JudikaturJustiz5Ob31/12p

5Ob31/12p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. „***** S*****gesellschaft mbH, *****, 2. Stadtgemeinde J*****, beide vertreten durch WT Tautschnig Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Grundbuchshandlungen in der EZ 92 GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller und der R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch WT Tautschnig Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 7. November 2011, AZ 1 R 232/11a, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

Text

Begründung:

Über Antrag der beiden Antragsteller vom 29. 8. 2011 bewilligte das Erstgericht aufgrund des Kaufvertrags („Kauf und Aufsandungsurkunde“) vom 21. 2. 2011, der Selbstberechnungserklärung vom 9. 3. 2011 und der Pfandurkunde vom 31. 3. 2011 in der EZ 92 GB *****, im Alleineigentum der Zweitantragstellerin stehend, zu TZ 2444/2011 die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erstantragstellerin. Gleichzeitig bewilligte es die Einverleibung des Wiederkaufrechts laut Punkt 5 der Kauf und Aufsandungsurkunde vom 21. 2. 2011 und die Einverleibung des Vorkaufsrechts laut Punkt 6 derselben Urkunde für „Stadtgemeinde amt J*****“. Gleichzeitig wurde die Einverleibung des Pfandrechts für die R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: Pfandgläubigerin) im Höchstbetrag von 9 Mio EUR bewilligt. Der Bewilligungsbeschluss ist datiert mit 30. 8. 2011, am selben Tag wurden die Eintragungen vollzogen.

Am 1. 9. 2011 zogen die Gesuchssteller ihren Antrag auf Vornahme von Grundbuchshandlungen zurück.

Am 22. 9. 2011 erhoben die Antragsteller und die Pfandgläubigerin Rekurs gegen die erstgerichtliche Bewilligung, und machten darin geltend, dass die Bewilligung einerseits unter „Missachtung“ der Zurückziehung und andererseits nicht antragsgemäß erfolgt sei, weil das Wiederkaufs und Vorkaufsrecht statt wie beantragt für die Stadtgemeinde J***** zugunsten des „Stadtgemeindeamts J*****“ bewilligt und einverleibt worden sei.

Das Rekursbegehren ging dahin, den Bewilligungsbeschluss aufzuheben und dem Erstgericht ausgehend von der Zurückziehung des Antrags die Löschung aller mit TZ 2444/2011 bewirkten Eintragungen aufzutragen. Hilfsweise wurde beantragt, den verfahrenseinleitenden Antrag abzuweisen, sodass die Löschung aller mit TZ 2444/2011 bewirkten Eintragungen zu vollziehen sei.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück.

In Grundbuchsachen sei zwar nach Judikatur und Lehre die Zurückziehung eines Grundbuchsgesuchs grundsätzlich zulässig, allerdings nicht mehr, wenn die bewilligten Eintragungen bereits vollzogen seien. Das ergebe sich aus §§ 102 Abs 2, 104 Abs 3 GBG (zuletzt 5 Ob 77/05t). Aus § 11 AußStrG sei keine weitergehende Möglichkeit einer Antragsrückziehung im Grundbuchsverfahren abzuleiten. Zu Recht habe daher das Erstgericht die nach erfolgtem Vollzug der Bewilligung vorgenommene Zurückziehung unbeachtet gelassen.

Den Rekurswerbern fehle es an der Beschwer bzw der Pfandgläubigerin überhaupt an der Rekurslegitimation. Die Pfandgläubigerin sei weder Antragstellerin gewesen, noch sei das zu ihren Gunsten einverleibte Pfandrecht durch die unrichtige Bezeichnung der Wiederkaufs und Vorkaufsberechtigten beeinträchtigt. Ihr fehle es an formeller und materieller Beschwer.

Die Antragsteller seien insofern nicht beschwert, als in materiell rechtlicher Hinsicht ihrem Antrag gänzlich stattgegeben worden sei. Die offensichtlich irrtümliche Fehlbezeichnung der Vorkaufs und Wiederkaufsberechtigten verleihe keine Beschwer hinsichtlich eines Begehrens auf Abweisung des Grundbuchsgesuchs bzw Beseitigung der gesamten Verbücherung. Auf die Frage einer allfälligen Berichtigungsmöglichkeit nach § 136 GBG sei nicht einzugehen, das obliege dem Erstgericht.

Die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG lägen für die Zulassung eines ordentlichen Revisionsrekurses nicht vor.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller und der Pfandgläubigerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass der Beschluss des Erstgerichts aufgehoben und der davor bestehende Grundbuchsstand wiederhergestellt werde; in eventu wird beantragt, den angefochtenen Beschluss und jenen des Erstgerichts mit dem Auftrag aufzuheben, für die Herstellung des vorherigen Grundbuchsstands zu sorgen; in eventu wird die Abweisung des verfahrenseinleitenden Verbücherungsgesuchs beantragt, sodass die Löschung aller mit TZ 2444/2011 bewirkten Eintragungen zu vollziehen sei.

