JudikaturJustiz5Ob507/90

5Ob507/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef P***, Kaufmann, Traun, Ulmenweg 13, vertreten durch Dr. Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei prot. Firma Ferdinand G***, Klagenfurt, Burggasse 17, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, wegen 27.600 S sA infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 4. Oktober 1989, GZ R 802/89-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 10. Mai 1989, GZ 5 C 3336/88-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 3.292,80 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 548,80 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte die Zahlung des Betrages von 27.600 S sA als Honorar für die Durchführung einer Modepräsentation. Die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes stützte er auf die Behauptung, die mit dem Vermerk zahlbar und klagbar in Wels versehene Faktura sei unbeanstandet angenommen worden.

In ihrem Einspruch gegen den Zahlungsbefehl erhob die beklagte Partei den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, weil der Fakturengerichtsstand nur bei Warenlieferungen, nicht jedoch bei Dienstleistungen möglich sei.

Der Kläger legte hierauf eine Fotokopie der der Unzuständigkeitseinrede zugrunde gelegten Vereinbarung vor und erklärte, die Zuständigkeit nunmehr auf § 104 JN zu stützen. Das Erstgericht wies nach abgesonderter Verhandlung die Klage zurück, weil die Urkunde nicht schon in der Klage vorgelegt und die Unzuständigkeitseinrede auch erst nachträglich auf § 104 JN gestützt worden sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Klägers Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es das Erstgericht für zuständig erklärte und diesem die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auftrug, wobei es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuließ. Er billigte die Ansicht, daß der Fakturengerichtsstand nur für Warenlieferungen, nicht jedoch auch für Werkleistungen in Betracht komme. Da der Kläger im Falle der Bestreitung der örtlichen Zuständigkeit durch den Beklagten hilfsweise auch noch in der Klage nicht bezogene Gerichtsstände geltend machen könne und der urkundliche Nachweis der Gerichtsstandvereinbarung auch bis zur Beschlußfassung über die Unzuständigkeitseinrede nachgetragen werden könne, sei es dem Kläger nicht verwehrt gewesen, seine Zuständigkeitsbehauptungen auch auf eine Gerichtsstandvereinbarung zu stützen und diese bis zur Beschlußfassung über die Einrede urkundlich nachzuweisen. Die einzig offene Frage sei, ob der im § 104 Abs.1 JN geforderte urkundliche Nachweis auch durch Vorlage einer Urkundenablichtung erbracht werden könne. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte "keine Erklärung" zu der Echtheit der vorgelegten Urkunde abgegeben. Das Gesetz verlange nur, daß die Vereinbarung dem Gericht urkundlich nachgewiesen werden müsse. Die Bestimmung des § 299 ZPO, wonach das Gericht auf Antrag der Gegenpartei oder von Amts wegen im Falle der Vorlage einer Abschrift der Urkunde die Vorlage der Urschrift auftragen könne und es im Falle der Unterlassung der Befolgung dieses Auftrages in die Beweiswürdigung des Gerichtes gestellt sei, ob der Abschrift Glauben beizumessen sei, stamme aus einer Zeit, in der die Reproduktion durch Ablichtungen weder technisch möglich noch bekannt gewesen sei. Die Verfahrensgesetze hätten jedoch erst in jüngster Zeit Änderungen dahin erfahren, daß mechanische Vervielfältigungen etwa der von einer Partei unterfertigten Gleichschrift als gleichwertig anerkannt würden (§§ 453 f ZPO). Einen weiteren Schritt in dieser Richtung setze auch die erweiterte Wertgrenzennovelle 1989, nach der anstelle weiterer Ausfertigungen einer Eingabe Ablichtungen der ersten Ausfertigung angeschlossen werden könnten und elektronische Eingaben und Erledigungen eingeführt würden. Angesichts dieser Neuerungen in der Gesetzgebung sei es nicht mehr vertretbar, die Urschriften von Urkunden zu fordern, soweit Ablichtungen (Kopien) vorlägen und deren Übereinstimmung mit dem Original nicht ausdrücklich bestritten werde. Es sei auch nicht einzusehen, daß dem Beklagten Zahlungsbefehle und in Zukunft auch Klagen zugestellt werden dürfen, die keine Unterschriften trügen, anderseits aber dem Kläger stets die Vorlage der Originalurkunde abgefordert werde. Bei Vorlage von Ablichtungen werde auch die prozessuale Stellung des jeweiligen Prozeßgegners nicht verschlechtert, weil er nach wie vor Erklärungen zu dieser Urkunde abzugeben habe und im Falle von Bedenken gegen die Übereinstimmung mit dem Original diese bestreiten könne, wonach die Möglichkeit bestehe, die Vorlage der Originalurkunde zu verlangen. Im vorliegenden Fall habe der Prozeßgegner nach Vorlage der Ablichtung der Gerichtsstandvereinbarung hiezu ausdrücklich keine Erklärung abgegeben. Das Erstgericht habe hierauf festgestellt, daß die Vereinbarung auch von der Beklagten unterfertigt sei. In der Rekursbeantwortung habe die beklagte Partei diese Feststellung nicht gerügt. Danach sei davon auszugehen, daß die vorgelegte Urkundenablichtung auch die Ablichtung der Unterschrift der beklagten Partei trage. Der Klägerin sei daher der Nachweis einer Gerichtsstandvereinbarung im Sinne des § 104 Abs.1 JN gelungen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den die Unzuständigkeitseinrede verwerfenden Beschluß des Rekursgerichtes von der beklagten Partei erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Im Revisionsrekursverfahren ist allein die Frage strittig geblieben, ob der im § 104 Abs.1 JN geforderte urkundliche Nachweis durch die Vorlage einer - nicht beglaubigten - Ablichtung der Urkunde über die Gerichtsstandvereinbarung erbracht werden kann. Das Rekursgericht hat zutreffend auf die in SZ 54/10 und JBl. 1981, 482 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes verwiesen, wonach der hier streitgegenständliche Nachweis in Form einer Abschrift oder Ablichtung der Originalurkunde dann erbracht werden kann, wenn der Beweispflichtige im Sinne des § 299 ZPO die Möglichkeit hat, bis zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit die Urschrift vorzulegen und der Prozeßgegner die Echtheit seiner Unterschrift anerkennt. Entgegen der von der beklagten Partei im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht liegt dem vorliegenden Verfahren ein doch vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Der Kläger hat nämlich nach Erhebung der Unzuständigkeitseinrede die Fotokopie der dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zugrundeliegenden Vereinbarung vorgelegt, die im Namen beider Vertragsteile gefertigt ist. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Februar 1989 wurde diese Urkunde verlesen. Der Beklagtenvertreter gab dazu keine Erklärung ab (§§ 178, 298 Abs.3 ZPO).

