JudikaturJustiz5Ob59/19s

5Ob59/19s – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der L*****, vertreten durch die MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 5. Februar 2019, GZ 2 P 107/17b 38, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem in zweiter Instanz bestätigten Beschluss bestellte das Erstgericht einen Rechtsanwalt zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter und umschrieb gemäß § 123 Abs 1 AußStrG die von diesem zu besorgenden Angelegenheiten. Dazu zählen unter anderem die Verwaltung von Barvermögen, Einkünften, die Verwaltung beweglichen und unbeweglichen Vermögens, allgemein die Vertretung vor Gerichten und Behörden und die Vertretung im Verlassenschaftsverfahren nach der verstorbenen Schwester der Betroffenen im Besonderen. In diesem Verfahren haben die betroffene Person und der im Verfahren über die Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters nach § 119 AußStrG bestimmte Verfahrensvertreter (vom Erstgericht als Verfahrenssachwalter bezeichnet) jeweils eine Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass abgegeben. Aufgrund dieser Erklärungen ist ein Verfahren über das Erbrecht anhängig.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Mit ihrem Revisionsrekurs wendet sich die Betroffene ausschließlich gegen die Bestellung des Rechtsanwalts zum Erwachsenenvertreter. Ihre Rechtsmittelerklärung und der Revisionsrekursantrag sind ausdrücklich darauf gerichtet, den bisherigen Verfahrensvertreter anstelle des Anwalts zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter, ausgenommen der Vertretung im Verlassenschaftsverfahren, zu bestellen.

1.2 Fragen nach den Voraussetzungen der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters oder dem Umfang der von diesem zu besorgenden Angelegenheiten sind hier nicht zu prüfen. Ob das Rekursgericht die Behauptung der Betroffenen im Rechtsmittel, sie habe einen Vertreter (Anm: den Verfahrensvertreter) selbst gewählt, zu Unrecht als Neuerung angesehen hat und dieser Umstand im Sinn des § 271 Z 2 ABGB einer Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters entgegengestanden wäre, ist nicht von Belang. Selbst eine allenfalls (seinerzeit) wirksame Bevollmächtigung des Verfahrensvertreters zu ihrem Vertreter stünde der Bestellung des Erwachsenenvertreters im Sinn der gesetzlich angeordneten Subsidiarität (§ 271 Z 2 ABGB) im Hinblick auf die – hier umfassend zu beurteilende – Interessenkollision nicht entgegen.

2. Die Auswahl und Bestellung des Erwachsenenvertreters regelt § 273 ABGB. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung ist auf die Bedürfnisse der volljährigen Person und deren Wünsche, die Eignung des Erwachsenenvertreters und auf die zu besorgenden Angelegenheiten Bedacht zu nehmen. Diese Bestimmung entspricht mit Anpassungen dem § 279 Abs 1 ABGB in der Fassung vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz (2. ErwSchG), BGBl I 2017/59 (RV 1461 BlgNR 25. GP 43). Bereits nach § 279 Abs 1 ABGB aF waren Wünsche der betroffenen Person bei der Auswahl des Sachwalters zu berücksichtigen. Dazu wurde jedoch judiziert,

dass bei der Beurteilung der Eignung einer dem Betroffenen nahestehenden Person zum Sachwalter auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0048982). Mit dem 2. ErwSchG wurde das Erfordernis der Eignung des künftigen Erwachsenenvertreters ausdrücklich in § 273 Abs 1 ABGB aufgenommen (RV 1461 BlgNR 25. GP 43) und gilt für alle nach dem in § 274 ABGB verankerten Stufenbau in Betracht kommende Vertreter. Dass bereits eine mögliche Interessenkollision, sofern sie nicht ganz unwahrscheinlich ist (vgl zur Rechtslage vor dem 2. ErwSchG: RS0049104 [T9]), der Eignung als Erwachsenenvertreter im Sinn des § 273 Abs 1 ABGB entgegensteht, wird im Revisionsrekurs zu Recht nicht angezweifelt (vgl dazu Weitzenböck in ABGB Praxiskommentar 5 § 273 ABGB Rz 4).

3. Mit der Abgabe der entgegenstehenden Erbantrittserklärungen im Verlassenschaftsverfahren nach der Schwester der Betroffenen ist ein massiver Widerstreit zwischen ihren und den Interessen des vormaligen Verfahrensvertreters zu Tage getreten. Dass im Verlassenschaftsverfahren ein Kollisionskurator gemäß § 277 Abs 2 ABGB für die Betroffene bestellt worden ist, vermag die Gefahr eines Interessenskonflikts entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin keineswegs zu beseitigen: Die Kuratorenbestellung selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens; der Aufgabenkreis des Erwachsenenvertreters geht jedenfalls weit über die Tätigkeit des im Verlassenschaftsverfahren bestellten Kollisionskurators hinaus und erfasst unter anderem Angelegenheiten der Vermögensverwaltung. Der Gefahr von Nachteilen für die Betroffene (§ 271 Z 1 ABGB) ist daher nicht nur in einem gerichtlichen Verfahren entgegenzuwirken, wobei das Verfahren über das Erbrecht die Vermögenssituation der Betroffenen insgesamt berührt. Die Kollisionssituation zwischen den Interessen der Betroffenen und jenen des vormaligen Verfahrensvertreters bliebe daher bestehen, selbst wenn man die Vertretung im Verlassenschaftsverfahren von der Tätigkeit des Erwachsenenvertreters trennen wollte. Mit ihrer isoliert auf die gegensätzlichen Positionen im Verlassenschaftsverfahren abzielenden Betrachtung vermag die Revisionswerberin daher keine im Einzelfall (vgl dazu 6 Ob 4/06s) aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen.

4. Das Erstgericht hat den im Verlassenschaftsverfahren zum Kollisionskurator bestellten Anwalt zum Erwachsenenvertreter bestimmt. Seine Bestellung umfasst unter anderem die Vertretung vor Gerichten insgesamt; die ausdrückliche Nennung des Verlassenschaftsverfahrens in der Aufzählung der von diesem zu besorgenden Angelegenheiten schadet nicht. Auf den Eventualantrag des Revisionsrekurses muss damit nicht näher eingegangen werden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).