abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 52 Abs 2 WEG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Antragsteller und die Antragsgegner – mit Ausnahme des 193. Antragsgegners, dem das Fruchtgenussrecht an einem Wohnungseigentumsobjekt zukommt – sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG *. Zur Frage, ob die de facto als Hausverwalterin tätige P* GmbH (idF nur GmbH) diese Tätigkeit rechtmäßig ausübt, fanden bereits mehrere Vorverfahren statt.

[2] Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers, für die Liegenschaft einen vorläufigen Verwalter gemäß § 23 WEG zu bestellen.

[3] Mit Sachbeschluss vom 11. 3. 2019 bestellte das Erstgericht eine Immobilien Treuhand GmbH zum vorläufigen Verwalter.

[4] Das Rekursgericht wies den gegen diesen Sachbeschluss des Erstgerichts erhobenen Rekurs der 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner als verspätet zurück. Den gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobenen außerordentliche Revisionsrekurs der 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114. und 115. Antragsgegner wies der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 50/20v mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurück; jenem des 193. Antragsgegners gab er mit dieser Entscheidung nicht Folge.

[5] D as Erstgericht wies einen Antrag der als faktische Verwalterin tätigen GmbH, ihr den verfahrenseinleitenden Antrag und sämtliche danach gefällten Beschlüsse zuzustellen und eine Tagsatzung anzuberaumen, zurück und bestätigte die Vollstreckbarkeit seines Sachbeschlusses vom 11. 3. 2019. Einen Antrag der 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114. und 115. Antragsgegner, die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit aufzuheben, wies es ab, den darauf gerichteten Antrag des 193. Antragsgegners und der faktisch verwaltenden GmbH wies es zurück.

[6] Dagegen erhoben sowohl die 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner als auch die GmbH Rekurs.

[7] Die GmbH erhob zudem Rekurs gegen den Sachbeschluss vom 11. 3. 2019 und gegen den Beschluss, mit dem das Erstgericht ihren Antrag auf Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes abgewiesen hatte.

[8] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der GmbH Folge und hob den Beschluss des Erstgerichts, mit dem dieses ihre Anträge auf Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes und der daraufhin gefassten Beschlüsse sowie auf Anberaumung einer Tagsatzung abgewiesen hatte, auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über deren Parteistellung auf. Die Entscheidung über den Rekurs der GmbH gegen den Sachbeschluss vom 11. 3. 2019 behielt es ebenso bis zur rechtskräftigen Klärung von deren Parteistellung vor, wie die Entscheidung über deren Rekurs und den Rekurs der 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner gegen den Beschluss des Erstgerichts über die Ab- bzw Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Sachbeschlusses vom 19. 3. 2019.

[9] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts erhob die mit Sachbeschluss vom 11. 3. 2019 zur einstweiligen Verwalterin bestellte Immobilien Treuhand GmbH einen Revisionsrekurs, den der Oberste Gerichtshof mit Entscheidung zu 5 Ob 51/20s zurückwies.

[10] Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Antrag der 15., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner, das Verfahren über ihren Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts fortzusetzen, mit dem es ihren Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Sachbeschlusses vom 11. 3. 2019 ab- bzw zurückgewiesen hatte, ab und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Die Bestätigung der Rechtskraft sei entweder falsch oder richtig und könne nach § 7 Abs 3 EO analog aufgehoben werden, wenn sie gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden sei . Ob sie für den Sachbeschluss (vom 11. 3. 2019) zu Recht erteilt worden sei oder nicht, könne nicht ohne Klärung der Parteistellung der GmbH geprüft werden. Von dieser Frage sei der Erfolg des Rekurses der Antragsgegner abhängig. D ie Frage der Parteistellung der GmbH sei bislang noch nicht (rechtskräftig) geklärt . Die vorsorgliche Abänderung einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht, ohne dass klar sei , ob diese falsch sei oder nicht, finde in den gesetzlichen Regelungen keine Deckung.

[11] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der 5., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. § 62 AußStrG erfasst nicht nur Rechtsmittel gegen Sachentscheidungen des Rekursgerichts, sondern regelt schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden Beschluss, der im Rahmen des Rekursverfahrens ergeht (RIS Justiz RS0120565). In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dazu bereits klargestellt, dass auch ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem die Unterbrechung des Verfahrens angeordnet wird, nur unter der Voraussetzung des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar ist ( RS0120565 [T5, T6]). Im Hinblick auf die ausdrückliche gesetzliche Regelung kann die Rechtsprechung zum Streitverfahren, wonach auf einen B eschluss des Berufungsgerichts, mit dem die Unterbrechung angeordnet oder ein Fortsetzungsantrag abgewiesen wird, die Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO in bestimmten Fallgestaltungen analog angewendet wird (vgl dazu Musger in Fasching / Konecny 3 IV/1 § 519 ZPO Rz 56 ), nicht auf das Außerstreitverfahren übertragen werden (6 Ob 77/07b).

[13] Diese Grundsätze kommen auch für die hier zu beurteilende Abweisung des Antrags auf Fortsetzung des Rekursverfahrens zum Tragen. Entgegen der Argumentation der Antragsgegner setzt die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs daher eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG voraus. Rechtsfragen von der danach erforderlichen Qualität können sie in ihrem Rechtsmittel nicht aufzeigen. Das ist kurz zu begründen:

[14] 2. Ein Innehalten des Verfahrens ist nur aus den in § 29 AußStrG genannten Gründen zulässig und darf nur für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten angeordnet werden.

