JudikaturJustiz5Ob292/06m

5Ob292/06m – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller

1. Elvira E*****, 2. Christian T*****, beide *****, und beide vertreten durch Dr. Angelika Truntschnig, Rechtsanwältin in Wien, wegen Einverleibung eines Simultanpfandrechtes, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Oktober 2006, AZ 46 R 719/06k, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 4. September 2006, TZ 2998/2006 bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Grundbuchssache wird dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach rechtskräftiger Erledigung des von den Antragstellern eingebrachten Antrages auf Einverleibung ihres Mit- und Wohnungseigentumsrechtes (TZ 2996/06 des Bezirksgerichtes Josefstadt) aufgetragen.

Text

Begründung:

In ihrem am 22. 8. 2006 beim Erstgericht eingelangten Grundbuchsgesuch stellten die Antragsteller den - im Rechtsmittelverfahren noch relevanten - Antrag, die Einverleibung eines Pfandrechtes im Höchstbetrag von EUR 429.000 ob den den Antragstellern gehörenden, mit Wohnungseigentum verbundenen je 99/11062 Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** zu bewilligen sowie die Simultanhaftung anzumerken, wobei die EZ ***** GB ***** als Haupteinlage und die EZ ***** GB ***** als Nebeneinlage zu bezeichnen sei.

Zum Zeitpunkt des Einlangens dieses Grundbuchsgesuches war die R***** GmbH als Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** eingetragen. Mit Beschluss vom 4. 9. 2006 (TZ 2996/2006) wurde der Antrag auf Einverleibung der Mit- und Wohnungseigentumsanteile der Antragsteller (allerdings noch nicht rechtskräftig) abgewiesen. Das Erstgericht wies den Antrag auf Einverleibung der Pfandrechte mangels Legitimation der Antragsteller ab, weil ihr Antrag auf Einverleibung von Mit- und Wohnungseigentum abgewiesen worden sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes über die fehlende Antragslegitimation. Der Zeitpunkt der Antragstellung sei für die Erledigung des Grundbuchsgesuches auch dann maßgeblich, wenn die Abweisung des Einverleibungsgesuches noch nicht rechtskräftig sei. Damit sei auch die Rechtskraft dieses abweisenden Gesuches nicht abzuwarten.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Antragsteller die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinn einer Bewilligung ihres Antrages; hilfsweise wird beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und den Unterinstanzen die neuerliche Entscheidung über das Grundbuchsgesuch nach Rechtskraft der Entscheidung TZ 2996/06 aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des Eventualantrages auch berechtigt, weil das Rekursgericht ein Zuwarten bis zur rechtskräftigen Erledigung des Antrages auf Einverleibung des Wohnungseigentums der Antragsteller zu Unrecht abgelehnt hat. Nach § 93 GBG ist für die Beurteilung des Grundbuchsgesuches der Zeitpunkt maßgeblich, in dem dieses beim Grundbuchsgericht einlangte. Dies gilt auch für das Rekursgericht und folgerichtig auch für den Obersten Gerichtshof (RIS-Justiz RS006117; Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht § 93 GBG Rz 1).

Die Lehre zählt zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Buchstand nicht nur die bereits vollzogenen Eintragungen, sondern auch die bewilligten, aber noch nicht vollzogenen, ebenso wie die schon vor dem zu prüfenden Gesuch eingelangten, aber noch nicht erledigten Grundbuchsgesuche (Bartsch GBG7, 74; Hofmeister, Anm zu KG Korneuburg vom 22. 11. 1983, 5 R 287/83; GBSlg 13, NZ 1984, 117; Hoyer Grundbuchsrecht und Grundbuchspraxis I, NZ 1995, 1; Feil, Grundbuchsrecht 298).

Eintragungen müssen in diesem Sinn nicht rechtskräftig sein, bevor auf ihrer Basis weitere Eintragungen bewilligt werden können, was § 97 GBG für bestimmte Fälle sogar positiv anordnet (Hoyer, Grundbuch, Gerichtsfehler und Pfandrecht, ecolex 1993, 300).

Dieses Prinzip nahm ein Teil der zweitinstanzlichen Judikatur zum Anlass, Grundbuchsgesuche, deren positive Erledigung von jener eines (noch nicht rechtskräftig) abgewiesenen Gesuches abhängig war, sofort unter Hinweis auf die Vorentscheidung abzuweisen (LGZ Wien RPflSlg 374; KG Korneuburg NZ 1984, 115; vgl LG Innsbruck vom 11. 5. 2005, 51 R 48/05a).

Hofmeister (aaO) lehnt diese Vorgangsweise unter Hinweis auf die Zugehörigkeit der Anmerkung der Besuchsabweisung zum Grundbuchsstand ab.

Hoyer (NZ 1995, 1; ecolex 1993, 300; AGS 2006/650) hält dieser Judikatur insbesondere das gesetzeskonforme und nicht zu entkräftende Argument des im Grundbuchsverfahren vorrangigen Rangprinzipes entgegen:

§ 128 GBG bestimmt ausdrücklich die Rückwirkung des erst in höherer Instanz bewilligten Grundbuchsgesuches auf den Tag dessen Einlangens (§ 29 Abs 1 GBG). Hängt daher die Bewilligung eines Folgegesuches von der positiven Erledigung eines noch nicht rechtskräftig abgewiesenen Grundbuchsgesuches ab, ist der Eintritt der Rechtskraft der Vorentscheidung abzuwarten, statt sofort mit Abweisung vorzugehen. Eine sofortige Abweisung würde nämlich eine mit dem Eintragungsprinzip unvereinbare Grundbuchssperre für den Nachmann, verbunden mit der Gefahr des Rangverlustes bewirken (Hoyer NZ 1995, 1 f; ders in FS Kralik, 221).

Diese Forderung nach einem Zuwarten steht auch nicht in Widerspruch zu jenem Ergebnis, das in der „spiegelbildlichen" Konstellation der noch nicht rechtskräftigen Bewilligung des vorangegangenen Gesuches erzielt wurde. In einem derartigen Fall stimmen Judikatur (5 Ob 42/97f = RIS-Justiz RS006117 [T6]; LGZ Wien RPflSlg 374) und Lehre (ua Hoyer ecolex 1993, 300) dahin überein, dass die Rechtskraft der Vorentscheidung nicht abzuwarten ist. Der Grund dafür ist ebenso einfach wie einleuchtend: Wird nämlich die zunächst bewilligte Eintragung auf Grund einer Abweisung des Grundbuchsgesuches im Rechtsmittelverfahren gelöscht, erfasst die Löschung im Sinn der §§ 21, 22 GBG alle auf Grund der unzutreffenden Eintragung vorgenommenen Folgeeintragungen (Hoyer, ecolex 1993, 300). Umgekehrt funktioniert es aber nicht, weil ein rechtskräftig abgewiesenes Folgegesuch nicht nachträglich im Grundbuchsverfahren bewilligt werden kann und der Antragsteller daher seinen Rang verloren hat. Ein Antrag auf Abänderung der rechtskräftigen Abweisung (§§ 72 ff AußStrG) ist im Grundbuchsverfahren ausdrücklich ausgeschlossen (§ 122 Abs 1 GBG). Aus diesen Erwägungen waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben; dies verbunden mit der Anordnung, die rechtskräftige Erledigung des - präjudiziellen - Vorgesuches abzuwarten.