Die Vorinstanzen hätten die Rückziehung des Gesuchs am 1. 9. 2011 und die neuerliche Rückziehung im Rekursverfahren rechtlich unrichtig beurteilt. Sie sei zufolge § 11 AußStrG zulässig. Zu dieser Frage samt Rechtslage seit Umstellung des Grundbuchs auf ADV bestehe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung und die Entscheidung des Rekursgerichts in seiner Begründung sei „schmerzlich rigide“.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist wie folgt zu entgegnen:

1. Soweit im außerordentlichen Revisionsrekurs darauf hingewiesen wird, dass entgegen der Ansicht des Rekursgerichts eine Berichtigung nach § 136 GBG strikt antragsgebunden sei, seitens der Antragsteller und der Pfandgläubigerin aber kein Berichtigungsantrag gestellt wurde und eine Berichtigung auch nicht angestrebt („strikt abgelehnt“) werde, ist darauf nicht weiter einzugehen, weil Gegenstand der angefochtenen Entscheidung weder ein Berichtigungsbeschluss iSd § 136 GBG noch die Ablehnung einer Berichtigung ist.

2. Mit der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht, die Zurückziehung eines Grundbuchantrags müsse bis zur Abfertigung des Grundbuchsbeschlusses jedenfalls möglich sein wobei sich die Rechtsmittelwerber hiezu auf Exner , Hypothekenrecht [1876] I 175 berufen hat sich der Oberste Gerichtshof mit dieser Frage bereits in seiner Entscheidung 5 Ob 77/05t (RdW 2005/697 = MietSlg 57.561 = immolex 2006/13; RIS Justiz RS0119987) ausführlich auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, die Zurückziehung eines Grundbuchsgesuchs sei zwar zulässig, jedoch nur bis zum Vollzug der bewilligten Eintragung. Die Bindung an die einmal vorgenommene Eintragung eines bewilligenden Beschlusses bezweckt den Schutz desjenigen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs bücherliche Rechte erwirbt, sodass nachträgliche Änderungen bücherlicher Eintragungen mit Ausnahme von Änderungen im Rechtsmittelverfahren mit einem mittlerweile gutgläubig bewirkten Rechtserwerb kollidieren könnten (5 Ob 17/94 SZ 67/13; Kodek , Grundbuchsrecht, § 76 GBG Rz 4 mwN).

3. Wohl trifft es zu, dass die Entscheidungen 5 Ob 77/05t und 5 Ob 132/10p die Frage, ob diese Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des § 11 AußStrG 2005 noch anwendbar sei, ausdrücklich offenließen, weil diese Bestimmung noch nicht anwendbar war bzw kein zulässiges Rechtsmittel vorlag. Dennoch begründet auch das keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG:

4. Vor dem Inkrafttreten des AußStrG 2005 mit 1. 1. 2005 wurde in antragsgebundenen außerstreitigen Verfahren von der Rechtsprechung die Rücknahme eines Antrags in jeder Lage des Verfahrens, auch noch im Rechtsmittelverfahren (dort mit Zustimmung des Gegners oder unter Anspruchsverzicht), als zulässig angesehen (vgl 8 Ob 522/94; 2 Ob 505/86; RIS Justiz RS0005785).

Diese Rechtslage stand schon bisher aus den in Punkt 2 ausgeführten Gründen einer Ablehnung der Zulässigkeit von Antragsrückziehungen im Grundbuchsverfahren nicht entgegen.

5. Die mit § 11 Abs 1 AußStrG 2005 normierte Zulässigkeit der Rückziehung eines Antrags im außerstreitigen Verfahren orientiert sich an der bisherigen Judikatur und den übertragbaren Gedanken des § 237 und des § 483 Abs 3 zweiter Satz ZPO (vgl ErläutRV 224 BlgNR 22. GP, abgedruckt in Fucik/Kloiber , AußStrG 83 f).

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber wurde durch das Inkrafttreten des § 11 AußStrG 2005 keine substantielle Rechtsänderung hinsichtlich der Zulässigkeit von Antragsrückziehungen im Außerstreitverfahren geschaffen, sodass sich auch für das Grundbuchsverfahren daraus keine andere Betrachtungsweise ergibt.

6. Die sich aus dem Vollzug einer Eintragung, wofür weder die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses, die die Revisionsrekurswerber für maßgeblich erachten, noch dessen Rechtskraft erforderlich ist (vgl Kodek aaO § 102 GBG Rz 3 und 7 mwN), ergebenden Rechtswirkungen stehen der Zulässigkeit einer Antragsrücknahme nach Vollzug einer bewilligten Einverleibung nach wie vor entgegen.

Das ergibt sich auch nach Inkrafttreten des § 11 AußStrG 2005 aus § 102 Abs 2 GBG (vgl 3 Ob 536/93 SZ 66/121) und § 104 Abs 3 GBG (vgl 5 Ob 77/05t), die weiterhin dem Rechtsbestand angehören (vgl Kodek aaO).

7. Dass infolge Umstellung des Grundbuchsverfahrens auf automationsunterstützte Datenverarbeitung seit dem GVG durch das Zusammenfallen von Bewilligung und Vollzug für Rückziehungen von Grundbuchsgesuchen praktisch keine Anwendungsmöglichkeit mehr gegeben ist (vgl hiezu abermals Kodek aaO § 76 Rz 5 aE), lässt keine andere Beurteilung zu.

Der Lösung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG bedarf es sohin nicht, was zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels zu führen hat.