[15] 2.1 Dass das Rekursgericht mit seiner Entscheidung über den Rekurs der 5., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner gegen die Ab- bzw Zurückweisung ihres Antrags auf Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Sachbeschlusses vom 11. 3. 2019 innehalten wollte, weil eine einvernehmliche Regelung zwischen den Parteien zu erwarten sei (§ 29 Abs 1 AußStrG), kann weder dessen Entscheidung noch dem Akteninhalt entnommen werden.

[16] 2.2 Die Bestimmung des § 29 AußStrG bietet auch keine Grundlage für eine „Aussetzung“ des Verfahrens im Sinn eines vom Gericht bewusst herbeigeführten Verfahrensstillstands bis zur Klärung von (unpräjudiziellen) Vorfragen ( Gitschthaler in Gitschthaler / Höllwerth , AußStrG² § 25 AußStrG Rz 42).

[17] 3. Mit dem AußStrG 2005 wurde mit § 25 AußStrG eine Bestimmung über die Unterbrechung des Verfahrens eingeführt. Nach den Materialien (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 12) soll dadurch auch im Verfahren außer Streitsachen die Möglichkeit einer Unterbrechung des Verfahrens ermöglicht werden, wobei sich die Gründe dafür weitgehend an den Unterbrechungsgründen der Zivilprozessordnung orientieren. Diese Bestimmung ist auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren anzuwenden.

[18] 3.1 Nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG kann das Verfahren ganz oder zum Teil von Amts wegen oder auf Antrag unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.

[19] 3.2 § 26 Abs 4 AußStrG regelt dazu, dass der Beschluss, mit dem die Unterbrechung angeordnet oder die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens verweigert wird, selbständig angefochten werden kann.

[20] 3.3 Eine Unterbrechung des Verfahrens nach dieser Bestimmung hat das Rekursgericht zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen. Seine Anordnung, sich die Entscheidung über den Rekurs der 5., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner bis zur Abklärung der Frage durch das Erstgericht, an das es die Rechtssache insoweit zurückverwies, ob der als faktische Verwalterin tätigen GmbH Parteistellung zukommt, vorzubehalten, kann im gegenständlichen Kontext aber nur als Unterbrechung gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG aufgefasst werden. Davon gehen auch die Antragsgegner in ihrem Rechtsmittel aus.

[21] 3.4 Den Beschluss des Rekursgerichts, mit dem dieses inhaltlich die Unterbrechung des Verfahrens über ihr Rechtsmittel anordnete, haben die 5., 18., 78., 79., 82., 101., 114., 115. und 193. Antragsgegner nicht bekämpft, sodass er ihnen gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist. Damit in Einklang steht auch ihr Antrag, mit dem sie nunmehr die Fortsetzung des Rekursverfahrens begehren. Ob die vom Rekursgericht angeordnete Unterbrechung den Vorgaben des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG entspricht, kann damit nicht mehr überprüft werden.

[22] 4. Nach § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG ist ein unterbrochenes Verfahren auf Antrag mit Beschluss fortzusetzen, wenn die Gründe für die Unterbrechung weggefallen sind. Dazu berufen sich die Revisionsrekurswerber auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 51/20s, aus der sie offenbar ableiten, dass damit die vom Rekursgericht erkennbar als präjudiziell erachtete Vorfrage entschieden sei. Damit können sie schon deshalb keine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht aufzeigen, weil der Fachsenat mit dieser Entscheidung lediglich über die Parteistellung und damit über die Rechtsmittellegitimation der mit Sachbeschluss des Erstgerichts vom 11. 3. 2019 zur einstweiligen Verwalterin bestellten Immobilien Treuhand GmbH im Zwischenstreit über die Parteistellung der de facto die Verwaltung führenden GmbH abgesprochen und verneint hat, weswegen er deren Rechtsmittel gegen den Beschluss des Rekursgerichts, mit dem es die Entscheidung des Erstgerichts insoweit aufgehoben und diesem die Klärung dieser Frage aufgetragen hatte, zurückgewiesen hat. Zur Parteistellung der faktischen Verwalterin und damit zu der vom Rekursgericht als Unterbrechungsgrund erkannten Frage hat der Senat in dieser Entscheidung nicht Stellung genommen.

[23] 5. Ausgehend vom Zweck der Verfahrensunterbrechung, erheblichen Verfahrensaufwand zu vermeiden, ohne dass eine unzumutbare Verzögerung eintritt (siehe dazu die ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 37), hat der Oberste Gerichtshof in Anlehnung an die zur Unterbrechung nach der ZPO vertretene Auffassung bereits ausgesprochen, dass ein Verfahren entgegen dem engen Wortlaut des § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG auch fortzusetzen ist, wenn sich das präjudizielle Verfahren in einer Weise entwickelt, dass ein weiteres Zuwarten im unterbrochenen Verfahren für eine Partei mit einer unzumutbaren Verzögerung verbunden wäre (RS0128680).

[24] Die Beurteilung, ob ein weiteres Zuwarten für eine Partei unzumutbar ist, setzt eine Gesamtbeurteilung der (möglichen) nachteiligen Folgen durch ein weiteres Hinausschieben der ausstehenden Sachentscheidung im unterbrochenen Verfahren voraus und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Überschreitung des dem Rekursgericht dabei eingeräumten Ermessensspielraums (vgl dazu 1 Ob 233/12i) und damit eine allenfalls im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigen die Revisionsrekurswerber in ihrem Rechtsmittel nicht auf, das keine Ausführungen dazu enthält, aus welchen Gründen die fortbestehende Verfahrensunterbrechung für sie unzumutbar sein soll.

[25] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).