Wird unter Hinweis auf § 299 ZPO die Vorlage einer Ablichtung der die Zuständigkeitsvereinbarung enthaltenden Urkunde grundsätzlich für zulässig erachtet (siehe JBl. 1981, 482), so muß hiefür auch der weitere Inhalt dieser Bestimmung gelten. Wenn das Gericht die Echtheit dieser Urkunde (Übereinstimmung der in der Ablichtung aufscheinenden Unterschrift mit dem Original) bezweifelt oder wenn der Gegner durch ein entsprechendes Vorbringen, nämlich einen Antrag, die Vorlage des Originals aufzutragen, solche Zweifel andeutet, so muß diese Vorlage aufgetragen werden. Die Nichtvorlage führt dann nicht schlechthin zur Verwerfung der Urkunde, sondern zur Beurteilung der Echtheit durch den Richter im Rahmen seiner Beweiswürdigung. Gilt dies sogar für den Fall der Nichtbefolgung des Vorlageauftrages, so steht dem Richter eine entsprechende Feststellung umsomehr zu, wenn er keine Zweifel hat, und eine Antragstellung des Gegners fehlt. Zwar fällt die Auslegung eines Urkundeninhaltes in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung, doch stellt es einen vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfenden Akt der Tatsachenfeststellung dar, wenn der Richter die Umstände des Falles (etwa das prozessuale Verhalten des Gegners) für die Beurteilung der Echtheit einer Urkunde heranzieht.

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht auch unter Berücksichtigung des Verfahrens des Gegners die Echtheit der Gerichtsstandvereinbarung festgestellt. Demnach liegt ein urkundlicher Nachweis dieser Vereinbarung iS des § 104 JN vor. Dem Revisionsrekurs konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.